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SPD und CSU zur Zuwanderung: Kompetenz und Herkunft

Bilderbuch-Bayern: St. Marinus und Anian, Wilparting (Irschenberg). Foto: Martin Falbisoner/CC BY-SA 4.0

Die SPD legt einen Entwurf für ein Einwanderungsgesetz vor. Die CSU propagiert ein Grundsatzprogramm, bei dem Identität, kulturelle Nähe und Grenzen wichtig sind

Aktuell veröffentlichen die Regierungsparteien SPD und CSU zwei Papiere, die sich auf ganz unterschiedliche Weise mit dem „Polarisierungsthema“ Zuwanderung beschäftigen. Die CSU präsentierte auf ihrem Parteitag am Wochenende ihr Grundsatzprogramm [1], die SPD-Bundestagsfraktion stellte am heutigen Montag einen Vorschlag für ein neues Einwanderungsgesetz [2] vor.

Bei allen Unterschieden zwischen einem Gesetzesentwurf und einem Parteiprogramm - beide Papiere vermitteln ein Bild davon, mit welcher Ausrichtung zum Thema Zuwanderung die Sozialdemokraten und die Christsozialen in den Wahlkampf gehen wollen. Einen augenfälligen Unterschied der beiden Ansätze könnte man anhand einer knappen Formel aufreißen: Die SPD fragt bei ihrem Einwanderungsgesetz vornehmlich danach, was der Zuwanderer, bzw. die Zuwanderin kann, der CSU ist es in ihrem Grundsatzprogramm vor allem wichtig, aus welchem „Kulturkreis“ sie oder er kommt.

CSU: Die neue Ordnung

Worauf es der CSU ankommt, hatte ihr Generalsekretär Andreas Scheuer im Oktober erklärt, er forderte ein "Einwanderungs-Begrenzungsgesetz" [3], passend zum CSU-Mantra von der Obergrenze. Auch das Grundsatzprogramm ist schon in seinem Titel dem „Kontrollverlust“ entgegengerichtet, der auch in bürgerlichen Kreisen mit Merkel und ihrer „Politik der offenen Grenzen“ assoziiert wurde. Der Titel heißt „Die Ordnung“ [4].

Es ist typischerweise ein Postkartenmotiv mit herrlicher Voralpenlandschaft, Wildbach, grünen Wiesen, Dorf mit Kirchturm und einer Familie etwas üppiger von drei statt den zwei kleinen Kindern begleitet: ein Idyll ohne Smartphone oder Tablett oder andere elektronische Geräte, in dem der Hubschrauber im Himmel auffällt. Im Himmelblau neben ihm kann sich der Leser informieren über „Die neue Ordnung/Was wir wollen. Staats-und Rechtsordnung stark und verlässlich“. Die Figur des gütigen, aber strengen Landesvaters kommt einem in den Sinn.

Die CSU baut auf christliche und patriotische Traditionen, auch die bayerischen Stämme werden ausdrücklich erwähnt. Von oben soll Sicherheit gewährt werden, lautet die Botschaft, die das Grundsatzprogramm als Leitmotiv durchzieht. Die Partei grenzt sich ab von der AfD, die nicht namentlich erwähnt wird, aber die immer wieder gesetzte Distanzierung von Hass und Ressentiments ist als Anspielung deutlich genug. Dem setzt man geerdete Offenheit gegenüber: Die CSU ist die konservative Zukunftspartei, „die auf dem Boden unveränderter Leitwerte offen für Neues ist“.

“Multi-Kulti wird abgelehnt“

Für die Integration lauten die Stichpunkte „Steuerung und Begrenzung“. Zu diesem Punkt gibt es dann die konkretere Ansage: „Unser Land muss für die Einwanderung qualifizierter und gefragter Fachkräfte zugänglich sein“ - mit folgender Einschränkung:

Neben der beruflichen Qualifikation und dem Bedarf unserer Wirtschaft soll künftig die Nähe des Kulturkreises stärker bei der Auswahl der Einwanderer beachtet werden. Wir wollen keine Einwanderung, die uns überfordert oder unsere Sozialsysteme belastet.

CSU-Grundsatzprogramm

„Keine Gemeinschaft kann Menschen anderer kultureller Prägung in beliebiger Zahl integrieren“, heißt es in dem Abschnitt des Grundsatzprogramms, der mit „Zusammenhalt durch Integration: Mit Richtung, ohne Überforderung!“ überschrieben ist. Dort hat auch die Forderung nach Obergrenzen ihr Zuhause. Erklärt wird, dass Zuwanderer nach „unseren Regeln“ zu leben haben, dass die Zuwanderer sich an „unserer Leitkultur“ zu orientieren haben, dass Multi-Kulti abgelehnt wird:

Ein multikulturelles Neben- und Gegeneinander führt zu Intoleranz, Ghettobildung und Gewalt.

CSU-Grundsatzprogramm

Das ist eindeutig Richtung Muslime gezielt. Multi-Kulti ist in Bayern lebenspraktisch schon längst „Beim Italiener“ oder „Beim Griechen“ zu sehen. Da werden italienische Schlager mitgesummt, Sirtaki getanzt und Teller zerschmettert, bei bester Laune, ohne Identitätsbedrohungen. Es geht dem Grundsatzpapier darum, dem anderen Kulturkreis, den Zuwanderern aus muslimischen Ländern, eine Grenze aufzuzeigen. Dem Handschlag zur Begrüßung kommt große Bedeutung bei.

Mit dem SPD-Gesetzesentwurf gibt es Gemeinsamkeiten. Auch die CSU, der wirtschaftliche Interessen immer wichtig waren, betont in ihrem Grundsatzprogramm die Notwendigkeit, dass Fachkräfte von außen ins Land kommen. Dabei werden die Grenzen zwischen zwei Phänomen nicht immer deutlich gezogen: Zuwanderung und Asylsuchende. Teilweise wird gesondert auf Schutzsuchende eingegangen, mit der Betonung, dass das Asylrecht wichtig ist und befolgt werden soll. Dann wird aber wieder über Zuwanderung gesprochen, die Flüchtlinge mit einschließt.

SPD: Begrenzte und gesteuerte Einwanderung mit Punktesystem

Die Vermischung zwischen Zuwanderung und Asylsuchenden taucht auch beim SPD-Entwurf für ein Einwanderungsgesetz auf. Zwar wird zu anfangs säuberlich getrennt und Regeln für eine wirtschaftlich notwendige, geordnete und begrenzte Einwanderung aufgestellt. Am Ende, wenn es um die bereits angekommenen Zuwanderer („die Flüchtlingskrise“) geht, werden aber beide Phänomene, die Asylsuchenden und diejenigen, die sich mit der Flucht wirtschaftliche Verbessrung versprechen, zusammengebracht. Das Problem der Integration der bereits Angekommenen bleibt schwierig.

Für die nahe Zukunft heißt das, dass es keine eindeutige Haltung gibt, was mit Flüchtlingen/Migranten passieren soll, die zum Beispiel übers Mittelmeer und Italien in die EU kommen.

Für die fernere(?) Zukunft schlägt die SPD-Fraktion eine Regelung für Fachkräfte vor, die aus wirtschaftlichen Interessen nach Deutschland kommen. Sie orientiert sich am kanadischen Modell. Es soll ein Punktesystem geben, das die Ausbildung bewertet, die Sprachkenntnisse und vor allem den Bedarf - ein Jobangebot eines in Deutschland ansässigen Unternehmens erhöht die Punktzahl.

Bundestag soll jährlich Bedarf des Zuzugs von Fachkräften ermitteln

Der Bedarf an Fachkräften von außen wird, so der SPD-Vorschlag, jedes Jahr neu ermittelt und im Bundestag abgestimmt. Die kulturelle Herkunft spielt in diesem Konzept keine Rolle, wichtig ist, was der Zuwanderer oder die Zuwandererin an bedarfsgerechten beruflichen Fähigkeiten mitbringt. Zunächst bekommt er oder sie ein Arbeitsvisum für drei Jahre, wenn danach nachgewiesen wird, dass der Zuwanderer seinen Lebensunterhalt selbst sichern kann, wird „entfristet“ [5]. Zur Frage der Sozialleistungen heißt es:

Ohne Jobangebot haben Bewerber nur dann eine Chance, wenn sie mit ihren sprachlichen und beruflichen Qualifikationen eine besonders hohe Punktzahl erreichen. Genau wie zukünftig für EU-Bürger geplant, haben sie jedoch grundsätzlich in den ersten fünf Jahren keinen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II.

SPD-Entwurf eines Einwanderungsgesetzes

Ein Einwanderungsgesetz sei notwendig, argumentiert die SPD, aus demografischen Gründen und weil es sein kann, dass sich die Wirtschaftslage der Hauptherkunftsländer der bisher zugewanderten Fachkräfte - Polen, Rumänien, Italien, Bulgarien, Ungarn sowie Spanien – in den nächsten Jahren „erholen könnte“.

Dann müsse man damit rechnen, dass EU-Unionsbürger in ihre Heimatländer zurückkehren und der Zuzug aus diesen Ländern deutlich abnehmen werde – weswegen Deutschland auf den Zuzug von Fachkräften aus Nicht-EU-Staaten vorbereiten müsse.

Dabei sollen gewerkschaftliche Standpunkte miteinbezogen werden und natürlich Tarif-und Mindestlöhne, um soziale Standards zu bewahren. Sowieso hätte die Ausbildung und Förderung der in Deutschland Lebenden Vorrang. Priorität habe mehr Frauen, mehr schlecht Ausgebildete und Arbeitslose auf den Arbeitsmarkt zu bringen, wird im Gesetzesentwurf betont.

Das Vertrauen in die SPD und die Angst vor der Konkurrenz

Die Krux bei diesem konzeptuell nüchtern - mit Verzicht auf Identitätspolitik - ausgerichteten Entwurf ist, dass die SPD sehr viel Glaubwürdigkeit verloren hat, wenn es um Themen wie den Ausbau von Niedriglohnsektoren geht. Man traut ihr nicht richtig über den Weg, wenn ihre Vertreter beteuern, dass es auf keinen Fall um Lohndumping gehe.

Dazu kommt, dass sich bei einigen der Eindruck einstellen wird, der Konkurrenzdruck werde nun noch größer. Auch in den reicheren Orten im Süden Münchens bangen Eltern von Grundschulkindern schon vor einer Zukunft ihrer Kinder, die sich mit Indern und Chinesen um die Jobs streiten. Trotzdem ist es höchste Zeit für ein Einwanderungsgesetz.


URL dieses Artikels:
https://www.heise.de/-3458725

Links in diesem Artikel:
[1] http://csu-grundsatzprogramm.de/
[2] http://www.spdfraktion.de/system/files/documents/einwanderungsgesetz-spd-bundestagsfraktion.pdf
[3] http://www.moz.de/themen/bundestagswahl/artikeldetailansicht/dg/0/1/1522997/
[4] http://csu-grundsatzprogramm.de/
[5] http://www.spdfraktion.de/system/files/documents/positionspapier_zur_einwanderung.pdf