Russland-Sanktionen: Die mächtigen griechischen Reeder machen nicht mit
Die Regierung in Athen kann gegen die Unternehmer kaum etwas ausrichten. Und das ist nicht das einzige Problem von Premier Mitsotakis
Die Geschäftspraktiken griechischer Reeder und der Richtungsstreit in der Regierungspartei bestimmen die politische Agenda von Premierminister Kyriakos Mitsotakis. Er steht gleich mehrfach unter Druck. Die erste Sitzung des Politischen Beirats seiner konservativen Regierungspartei Nea Dimokratia am Mittwoch nutzte er, um seine Partei auf Wahlkampf einzustimmen. Vorgezogene Neuwahlen schloss er indes aus. Der Regierungschef terminierte den Urnengang nach Ablauf der nächsten zwölf Monate.
Persönlich steht Mitsotakis vor einem außenpolitischen Erfolg. Er reist am Montag in die USA zum Staatsbesuch bei US-Präsident Joe Biden und darf am 17. Mai auf Einladung der Sprecherin des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, als erster griechischer Regierungschef vor dem US-Kongress sprechen.
Mit den USA hat Mitsotakis das gegenseitige Beistandsabkommen novelliert. Statt bisher jedes Jahr im Parlament für eine Verlängerung des Abkommens zu werben, wandelte es der griechische Premier in ein mindestens fünf Jahre gültigen, sich selbst verlängernden Vertrag mit zweijähriger Kündigungsfrist um.
Am Donnerstag ratifizierte das Parlament mit 181 zu 119 Stimmen das neue Abkommen, welches den USA erheblich mehr Spielraum für Militärbasen in Griechenland gibt. Für das Abkommen stimmten die Nea Dimokratia und die seit Sonntag wieder unter dem Namen Pasok firmierende sozialdemokratische Partei des Landes.
Marder als Ersatz für Schützenpanzer?
Die USA drängen derweil Griechenland zur Lieferung von 131 Schützenpanzern sowjetischer Bauart an die Ukraine. Für die relativ veralteten BMP-1 Panzer möchte Griechenland Marder 1A5 aus Deutschland im Ringtausch erhalten.
Obwohl die Regierung Mitsotakis die Sanktionen der EU gegen Russland unterstützt, musste sie in Brüssel eine Ausnahme für die einheimischen Reeder aushandeln. Mehr als die Hälfte des aktuell exportierten russischen Erdöls wird mit Tankschiffen griechischer Reeder verschifft. Die EU hatte beabsichtigt, den Transport russischen Öls mit Schiffen aus EU-Staaten zu unterbinden.
Presseberichten zufolge haben Vertreter der Reeder persönlich bei Mitsotakis interveniert.
Die Reeder, die in Griechenland von großzügigen Steuerbefreiungen profitieren, haben in den ersten vier Monaten 2022 rund zwei Milliarden US-Dollar in 105 neue Schiffe investiert, 46 davon sind Tanker.
Als Steuerzahler sind die Reeder, deren Schiffe oft unter fremder Billigflagge fahren, kein übermäßig großer Faktor der griechischen Wirtschaft. Allerdings befinden sich mit SKAI-TV, ANT1-TV, STAR-TV, MEGA-TV und ALPHA TV fünf der sechs landesweit lizensierten Privatsender in der Hand von Reedern. Dazu kommen Radiostationen und Zeitungen. Keine Regierung in Athen kann es sich erlauben, gegen die Interessen der Reeder zu regieren.
Die Bürger erleben das Paradoxon, dass in den TV-Stationen gegen Russland und vor allem gegen Präsident Wladimir Putin argumentiert wird, während die Inhaber der Sender gleichzeitig mit Russland Geschäfte machen und nun vom erhöhten Bedarf am Schiffstransport von LNG profitieren. Dies trägt nicht unbedingt zur Akzeptanz der Folgen der Sanktionen im Land bei.
Denn die Bürger empfinden, dass die Gewinne der Reeder, ebenso wie die erhöhten Gewinne der einheimischen Elektrizitätsunternehmen, geschützt werden, während sie selbst mit steigenden Preisen und Knappheit zu kämpfen haben. Mitsotakis Maßnahmen gegen die überhöhten Strompreise bestehen darin, dass der Staat, ergo die Steuerzahler, einen Teil der Stromrechnung begleicht.
Alt-Premier gegen Regierungschef
Beim Parteitag der Nea Dimokratia am vergangenen Wochenende kam für Mitsotakis eine weitere Sorge hinzu. Der Premier hat in der Partei keine Hausmacht. Er versucht die Partei für die Mitte zu öffnen und auch linksliberale Wähler anzusprechen. Gegenüber EU und Nato möchte er Griechenland als stabilen, zuverlässigen Partner präsentieren.
Eine andere Meinung hat dagegen Antonis Samaras, der bis 2015 Premierminister war. Samaras verlangte beim Parteitag, dass nationale Interessen Griechenlands stärker betont werden müssen. Die Zukunft der Partei sieht er eher im rechtskonservativen Lager.
Als Beispiele für negative Folgen der Öffnung konservativer Parteien hin zur politischen Mitte führte Samaras Deutschland, Frankreich und Italien an.
Der frühere Premier wirft der EU und den USA vor, sie würden gegenüber der Türkei hinsichtlich deren Revisionismus gegen Griechenland eine Appeasement-Politik vertreten, während im Fall der Ukraine sofort zu harten Sanktionen gegriffen worden wäre.
Samaras warnt davor, Russland zu isolieren. Er sieht darin eine Gefahr auch für den Balkan, wo sich dann Griechenland mit Staaten unter starkem russischem Einfluss auseinandersetzen müsse.