SETIs stellare Strategie

Künstlerportrait eines Doppelsternsystems. Bild: NASA

Wie mit der Supernovae- und Doppel-Imperium-Variante Aliens aufgespürt werden könnten

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Wenn Sterne sterben oder eine beidseitige Beziehung eingehen, kann dies das Zustandekommen einer interstellaren Kommunikation zwischen Zivilisationen im All begünstigen. Hiervon gehen zumindest einige optimistische SETI-Enthusiasten aus. Voraussetzung hierfür wäre allerdings, dass außerirdische Kulturen astronomisch interessiert, technisch versiert sind und von ähnlichen Prämissen ausgehen wie wir. Überdies sollten sie darum bemüht sein, die galaktische Verbindung zu synchronisieren. Supernovae könnten hierbei helfen. Aber auch einem bestimmten Typ von Doppelsternsystemen sollte SETI verstärkt sein Augenmerk widmen.

Die Supernova SN 2006gy ist die hellste und energiereichste, die bislang registriert werden konnte. Bild: NASA/CXC/M.Weiss; X-ray: NASA/CXC/UC Berkeley/N.Smith et al.; IR: Lick/UC Berkeley/J.Bloom & C.Hansen

170.000 Lichtjahre von der Erde entfernt spielt sich in der Großen Magellanschen Wolke (GMW) ein kosmisches Drama eklatanten Ausmaßes ab. Lautlos, aber licht- und farbenreich verabschiedet sich ein heißer blauer Überriesenstern von der kosmischen Weltenbühne. Den für die Kernfusion notwendigen Wasserstoffvorrat restlos verbrannt, beendet der massereiche Stern in einer gewaltigen Explosion sein nur 20 Millionen Jahren währendes astrales Intermezzo. Was von der fremden Welt übrig bleibt, die einst die 17-fache Sonnenmasse hatte, konzentriert sich größtenteils als feste Masse in ihrem Zentrum, als Weißer Zwerg. Der Rest verflüchtigt sich als Gas ins Weltall und formt sich zu einer Supernova-Schale.

SN1987A im SETI-Visier

Nach einer 170.000 Lichtjahre langen trostlosen Odyssee durchs All trifft zu guter Letzt das Licht der stellaren Katastrophe im Februar 1987 auf den dritten Planeten eines an einem Spiralarm einer durchschnittlichen Galaxie gelegenen durchschnittlichen Sonnensystems, den seine Bewohner Erde nennen. Zur Freude der dort lebenden professionellen und hobbymäßigen Astronomen erleuchtet die Supernova den hiesigen Nachthimmel, überstrahlt alle anderen Sterne und avanciert eine Zeitlang zur unumstrittenen Attraktion des Südhimmels.

SN1987A, so die Katalognummer der bislang beobachteten erdnächsten Supernova, die in der Astro-Szene inzwischen Kultstatus hat, verzückte seinerzeit rund um den Globus viele Sternfreunde. Sogar die Elementarteilchenexperten kamen auf ihre Kosten. Insgesamt 24 Neutrinos trafen als Botschafter von SN1987A bei uns ein; allein 11 davon registrierte der Kamiokande-Detektor (Kamioka Nucleon Decay Experiment) in Japan. Bis auf den heutigen Tag sind just diese 24 Partikel die einzigen lokalisierten Neutrinos, die nachweislich von einer Supernova stammen.

Dass Supernovae wie SN1987A ihre kosmische Premiere grundsätzlich auf theatralische Art und Weise zelebrieren, könnte SETI zum Vorteil gereichen. Denn die Kunde von ihrer bühnengerecht inszenierten Geburt dringt nicht nur bis in die letzten Winkel der Milchstraße vor, sondern erreicht auch ferne Nachbargalaxien. Katastrophen dieses Ausmaßes spielen sich nicht im Verborgenen ab. Sie vollenden oft auf eine Weise, wie sie dramatischer nicht sein kann. Eine, die auch auf Zivilisationen fernab der Erde ihren Eindruck nicht verfehlen dürfte, da ihr auffallend heller Lichtblitz von allen astronomisch interessierten Kulturen in der Galaxis wahrgenommen wird.

SN 1987A: Aufnahme des NASA-Röntgenteleskops Chandra vom Januar 2000. Bild: NASA/CXC/SAO/PSU/D.Burrows et al.

Supernova als Leuchtturm

Von diesen Gedanken waren auch Tong B. Tang vom Cavendish-Laboratorium der Universität Cambridge (England) und P.V. Makovetskij vom damaligen Leningrader Institut für Luft- und Raumfahrt-Instrumente (Russland) beseelt, als sie in den 1970er Jahren unabhängig voneinander (Tang 1976/Makovetskij 1977) eine pfiffige und zugleich mutige Idee ausarbeiteten, die vielleicht eines Tages SETI-Forscher als ergänzende Suchstrategie etablieren. Sie schlugen vor, die Suche nach einer extraterrestrischen Flaschenpost mit einem kosmischen Ereignis zu verknüpfen. Schließlich würden auch intelligente und kontaktwillige Außerirdische nicht wahl- und ziellos ins All funken, sondern vielmehr nach Mitteln und Wegen suchen, Ort und Zeit zwischen dem Sender und Empfänger zu synchronisieren. "Es gibt so etwas wie eine gemeinsame Uhr, nach der alle galaktischen Zivilisationen sich richten könnten, um ihre Kommunikation zu synchronisieren", verdeutlicht Guillermo A. Lemarchand vom META-II-SETI-Projekt des Instituts für Radioastronomie in der Nähe von Buenos Aires (Argentinien).

Was auf den ersten Moment gelinde gesagt futuristisch und abgehoben anmutet, folgt freilich einer gewissen Strategie und Logik. Denn bei einer Metamorphose eines sterbenden Sterns zu einer Supernova emittiert die dabei frei werdende Energie im weißen Licht des Spektrums so intensiv wie Hundert Milliarden Sonnen gleichzeitig. Für einige Tage mutiert die Supernova selbst zu einem kosmischen Leuchtfeuer, das laut Tang und Makovetskii durchaus als interstellares Signalfeuer verstanden und genutzt werden könnte. Wie ein maritimer Leuchtturm würde die junge Supernova jedem potenziellen Beobachter den Weg zum Ziel weisen. Ein auffallend heller Lichtblitz, der wohl kaum zu übersehen wäre.

Sollten nun außerirdische Kulturen für das Universum eine annähernd so große Sensibilität mitbringen wie wir, müssten auch die Astronomen fortgeschrittener Zivilisationen innerhalb der Galaxis die Supernova von 1987 entweder längs bemerkt und ihre Teleskope für weiterreichende Untersuchungen auf die Quelle gerichtet haben oder in ferner Zukunft noch registrieren respektive observieren. Unter ihnen sollten genügend 'kontaktfreudige' Bio- und Radioastronomen sein, die die Gunst der Gelegenheit nutzend ihre Radioteleskope unmittelbar nach dem Aufflackern der Supernova eine Zeitlang gezielt in die diametral entgegengesetzte Richtung drehen und eine Funkbotschaft senden. Weg von der Supernova - hin zu den Sternsystemen dahinter.

Seth Shostak. Bild: SETI/Seth Shostak

"Wie ein Hund, der einen Hasen hinterher jagt, würde ihr Signal dem Licht der Supernova durch den Raum folgen", erläutert Seth Shostak vom SETI-Institut in Pasadena (Kalifornien).

Einige Jahre oder Jahrzehnte später würden dann die 'flussabwärts' angesiedelten Astronomen vom Licht der Supernova geblendet und kurz darauf von einem künstlichen Signal in Form eines Kosmogramms überrascht werden. "Gibt es dort [...] eine weitere Zivilisation, so werden ihre Astronomen zunächst auf die Supernova aufmerksam und registrieren kurz danach und knapp daneben das aufällige Signal", erklärt Guillermo A. Lemarchand. "So könnten die Supernova-Forscher der zweiten Zivilisation zu Entdeckern der ersteren werden."

Während der Absender das Supernova-Ereignis somit auf optimale Weise instrumentalisiert hätte, würde das künstlich erzeugte Signal von dem unbekannten Empfänger, der die Supernova ebenfalls studiert, kaum übersehen und 'überhört' werden können. Dies umso weniger, da sich innergalaktische Supernovae im Schnitt alle 100 Jahre einmal ereignen, sich also infolge ihres seltenen Auftretens als spektakuläre Leuchttürme und Zeitmarken bestens eignen.

Lemarchands Auffassung nach lässt sich die Supernova-Strategie aber noch weiter optimieren. Dazu bräuchte die sendende Zivilisation nur den Aktionsradius zu erweitern. "Sobald nach dem Supernova-Ausbruch eine gewisse Zeit verstrichen ist, wird nicht mehr nur diametral entgegengesetzt gesendet, sondern auch in etwas abweichende Richtungen." Damit der fremde Adressat vorweg das Licht der Supernova und erst danach die künstliche Botschaft empfängt, wäre ein möglichst kleiner Winkel zu wählen. Denn nur solcherlei Sterne, die innerhalb des Sende-Hyperboloids liegen, einem hyperbolisch gekrümmten Flächenbereich, garantieren, dass der Empfänger zuerst die Supernova und danach das Kosmogramm wahrnimmt. Der Empfänger hingegen könnte gleichsam seine Erfolgschancen erhöhen, wenn er nur die Sterne innerhalb dieses Bereiches belauscht. "Für uns liegen dann die anzupeilenden Sterne innerhalb eines lang gestreckten Ellipsoids mit Erde und Supernova in den Brennpunkten", so Lemarchand.

Ob bei einer nächsten Supernova die irdischen SETI-Forscher ihre Schüsseln wirklich Richtung der Strahlenquelle drehen oder sogar in die entgegengesetzte Richtung senden, darf angezweifelt werden. Noch ist nämlich die Supernova-Option für SETI bestenfalls ein unausgegorenes Gedankenexperiment, allenfalls eine diskussionswürdige Idee unter vielen, die gleichwohl nicht bei allen Forschern Anklang findet. Denn selbst bei einer Supernova, die in nur 10.000 Lichtjahre Entfernung aufblitzte, betrüge die Licht- und Radiowellenlaufzeit immer noch 10.000 Jahren. Keine gute Basis für den Abbau bilateral-interstellarer Beziehungen. Immerhin spricht für diese Variante, dass im Gegensatz zu den klassischen Suchmethoden die Radioastronomen erstmals genau sicher sein könnten, wohin und wann genau sie ihre Teleskope ausrichten müssten.

Doppelt strahlt besser

Ein ähnlicher Effekt würde sich auch Seth Shostaks Ansicht nach mit einer anderen Methode erzielen lassen. Sein erstes Mittel der Wahl sind Doppelsternsysteme.

Binäre Sternsysteme sind im Universum alles andere als eine Rarität. Sie stellen ungefähr die Hälfte aller Sterne unserer Galaxis und umrunden sich periodisch, gleichwohl nicht immer kreisförmig um ihren gemeinsamen Schwerpunkt. Obwohl ihre Bahngeschwindigkeit und ihr Abstand zueinander manchmal variieren, folgen beide stabilen Umlaufbahnen. Es ist in der Regel eine solide Ehe auf Zeit, bei der das gemeinsame Band infolge der gegenseitigen Gravitationskraft unzerstörbar scheint. Nur ihre Kinder, sprich die Planeten, die sich um sie scharen, haben kein leichtes Spiel, stehen sie doch selbst im willkürlichen Bann der Gravitationskräfte ihrer stellaren Eltern. Anstatt ihren Kindern Halt zu geben, destabilisieren solche Doppelsterne manchmal die Umlaufbahnen ihres Anhangs und verstoßen bisweilen sogar einige von ihnen aus dem stellaren Schoß der Familie.

Bild: University of Arizona

Da unter solchen Bedingungen biologisches Leben naturgemäß selbst einen extrem schweren Stand hat, stehen Doppelsterne bei SETI logischerweise nicht allzu hoch im Kurs - bislang jedenfalls. Dabei gibt es eine viel versprechende Konstellation, die Binärsysteme für Astrobiologen wieder interessanter machen könnte. Befinden sich nämlich die beiden Sterne im System weit voneinander entfernt - mindestens einige Milliarden Kilometer - könnten dortige Planeten ihre Heimatsterne fast unbehindert umkreisen. Angenommen, auf einen von ihnen hätte sich eine hoch entwickelte Kultur herangebildet, wäre doch der Gedanke nahe liegend, dass Aliens in Doppelsternsystemen die zweite Sonne sehr genau erkunden und eventuell von ihr Energie anzapfen. Vielleicht driften in dieser Region sogar bewohnbare Planeten, auf denen sie Kolonien errichtet haben. Auf jeden Fall könnten sie geneigt sein, in der unmittelbaren Nähe der Zweitsonne Energie-Satelliten oder Solarobservatorien zu stationieren und zwischen beiden Sternen eine dichtes Radioverbindungs- und Informationsnetzwerk zu errichten.

"Radioverbindungen zwischen den beiden Stellarbereichen dieses Doppel-Imperiums wären natürlich von großem Nutzen; Informationen könnten in nur wenigen Stunden von einem Stern zum nächsten geschickt werden, die Kommunikation zwischen den verstreut auf Asteroiden oder in künstlichen Weltraumhabitaten lebenden Alien-Gesellschaften könnte aufrechterhalten werden", erklärt Shostak. Und da Doppel-Imperien, deren Sterne weit voneinander entfernt sind, eine ganze Menge an Funkverkehr erzeugen, wären sie für SETI erst recht interessant.

M81 - die 11,6 Millionen Lichtjahre entfernte Spiralgalaxie zählt mit den hellsten ihrer Art am Firmament. Natürlich wimmelt es in dieser Galaxie von intelligenten Lebensformen, weil es einfach so sein muss. Bild: CFA Harvard

Auf einer Ebene mit den Aliens

Noch mehr Aussichten auf Erfolg verspricht Shostaks Auffassung nach die Observation bedeckungsveränderlicher Sterne. Unter dieser stellaren Binärklasse fallen Doppelsternsysteme, bei denen beide Sterne um den gemeinsamen Schwerpunkt kreisen, bei denen aber zugleich die Bahnen im Raum so verlaufen, dass die beiden Sterne von der Erde aus gesehen mit ihrer Ebene zu uns stehen, sich also periodisch teilweise verdecken. Schiebt sich dabei ein Stern vor den anderen, kommt es zu einer 'Sonnenfinsternis', die in der Regel einige Stunden anhält. Steht die Blickrichtung eines irdischen Beobachters auf einer Achse mit den beiden Sternen, nimmt dieser einen Abfall der Leuchtkraft der weiter entfernten Sonne wahr.

Shostak glaubt, dass ein beflissener Astronom bei bedeckungsveränderlichen Dualsternen im Optimalfall sogar noch mehr zu sehen bekäme. Handelte es sich etwa bei dem observierten Binärsystem um ein bewohntes Doppelstern-Imperium, blickte dieser in diesem Moment genau in dessen Kommunikationspipeline. "Statt darauf zu hoffen, dass die außerirdische Sendeanlage zu uns gerichtet ist, kann man seine Erfolgsaussichten erhöhen, indem man, wie in diesem Fall, den Aliens direkt in den Rachen blickt." Wie bei der Supernova-Strategie böten bedeckungsveränderliche Doppelsterne während einer Finsternis den Vorteil, dass Astronomen wüssten, wann sie mit Signalen zu rechnen hätten. Von Nachteil sei, wie Shostak betont, dass sich die meisten bekannten bedeckungsveränderlichen Doppelsterne in zu geringem Abstand umkreisen. Bei vielen von ihnen komme es einmal in zehn Jahren zu einer 'Finsternis', daher seien sie noch schwer auszumachen.

Kaum ein Planetenjäger zweifelt daran, dass bewohnte Exoplaneten, die unserer Heimatwelt ähneln, im All en masse vorhanden sind. Bild: NASA

Gewiss, Tangs und Makovetskiis Supernova-These scheint am attraktivsten und ist auch in logischer Hinsicht nicht ganz von der Hand zu weisen, zumal eine aktiv sendende außerirdische Zivilisation fraglos alle Register der Kunst ziehen würde, damit deren Botschaften nicht ungehört, ungelesen oder ungesehen im Rauschen des maritim-kosmischen Meer untergeht. Wer als Gestrandeter eine Flaschenpost verschickt, hofft bekanntlich auf einen Empfänger seiner Nachricht. Und was bietet sich da mehr an, als eine kosmische Flaschenpost an eine blutjunge Supernova zu koppeln, die Astronomen auf anderen Planeten berufsbedingt beobachten müssen. Mit einem intelligenten künstlichen Muster versehen, würde das Treibgut im Wellenmeer des elektromagnetischen Ozeans garantiert nicht verloren gehen.

Es wäre in der Tat eine effektive Variante der Synchronisation, weil nichts im All spektakulärer dahin scheidet als ein Stern. So gesehen könnte jeder stellare Exitus über Lichtjahre hinweg Kulturen zusammenführen, wenigstens auf elektromagnetischer Basis. Hierzu müssten sich aber alle ein ungeschriebenes irdisches SETI-Gesetz auf ihre Fahnen schreiben: Chancen auf Erfolg hat nämlich nur derjenige, der zweigleisig fährt, der ergo bei der nächsten Supernova sowohl ins All horcht als auch die Antennen zum Senden nutzt! Denn wenn alle - ob wir oder unsere Brüder da draußen - ausschließlich die Rolle des 'Zuhörers' mimen, sollte sich keiner darüber wundern, dass im Universum natürliche Töne den Ton angeben.