Russische Söldner beziehen US-Basis in Niger, US-Truppen sollen nach Deutschland evakuiert werden
Zeitenwechsel in Afrika: Russische Truppen auf Hanger der Airbase 101 in Niger. US-General soll geordneten Rückzug organisieren – nach Deutschland.
Russische Militärverbände haben sich auf einer Luftwaffenbasis in Niger eingerichtet, die auch von US-Truppen genutzt wird. Dies berichtete ein hochrangiger Vertreter des US-Verteidigungsministeriums gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters. Der Vorfall folgt auf die Entscheidung der nigrischen Militärjunta, US-Streitkräfte aus dem Land auszuweisen.
Die USA und Frankreich sind in einem kurzen Zeitraum aus mehreren Staaten der Sahelzone ausgewiesen worden oder drohen, ihre Militärpräsenz zu verlieren. Teilweise mussten sie ihre langjährigen Truppenstandorte fluchtartig verlassen. Derzeit versuchen die USA, die Präsenz mit teils großzügigen finanziellen Zuwendungen wiederherzustellen.
Niger fordert Abzug von US-Truppen
Besonders zugespitzt ist die Lage in Niger. Die militärische Führung des westafrikanischen Landes hat die USA aufgefordert, ihre fast 1.000 Soldaten abzuziehen. Bis zum Putsch im vergangenen Jahr war Niger ein wichtiger Partner der USA im Kampf gegen Aufständische, die tausende Menschen getötet und Millionen weitere vertrieben haben.
Die Führung in Niger wirft den USA vor, bei der Terrorbekämpfung ineffizient gewesen zu sein, zudem verfolge Washington geopolitische Interessen. Sie hat daraufhin russische Truppen eingeladen, die umgehend in Niger gelandet sind.
Ein hochrangiger US-Verteidigungsbeamter, der anonym bleiben wollte, schilderte gegenüber Reuters die Situation nach der Ankunft der Russen. Die russischen Truppen hätten bislang keinen Kontakt zu den US-Soldaten aufgenommen. Sie hätten einen separaten Hangar auf der Airbase 101 bezogen. Diese befindet sich neben dem Diori Hamani International Airport in Niamey, der Hauptstadt von Niger.
US-amerikanische und russische Soldaten auf engstem Raum
Die Präsenz russischer Truppen auf der bisherigen US-Basis erfolgt zu einer Zeit, in der die militärische und diplomatische Rivalität zwischen beiden Ländern aufgrund des Konflikts in der Ukraine an Schärfe gewinnt.
Zudem ist die Frage der künftigen Nutzung der US-Einrichtungen in Niger nach einem möglichen Abzug offen. Der US-Beamte bezeichnete die Situation als "nicht optimal, aber kurzfristig handhabbar".
Die Botschaften von Niger und Russland in Washington haben bisher nicht auf Anfragen nach Stellungnahmen reagiert, schreibt Reuters
Westliche Truppen verlassen Sahel-Staaten
Infolge von Putschen, die antiwestliche Gruppen an die Macht gebracht haben, mussten die USA und ihre Verbündeten ihre Truppen aus mehreren afrikanischen Ländern abziehen. Neben dem bevorstehenden Rückzug aus Niger haben US-Truppen in den letzten Tagen auch Tschad verlassen, während französische Streitkräfte aus Mali und Burkina Faso ausgewiesen wurden.
Parallel dazu baut Russland seine Beziehungen zu afrikanischen Ländern aus. Moskau inszeniert sich offenbar bewusst als freundlich gesinnte Nation ohne koloniale Vergangenheit auf dem Kontinent.
Vor diesem Hintergrund hat sich auch Mali in den vergangenen Jahren zu einem der engsten afrikanischen Verbündeten Russlands entwickelt. Das halbstaatliche russische Militärunternehmen Wagner kämpft dort gegen dschihadistische Aufständische – aufgrund des robusteren Vorgehens offenbar mit größeren Erfolgen als die westlichen Truppen.
Russland und USA: Beziehungen "unter null"
Brisant ist die Lage vor dem geopolitischen Kontext. Russland hat die Beziehungen zu den USA aufgrund der militärischen und finanziellen Unterstützung der USA für die Ukraine in dem über zweijährigen Krieg als "unter null" bezeichnet.
Nach dem Putsch verlegte das US-Militär einige seiner Truppen in Niger von der Airbase 101 zur Airbase 201 in der Stadt Agadez. Es ist derzeit unklar, welche US-Militärausrüstung auf der Airbase 101 verblieben ist – und in die Hände der Russen fallen könnte.
Die USA haben die Airbase 201 in Zentral-Niger für mehr als 100 Millionen US-Dollar erbaut. Seit 2018 wird sie zur Bekämpfung von Kämpfern des Islamischen Staates und der Al-Qaida-Ableger Jama'at Nusrat al-Islam wal Muslimeen mit bewaffneten Drohnen genutzt.
Besorgnis über islamistische Militante
Washington zeigt sich besorgt über islamistische Milizen in der Sahel-Region, die sich ohne die Präsenz von US-Streitkräften und Geheimdienstkapazitäten ausbreiten könnten. Dieser Position ist die Militärführung in Niger offen entgegengetreten.
Die Aufforderung Nigers zum Abzug der US-Truppen erfolgte nach einem Treffen in Niamey Mitte März. Bei dieser Zusammenkunft äußerten hochrangige US-Beamte Bedenken, darunter die erwartete Ankunft russischer Streitkräfte und Berichte über den Iran, der in Niger nach Rohstoffen sucht, einschließlich Uran.
Präsenz von russischen Truppen "nicht gut aufgenommen"
Die US-Beamten machten deutlich, dass US-Streitkräfte nicht auf einer Basis mit russischen Streitkräften stationiert sein könnten. "Sie haben das nicht gut aufgenommen", so der Beamte.
Inzwischen wurde ein US-General nach Niger entsendet, um einen geordneten Rückzug zu organisieren. Obwohl noch keine Entscheidungen über die Zukunft der US-Truppen in Niger getroffen wurden, plant man, sie zu den Heimatbasen des US Africa Command (Afrika-Kommenado, Africom) in Deutschland zurückzubringen.
Angesichts der Lage in Niger verhandelt das US-Militär nun mit Tschad über eine mögliche Rückkehr.
Das berichtete der Kommandeur des US-Afrika-Kommandos, General Michael Langley, auf dem zweiten jährlichen Gipfel der afrikanischen Seestreitkräfte in Ghana.
Nigers Ausweisung der US-Truppen beeinflusst die Region
Niger beherbergt – wie oben erwähnt – einen bedeutenden US-Luftwaffenstützpunkt in der Stadt Agadez, rund 920 Kilometer von der Hauptstadt Niamey entfernt. Dort führt das US-Militär bemannte und unbemannte Überwachungsflüge sowie andere nicht näher bezeichnete militärische Operationen durch.
Seit Beginn der Operationen im Jahr 2013 hat die US-Regierung Hunderte von Millionen US-Dollar in die Ausbildung des nigrischen Militärs investiert. Die Entscheidung der nigrischen Regierung, die Vereinbarung zu beenden, die den US-Truppen erlaubt, im westafrikanischen Land zu operieren, hat daher weitreichende Auswirkungen.
Tschad will Sicherheitspartnerschaft fortsetzen
Die US-Regierung hatte in im vergangenen Monat angekündigt, den Großteil ihres Kontingents von etwa 100 Soldaten aus dem Tschad abzuziehen, nachdem auch dort die Regierung die Präsenz dort infrage gestellt hatte.
Trotz des vorläufigen Rückzugs der US-Truppen hat Tschad jedoch signalisiert, dass man die Sicherheitspartnerschaft mit den USA fortsetzen möchte. "Wir werden innerhalb eines Monats zurückkehren, um zu besprechen, auf welche Weise und was sie benötigen, um ihre Sicherheitsstruktur weiter auszubauen und auch gegen den Terrorismus vorzugehen", erklärte General Langley.
Vorläufiger Rückzug inmitten von Wahlunsicherheit
Der Rückzug der US-Truppen aus dem Tschad erfolgt inmitten der anstehenden Präsidentschaftswahlen am Montag, bei denen erwartet wird, dass der amtierende Präsident gewinnt.
Der Interimspräsident von Tschad, Mahamat Deby Itno, übernahm die Macht, nachdem sein Vater, der das Land über drei Jahrzehnte regierte, 2021 im Kampf gegen Rebellen getötet wurde. Im vergangenen Jahr kündigte die Regierung an, die 18-monatige Übergangsphase um zwei weitere Jahre zu verlängern, was landesweit zu Protesten führte.
Laut Langley handelt es sich bei dem Abzug der US-Truppen um einen vorübergehenden Schritt "im Rahmen einer laufenden Überprüfung unserer Sicherheitskooperation, die nach den Präsidentschaftswahlen im Tschad am 6. Mai wieder aufgenommen wird".
Kommen vertriebene US-Truppen nach Deutschland
Obwohl noch keine Entscheidungen über die Zukunft der US-Truppen in Niger getroffen wurden, sagte ein US-Vertreter, es sei geplant, dass sie zu den Heimatbasen des US Africa Command in Deutschland zurückkehren.
Das sogenannte Afrika-Kommando (Africom) der USA wurde im Oktober 2007 als eines der elf Unified Combatant Commands der US-Streitkräfte etabliert. Seit seiner vollen Einsatzbereitschaft im Oktober 2008 ist Africom für die Leitung der US-amerikanischen Militäroperationen auf dem afrikanischen Kontinent verantwortlich, mit Ausnahme von Ägypten, das nach wie vor dem US Central Command unterstellt ist.
Sitz des Africom sind die Kelley Barracks in Stuttgart-Möhringen.