Russland sieht USA als Risiko für Gaslieferungen nach Europa

Josephine Bollinger-Kanne
Karte auf derPipelines von von Russland in die EU mit US-Schloss

Russland befürchtet, dass die USA den Gasfluss nach Europa stoppen könnten, selbst wenn die Sanktionen aufgehoben werden.

Stimmen in der EU befürworten eine Rückkehr von mehr russischem Pipelinegas. Die USA als zwischengeschalteter Transporteur gelten in Russland allerdings als ein Risiko, da sie den Hahn abdrehen könnten. Der Rückblick auf die Gastransitstopps 2006 und 2009 dürfte diese Befürchtung befeuern.

Die Ukraine war für Russland schon immer ein gefürchteter Gegner, der seine Transitmarktmacht in die Waagschale warf, wenn Vertragsverhandlungen zu Gaspreisen und Transitgebühren anstanden.

Außerdem schlugen Versuche durch den russischen Gaskonzern Gazprom fehl, das Gastransportnetz aus der Sowjetzeit in der Ukraine zu übernehmen. Anfang 2006 und 2009 kam es deswegen zu einem Lieferstopp von russischem Gas über die Ukraine nach Europa. Beide Seiten machten die jeweils andere Seite dafür verantwortlich.

Ukraine marginalisieren

Auf dieser Grundlage setzte sich das Vorhaben durch, die Ukraine bei russischen Gasexporten nach Europa aus dem Spiel zu nehmen. Mit der Inbetriebnahme der zwei Leitungsstränge von Nord Stream 2011 und 2012 gelang hier ein entscheidender Schritt. Die zweite Ostseegasleitung Nord Stream 2 sollte zusammen mit der Gasleitung im Schwarzen Meer den Rest erledigen.

Nach dem Einmarsch russischer Truppen in die Ukraine am 24. Februar 2022 setzte Deutschland die Zertifizierung für Nord Stream 2 aus. Im Herbst 2022 blieb nach Sprengungen in der Ostsee nur eine Röhre von Nord Stream 2 intakt.

USA eruieren Ostsee und Ukraine

Im Fahrwasser der amerikanisch-russischen Gespräche über Waffenstilland und Friedensabkommen mit der Ukraine machten Gerüchte zur Inbetriebnahme der intakten Nord Stream 2 Röhre mit amerikanischer Beteiligung verstärkt die Runde.

Im März erklärte Außenminister Sergej Lawrow, dass Gespräche zu den Nord-Stream-Gasleitungen liefen. Vizepremier Alexander Nowak bestätigte zu Nord Stream 2, dass der betreffende Strang technisch betriebsbereit sei, es aber noch viele Fragen gebe.

Im April forderten die USA Medienberichten zufolge im Rahmen der Verhandlungen zu einem Rohstoffabkommen, die Kontrolle über die Transitgasleitung in der Ukraine zu übernehmen, über die Gazprom bis Ende letzten Jahres Gas nach Europa lieferte.

Russland besteht auf Sanktionswegfall

Bedenken zu Inbetriebnahme von Nord Stream 2 und Rückkehr zum Gastransit über die Ukraine gibt es sowohl in Europa als auch in Russland. Hat Russland durch seinen Truppeneinmarsch in die Ukraine sein Image als zuverlässiger Lieferant verspielt und zum Ausstiegsbeschluss der EU aus russischen Gasimporten bis 2027 geführt, gelten in Russland die USA am Gashahn offenbar als ein Wackelkandidat.

Hierzu berichtete die Pravda kürzlich, dass auf allen Seiten zwar der Wunsch bestehe, über eine der genannten Gasleitungen, den Transport von russischem Gas nach Europa aufzunehmen, dies aber für die USA ein Interessenkonflikt darstelle, da sie auf eigene LNG-Exporte an Europa verzichten müssten.

Außerdem gebe es "für Russland keine Garantie dafür, dass es in vier Jahren in Washington nicht zu einem Machtwechsel kommt und seine Partner den Hahn nicht erneut schließen".

Auch Europa wird in diesem Kontext als Risiko eingestuft, das mit billigem Gas aus Russland seine Wirtschaft sanieren und aufrüsten würde. "Daher ist eine Wiederaufnahme der Lieferungen nur möglich, wenn die Sanktionen aufgehoben und die Gebietserwerbe anerkannt werden", schlussfolgerte die Pravda. Dies bringt klar zum Ausdruck, dass für Russland Maximalziele nach wie vor der Maßstab sind.

Business as usual mit Russland ist Illusion

Zu diesen Gerüchten über Pipeline-Deals erklärte der belgische Energieminister Mathieu Bihet gegenüber Politico in einem Interview:

Es ist illusorisch zu glauben, dass wir von heute auf morgen zum Business as usual mit Russland zurückkehren und sagen: Wir tuen so als wäre nichts passiert.

All dies erinnere an eine Schreibtischdiskussion und sei unrealistisch. "Das ist eine illusorische Debatte", so Bihet. Belgien unterstütze weiterhin den schrittweisen Abbau seiner russischen Flüssiggasimporte, ohne hier auf ein vollständiges Importverbot zu bestehen. Er versprach, "in dieser Richtung weiterzumachen", um die Importe weiter einzudämmen. "Wir finanzieren den Krieg", sagte er, "Wir müssen den Geldhahn zudrehen".

Russisches Gas versus LNG aus den USA

Der Ausstieg aus russischen Energieträgern steht für die EU weiter auf der Agenda, auch wenn Ungarn und die Slowakei sich für die Wiederaufnahme des Gastransits über die Ukraine einsetzen.

Um der Zollkeule von US-Präsident Donald Trump zu entkommen, erwägt die EU, mehr LNG aus den USA zu importieren. Für beide Seiten kann das ein lukrativer Deal sein.

Stiegen indes Gasexporte von Gazprom über Pipelines an Europa auf 70 Milliarden Kubikmeter Gas, hätten LNG-Produzenten der USA und Katar das Nachsehen, weil Preise sinken würden, erklärte der russische Analyst Sergej Kaufman und schlussfolgerte:

Die aktuelle Strategie amerikanischer LNG-Produzenten basiert weitgehend auf den Problemen mit russischem Gas. Daher wäre eine Lockerung der Sanktionen gegen russische Projekte für die USA ein Schuss ins eigene Knie.

Dieser Interessenkonflikt stellt tatsächlich eine Hürde dar. Wieso sollte er sich leichter auflösen lassen als seinerzeit mit der Ukraine? Der Wegfall des Gastransits über die Ukraine ist für die amerikanische LNG-Industrie ein Plus, zumal dazu kürzlich die LNG-Lieferungen nach China weggefallen sind. Welche Rechnung Trump anstellt, bleibt dennoch ein Geheimnis.