Russland will kein Gentech-Food
Die russische Führungsriege will Import und Anbau von GVO weiterhin unterbinden
"Wenn die Amerikaner GMO-Produkte essen wollen, lasst sie essen. Wir brauchen das nicht", erklärte der russische Ministerpräsident Dimitri Medwedew Anfang April auf einem Kongress von Landwirtschaftsvertretern. Das berichtet der staatlich finanzierte Nachrichtensender Russia Today auf seiner englischsprachigen Website. Man wolle den Import von gentechnisch veränderten Nahrungsmitteln und speziell den Anbau von GV-Pflanzen weiterhin unterbinden. In Russland würde man über genügend Platz und Ressourcen verfügen, um Nahrungsmittel weiterhin gentechnik-frei produzieren zu können, so Medwedew.
Grundsätzlich durften in Russland bisher GV-Produkte importiert und verkauft werden, allerdings nur mit entsprechender Kennzeichnung. Der Anbau sei bis dato nur unter strengen Auflagen auf Versuchsfeldern erlaubt, berichtet die staatlich finanzierte "Stimme Russlands". Mit Juli 2014 hätten aber verschiedene GV-Sorten (wie Soja, Mais, Kartoffeln und Zuckerrüben) zum Anbau freigegeben werden sollen. Zulassungen sollen aber verweigert werden, sofern keine ausreichenden Studien über die Sicherheit vorgelegt werden könnten, kündigten jetzt Regierungsvertreter an.
Bereits Ende März 2014 hatte sich Präsident Wladimir Putin eindeutig gegen GVO positioniert und sich auch unbeeindruckt von möglichen Problemen mit der Welthandelsorganisation WTO gezeigt. Gegenüber der Nachrichtenagentur ITAR-TASS betonte Putin, dass man die russischen Bürger vor "Gen-Food beschützen" werde. Man hätte genügend Möglichkeiten, dies zu tun, ohne die eingegangenen Verpflichtungen mit der WTO zu verletzen.
Bevor man die Auswirkungen von GVO nicht eingehend studiert hätte, werde man den russischen Markt und die Bevölkerung vor "minderwertigen Produkten und Nahrungsmitteln" schützen. Damit trägt Putin Bedenken von Wissenschaftlern und Vertretern der Agrarwirtschaft Rechnung, die sich zuletzt für ein Moratorium ausgesprochen hatten.
Lange Zeit wurde das Thema Gentechnik in der Landwirtschaft in den russischen Medien kaum beachtet. Gentech-Kritiker fanden erst allmählich Gehör. So berichtete "Russia Beyond The Headlines" noch 2013 in einem Artikel, dass es den Gegnern an "stichfesten Argumenten" mangle. Erst nach und nach kam das Thema in der Duma an - und schließlich auch in den staatlichen Medien. Eine kritische Haltung wird jetzt aber bereits seit mehreren Monaten in auffälliger Weise medial forciert. So werden beispielsweise in der "Stimme Russlands" ausführliche Artikel mit kritischen Positionen lanciert – dies auch in Englisch und Deutsch.
Kritische Wissenschaftler in staatlichen Medien
In den Berichten werden insbesondere gesundheitliche Bedenken betont. "Gen-Food" könnte an der Fettleibigkeit der US-Bürger und an vielen anderen Krankheiten schuld sein, ist häufig zu lesen. In den staatlichen Medien ausführlich zu Wort kommt eine leitende wissenschaftliche Mitarbeiterin der "Russischen Akademie der Wissenschaften", die den Produzenten von gentechnisch veränderten Pflanzen und Nahrungsmitteln nicht eben "feine" Absichten unterstellt. Es gebe vor allem kommerzielle Interessen an der Ausweitung des Anbaus von GV-Pflanzen und sogar strategische Interessen. Dr. Irina Jermakowa wird von der "Stimme Russlands" mit folgenden Worten zitiert:
Man kann die GMO als biologische Waffe einsetzen. Das erklärte im Jahr 2004 in Belgien der NATO-Ausschuss "Wissenschaft für Frieden und Sicherheit". Das heißt, die Leute werden essen und sterben, und ihre Nachkommen werden unfruchtbar sein. Auf diese Weise kann man das Territorium eines beliebigen Landes säubern.
Eine Quellenangabe gibt es für diese Behauptung nicht. Die Wissenschaftlerin verweist allerdings auf eine - nicht näher angeführte – (russische?) Studie mit Ratten, die gezeigt hätte, dass genmodifizierte Organismen zu Unfruchtbarkeit führen können. Andere russische Wissenschaftler gehen davon aus, dass es mindestens noch zehn bis zwanzig Jahre dauern werde, bis man die Auswirkungen von GMOs auf Umwelt und Gesundheit überhaupt fundiert beurteilen könne. Diverse Berichte, wonach es auf russischem Gebiet inzwischen zu illegalen Aussaaten von GV-Pflanzen gekommen wäre, wurden von staatlicher Seite dementiert. Für die Zukunft kündigte Ministerpräsident Dimitri Medwedew ein umfangreiches Monitoring-Programm an.
Auffällig an der Diskussion ist, dass sich mit Medwedew und Putin die höchste Polit-Riege Russlands eindeutig und über Medien prominent platziert gegen gentechnisch veränderte Lebensmittel und den Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen in Stellung bringt. Wer diplomatische Gepflogenheiten kennt, könnte die Vorgangsweise auch als direkten Affront gegen die USA als wichtigsten Promotor von GMOs interpretieren.