Russlands Energie-Einfluss schwindet: EU nimmt Putins LNG-Geschäft ins Visier
Unabhängigkeit von Russland angestrebt. LNG-Importe sollen beendet werden. Doch interne Papiere zeigen: Einig ist sich Brüssel nicht.
Brüssel macht Ernst: Auf verschiedenen Ebenen strebt die EU-Kommission die vollständige Entkopplung von fossilen Energieimporten aus Russland an. Das geht aus Planungsdokumenten hervor, die Telepolis vorliegen.
Unterstützung erfährt die Kommission unter Ursula von der Leyen aus Warschau: Auch die amtierende polnische Ratspräsidentschaft unterstützt die Abkopplung von russischen Energieimporten. Zudem müsse der Bezug von Energietechnologien sowie von kritischen Materialien sichergestellt werden, heißt es aus Warschau.
Die US-Nachrichtenagentur Bloomberg berichtete am Mittwoch, die EU wolle im nächsten Schritt den Import von russischem Flüssiggas (LNG) schrittweise beenden. Bloomberg beruft sich auf EU-Insider, nach denen die EU ein graduelles Verbot von LNG-Lieferungen aus Russland als Teil eines neuen Sanktionspakets erwägt. Der europäische Gasmarkt reagierte nervös.
Gegen das russische LNG-Geschäft könnte die EU entweder in Form von Strafmaßnahmen oder als Teil alternativer Maßnahmen vorgehen, die die EU-Kommission voraussichtlich im nächsten Monat vorlegen wird.
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Während die Gaslieferungen über Pipelines aus Russland in den vergangenen Jahren stark zurückgegangen sind, hat der Verkauf von russischem LNG nach Europa im Jahr 2024 einen Rekordwert erreicht. Die Förderung des LNG-Geschäftes sei, so Bloomberg, ein persönliches Anliegen des russischen Präsidenten Wladimir Putin, der trotz zunehmender Beschränkungen den weiteren Export prognostiziert habe.
Verbrauchern drohen höhere Preise
Für Verbraucher in Deutschland und der EU könnte ein Ausstieg aus russischem LNG letztlich zu höheren Gaspreisen führen, da die Versorgungssicherheit beeinträchtigt werden könnte. In der EU stammen rund 18 Prozent der LNG-Importe aus Russland. Frankreich, Spanien und Belgien sind die größten Abnehmer.
Eine reduzierte Verfügbarkeit von LNG könnte insbesondere in Kälteperioden wie dem aktuellen Winter zu Engpässen und Preissteigerungen führen.
EU-Energierat debattiert über Energieimporte aus Russland
Dass die Abkopplung von russischen Energieimporten kein einheitliches Ziel aller EU-Mitgliedsstaaten ist, hatte sich zuletzt Mitte Dezember gezeigt. Beim Energierat der Europäischen Union war es zu hitzigen Debatten über die Zukunft der Energieimporte aus Russland gekommen. Das geht aus Protokollen hervor, die Telepolis einsehen konnte.
Die EU-Kommission betonte bei dem Treffen am 16. Dezember die Notwendigkeit, sich vollständig von fossilen Energieimporten aus Russland unabhängig zu machen. Man arbeite an einer Strategie, wie dies vornehmlich beim Gas erreicht werden könne. Auch Öl und Kernbrennstoff wolle man einbeziehen.
Der Energierat der EU, offiziell bekannt als der Rat für Verkehr, Telekommunikation und Energie, ist eines der zentralen Gremien der EU-Energiepolitik. Der Rat setzt sich aus den für Energie zuständigen Ministern oder ihren Vertretern aus den EU-Mitgliedstaaten zusammen.
Mehrere EU-Länder, darunter Deutschland, Frankreich und die Niederlande, unterstützten bei dem Dezember-Treffen das Ziel eines schnellen Ausstiegs aus russischen Energieimporten. Um die Versorgungssicherheit zu gewährleisten, müsse der Ausbau erneuerbarer Energien und der Infrastruktur beschleunigt werden, hieß es von dieser Seite.
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Deutschland verwies auf die Bedeutung europäischer Energienetze für die Wettbewerbsfähigkeit. Ein anwesender Staatssekretär aus dem Bundeswirtschaftsministerium sprach sich im Namen der Bundesregierung für beschleunigte Genehmigungsverfahren, vorausschauende Planung und eine koordinierte, ehrgeizige Errichtung grenzüberschreitender Infrastrukturen aus.
Andere Länder wie Ungarn und Polen mahnten dagegen an, die Versorgungssicherheit und bezahlbare Preise im Blick zu behalten. Sie warnten vor einseitiger Belastung der Verbraucher. Auch die Rolle der Kernenergie wurde unterschiedlich bewertet.
Sorge um Versorgungssicherheit im Winter
Viel Raum nahm die Debatte um die Versorgungssicherheit in der EU in diesem Winter ein. Österreich, Tschechien und die Slowakei zeigten sich besorgt über die Auswirkungen der in Deutschland erhobenen Gasspeicherumlage. Diese belaste die Haushalte unverhältnismäßig. Österreich forderte mit Nachdruck die Abschaffung der Umlage. Über diesen Konflikt hatte Telepolis unter Bezug auf EU-Quellen bereits Anfang Januar berichtet.
Deutschland versicherte, die Bedenken ernst zu nehmen. Der Vertreter des Bundeswirtschaftsministeriums zeigte sich zuversichtlich, dass die Umlage nach der verlorenen Vertrauensabstimmung der Regierung auch mit Zustimmung der Opposition abgeschafft werde.
Dennoch wurde die Gasspeicherzulage am 1. Januar dieses Jahres von 2,50 Euro pro auf 2,99 Euro pro Megawattstunde erhöht, so die Trading Hub Europe GmbH, die für das Management des deutschen Gasmarktes verantwortlich ist und ein gut 40.000 Kilometer langes Leitungsnetz betreibt.
Trotz gut gefüllter Gasspeicher und Fortschritten beim Ausbau Erneuerbarer dürfe man sich nicht zurücklehnen, mahnten mehrere Staaten beim Energierat im Dezember. Besonders besorgniserregend sei die Lage in der Ukraine und in der Republik Moldau. Hier seien Angriffe auf die Infrastruktur von bisher nicht dagewesener Intensität zu beklagen. Die EU-Kommission sicherte Unterstützung beim Ausbau einer krisenfesten Energieversorgung zu.
Transshipments von russischem LNG über EU-Häfen
Bislang hat die EU den LNG-Export Russlands kaum bremsen, geschweige denn stoppen können. Das bestätigt auch eine interne Einschätzung von Mitte vergangenen Jahres zum Transport von russischem LNG über Häfen der EU in Drittstaaten.
Demnach wurde 2023 ein Großteil des per Schiff-zu-Schiff-Transfer in der EU verladenen LNG – 2,4 von 2,7 Milliarden Kubikmeter – nach dem Umladen in Nicht-EU-Staaten transportiert. Ziel dieser LNG-Exporte seien vorwiegend Häfen in Asien. Fast 90 Prozent dieses Gases stamme aus Russland, hieß es in der Analyse für die Energie-Arbeitsgruppe des Europäischen Rates.
Nimmt man Transfers von Schiffen über Speicher in andere Schiffe hinzu, summiere sich die 2023 aus der EU in Drittstaaten verbrachte Menge auf vier bis sechs Milliarden Kubikmeter russisches LNG. Das meiste davon sei in Belgien, Frankreich und Spanien umgeladen worden. Insgesamt gingen rund 70 Prozent des in der EU von Schiff zu Schiff verladenen LNG in Länder außerhalb der Union.
Durch ein Verbot solcher "Transshipments" würde Russland laut Kommission Verzögerungen und höhere Transportkosten entstehen, da eine längere Route mit speziellen Eisbrechern nötig wäre. Die weltweite LNG-Versorgung würde aber durch den Wegfall dieser Lieferungen nicht wesentlich beeinträchtigt, da sie weniger als ein Prozent des Marktes ausmachen.
Für die Endverbraucher in der EU erwartet die Kommission durch die geplanten Sanktionen keine nennenswerten Auswirkungen auf Preise und Versorgungssicherheit.