Russland: Gericht ebnet Weg für Beschlagnahme von Millionengeldern deutscher Banken
Deutsche Bank darf Vermögen nicht übertragen oder Eintragungen verändern. Schiedsgericht lehnt Beschlagnahme vorerst aber ab. Folgen von Sanktionen.
Ein Schiedsgericht in Sankt Petersburg hat das Vermögen von mehreren Banken, einschließlich der Deutschen Bank und der Commerzbank, in Russland eingefroren. Das berichtet die russische Nachrichtenagentur Tass.
Gazprom-Tochter erhebt Ansprüche
Den Antrag auf Einfrieren des Vermögens stellte eine Tochtergesellschaft des russischen Energiekonzerns Gazprom, die ein Flüssigerdgas-Terminal an der Ostsee betreibt. Sie erhebt gegen die Deutsche Bank Ansprüche in Höhe von rund 238 Millionen Euro und gegen die Commerzbank Ansprüche von rund 95 Millionen Euro.
Der Grund für diese Forderungen ist der geplatzte Bau des LNG-Terminals, der aufgrund westlicher Sanktionen nicht realisiert werden konnte. Die beiden deutschen Banken hatten für dieses Projekt eine Bürgschaft übernommen.
Deutsche Bank sieht sich "vollständig abgesichert"
Die Deutsche Bank äußerte sich zu der Entscheidung des Schiedsgerichts und erklärte, es bleibe abzuwarten, wie diese Entscheidung von den russischen Gerichten umgesetzt werde und welche Folgen dies für den operativen Betrieb des Instituts in Russland habe.
Trotz der unklaren Situation betonte die Bank, dass sie sich durch eine bestehende Entschädigungsvereinbarung "vollständig abgesichert" sehe. Weitere Details zu dieser Vereinbarung wurden jedoch nicht genannt.
Klage gegen Deutsche Bank: Hintergrund und Klageschrift
Das Unternehmen "Ruskhimalyans" hatte laut Klageschrift beim Schiedsgericht der Stadt Sankt Petersburg und der Leningrader Region eine Klage gegen die Deutsche Bank eingereicht. Die Forderung beläuft sich auf eine Zahlung von 238.126.196,10 Euro, basierend auf einer Bankgarantie vom 24.09.2021. Zusätzlich verlangt Ruskhimalyans eine Vertragsstrafe für die verspätete Erfüllung der Verpflichtung zur Zahlung der Bankgarantie in Höhe von 479.514,39 Euro, Stand zum Zeitpunkt der Klageeinreichung.
Forderung nach Beschlagnahmung von Aktien
Ferner fordert Ruskhimalyans die Beschlagnahmung von 100 Prozent der Beteiligungen der Deutschen Bank an der "Deutsche Bank LLC" und der "Deutsche Bank Technology Center LLC". Die Klage wurde am 12.07.2023 zur Verhandlung angenommen und die genannten Unternehmen wurden als Dritte, die keine unabhängigen Ansprüche im Streitfall geltend machen, zum Verfahren hinzugezogen.
Am 15.05.2024 hatte Ruskhimalyans die Anordnung von Sicherheitsmaßnahmen beantragt, darunter die Beschlagnahmung von 100 Prozent der Anteile, die der Deutschen Bank in der "Deutsche Bank LLC" und der "Deutsche Bank Technology Center LLC" gehören.
Auch wurde ein Verbot für das Moskauer Büro des Bundessteuerdienstes beantragt, Einträge oder Informationen im Staatsregister der juristischen Personen hinsichtlich der Belastung der Rechte Dritter und/oder die Änderung des Eigentümers und der Anteile an der "Deutsche Bank LLC" und der "Deutsche Bank Technology Center LLC" vorzunehmen.
Gericht ordnet teilweise Sicherheitsmaßnahmen an
Die Forderung nach Beschlagnahmung der Anteile wurde jedoch abgelehnt, da das Gericht feststellte, dass das Verbot der Veräußerung dieser Anteile ausreicht, um die Durchsetzung eines möglichen zukünftigen Urteils zu gewährleisten und den Status quo der Beziehungen zwischen den Parteien aufrechtzuerhalten.
Das Gericht ordnete auch die Beschlagnahmung von Wertpapieren und Geldmitteln, die der Deutschen Bank, der "Deutsche Bank LLC" und der "Deutsche Bank Technology Center LLC" gehören, bis zu einem Betrag von 238.605.710,49 Euro oder einem äquivalenten Betrag in Rubel oder einer anderen Fremdwährung nach dem offiziellen Wechselkurs der Zentralbank am Tag der Beschlagnahme an.
Gegen diese Entscheidung kann innerhalb eines Monats nach ihrer Verkündung Berufung beim Dreizehnten Schiedsberufungsgericht eingelegt werden.
Es geht um Garantien für LNG-Projekt
Laut Gerichtsunterlagen bezieht sich die Klage auf eine Bankgarantie von Ende 2021. In diesem Zeitraum erhielt ein Gemeinschaftsunternehmen des Industrieriesen Linde und Gazprom den Auftrag für den Bau des Terminals. Nach dem Beginn des russischen Krieges in der Ukraine zog sich Linde aus dem Projekt zurück. Der Rückzug kostete Linde über eine Milliarde Euro.
Deutsche Bank blieb trotz Kriegsbeginn in Russland aktiv
Trotz des Kriegsbeginns bleibt die Deutsche Bank in Russland aktiv. Sie betreibt nach eigenen Angaben kein Neugeschäft und fährt ihre Aktivitäten im Land zurück. Laut der Frankfurter Allgemeinen Zeitung ist das Russland-Geschäft der Bank 1,6 Milliarden Euro schwer. Zudem hat die Bank Einlagen in Höhe von 800 Millionen Euro bei der russischen Zentralbank.
Auch Linde von Ruskhimalyans verklagt
Ruskhimalyans hat in der Vergangenheit bereits den Industrieriesen Linde verklagt. Der Grund waren nicht erfolgte Lieferungen für das im Bau befindliche Flüssiggasterminal in Ust-Luga. Nach der Klage wurde das russische Vermögen von Linde eingefroren, welches sich zu dem Zeitpunkt auf etwa 450 Millionen Euro belief.