Russische Militärbasen in Syrien: Wie aus dem Gegner ein Geschäftspartner geworden ist

Roland Bathon
Fahnen von Russland, Assad-Syrien und der Türkei vor Kriegskulisse

Fahnen von Russland und der Türkei, dazwischen die syrische Fahne. Bild: zef art/ Shutterstock.com

Russland verliert nach Assads Sturz seine Militärbasen in Syrien – so schien es zunächst. Dann begann Moskau zu verhandeln. Wie sich das Blatt wendete.

Nachdem der gestürzte Ex-Diktator Assad Anfang Dezember nach Moskau geflohen war, schien in den Augen deutscher Politiker und Medien das Schicksal der russischen Präsenz in Syrien besiegelt. Russland ziehe sich "offenbar aus Syrien zurück", berichtete etwa das ZDF Mitte Dezember unter Berufung auf den Militärexperten Gustav Gressel. Das Handelsblatt titelte zeitgleich: "So zieht sich Russland aus Syrien zurück".

Dabei erkannten die Berichterstatter die große Bedeutung der Stützpunkte, etwa für die russischen Militäraktionen in Afrika und im östlichen Mittelmeer. In Berlin ging man aber allgemein davon aus, dass sie unter der neuen syrischen Regierung, die von ehemaligen militärischen Gegnern Russlands dominiert wird, nicht zu halten seien.

Moskau will kostspielige Evakuierung vermeiden

Ein Abzug wäre ein wahres Mammutprojekt. Die Ausrüstung des russischen Luftwaffenstützpunktes Hmeimim war 2015 mit fast 300 Frachtflügen auf das Gelände gebracht worden. Die medienwirksamen Rücktransporte nach Russland im Dezember im Zuge des Sturzes von Assad betrafen dagegen nur wenige Flugzeuge, etwa drei Iljuschin Il-76 und eine Antonow An-124 Anfang Dezember.

Anzeichen für eine tatsächliche aktive Evakuierung gab es nicht. Zuletzt sollen im Herbst 2024 rund 7.500 russische Militärangehörige in Syrien stationiert gewesen sein. Von großer strategischer Bedeutung ist auch der bisher von den Russen gepachtete Hafen von Tartus.

Schlagartiger Wandel der Position

In Moskau dachte man schon beim Sturz Assads anders als in Berlin. Der offizielle Ton gegenüber den bis dahin vor allem als "Terroristen" bezeichneten Assad-Gegnern änderte sich praktisch schlagartig. Schon am 7. Dezember ließ man sich nach einem Bericht des Wall Street Journal in Verhandlungen mit der Türkei, dem Iran und arabischen Staaten zusichern, dass man die Anlagen für die Übergangszeit behalten könne. Das eigentliche Ziel Moskaus war damit aber weiterhin nicht erreicht.

Natürlich war klar, dass die mit den Rebellen verbündeten Türken unter Recep Tayyip Erdoğan nun die entscheidende Schutzmacht in Syrien darstellten. Als dann Ende Januar der Pachtvertrag mit den Russen über den Hafen von Tartus gekündigt wurde, schienen die Tage der russischen Präsenz in Syrien gezählt. Doch es kam anders und auch diese Kündigung erscheint vor dem Hintergrund der weiteren Entwicklung in einem anderen Licht.

Nach dem Rückzug ist vor der Neuverhandlung

Etwa eine Woche nach der Kündigung traf eine offizielle russische Delegation unter Leitung des stellvertretenden russischen Außenministers Michail Bogdanow in Damaskus ein. Hauptthema der Verhandlungen mit der neuen Regierung waren die beiden russischen Stützpunkte in Tartus und Hmeimim. Hier war das letzte Wort noch nicht gesprochen.

In diesem Rahmen gab es erneut lobende Worte für die neuen syrischen Machthaber, die man vor nicht so langer Zeit noch militärisch bekämpfte. Die russische Delegation bekräftigte "ihre Unterstützung für die laufenden positiven Veränderungen in Syrien" und sprach von einer "Wiederherstellung des Vertrauens zum syrischen Volk" durch russische Hilfe beim Wiederaufbau.

Dass es der neuen Regierung in Damaskus aber nicht nur um schöne Worte ging, zeigte der russische Besuch. Damaskus forderte Wiedergutmachung für das russische Vorgehen in der Vergangenheit. Das von einem langen Bürgerkrieg gebeutelte Land strebte vorrangig finanzielle Kompensationen an.

In diesem Zuge war klar, dass auch Militärstützpunkte im Land für die Russen nicht mehr zu den günstigen Bedingungen Assads zu bekommen waren. Ihm hatte die russische Militärpräsenz – anders als den Akteuren der neuen Führung – eine Stabilisierung seiner Herrschaft gebracht.

Syriens Verteidigungsminister sieht neue Möglichkeiten

Es ist davon auszugehen, dass nach Bogdanows Besuch die bilateralen Verhandlungen zwischen Moskau und Damaskus über die Stützpunkte fortgesetzt wurden.

Denn am 6. Februar schlug der neue syrische Verteidigungsminister Murhaf Abu Kasra in einem Interview mit der Washington Post plötzlich ganz neue Töne zur russischen Präsenz an.

Die neue syrische Führung, so Abu Kasra, sei bereit, die russischen Militärbasen weiter zu dulden, wenn dies im Interesse des Landes sei. Die Haltung Russlands gegenüber seiner Bewegung habe sich nach dem Sturz Assads deutlich verbessert. Es sei möglich, dass die Beziehungen zu Russland in einer Weise wiederhergestellt werden könnten, die den Interessen beider Staaten entspreche.

Türkei als neue Kraft

Im selben Interview wurde auch die türkische und US-amerikanische Militärpräsenz auf syrischem Territorium thematisiert. Hier wird auch eine Motivation deutlich, aus der heraus ein syrischer Regierungsvertreter nun weitere russische Truppenstationierungen im eigenen Land akzeptiert. Die Türkei ist jetzt die neue starke Kraft im syrischen Raum, aber eine zu einseitige Abhängigkeit vom nördlichen Nachbarn ist nicht im Sinne von Damaskus.

Das Hauptmotiv für die Wende in Syrien dürften jedoch finanzielle Gründe sein. Das Land ist in den vergangenen Jahren unter Assad verarmt, sodass Pachterträge mit günstigen Konditionen gekündigt und bessere ausgehandelt werden können. Sollte es zu einem Neuabschluss kommen, wird Moskau angesichts der hohen strategischen Bedeutung dieser einzigen russischen Militärbasen außerhalb des Gebietes der ehemaligen Sowjetunion wohl in den sauren Apfel beißen müssen.