SPD verschiebt Wahlprogrammpräsentation
Die Sozialdemokraten, die in einer neuen Umfrage inzwischen wieder zwölf Punkte hinter den Christdemokraten liegen, wollen Änderungsanträge diskutieren
In den letzten beiden Monaten hat die SPD (die Anfang April noch bei 33 Prozent und mit der Union gleichauf lag) in Umfragen Punkt für Punkt eingebüßt. Bei Emnid liegt sie jetzt mit nur mehr 26 Prozent wieder zwölf Prozentpunkte hinter CDU und CSU, die sich um einen Punkt auf 38 Prozent verbesserten. Und während Anfang Februar eine relative Mehrheit von 46 Prozent der Befragten angab, sie würden in einer Direktwahl für den SPD-Kanzlerkandidaten stimmen, liegt Martin Schulz inzwischen mit 29 Prozent wieder deutlich hinter der Unionskandidatin Angela Merkel, für die sich aktuell 53 Prozent entscheiden würden.
Kurz nach der Veröffentlichung dieser Umfrage in der Bild am Sonntag sagte die SPD die eigentlich für heute angekündigte Vorstellung der zentralen Punkte ihres Wahlprogramms ab. Ein Nachholtermin steht bislang noch nicht fest. Begründet wurde die Absage mit Änderungsanträgen, über die die von Bundestagsfraktionschef Thomas Oppermann, Familienministerin Manuela Schwesig und Generalsekretärin Katarina Barley geleitete Programmkommission noch beraten müsse. Dazu hat sie theoretisch bis zum 25. Juni Zeit: Dann soll ein Parteitag in Dortmund den Entwurf absegnen.
Innere Sicherheit und Gerechtigkeit
Was die Änderungsanträge konkret fordern, ist bislang nicht bekannt. Medien spekulieren vor allem darüber, dass mehr auf die innere Sicherheit eingegangen werden könnte. Im nordrhein-westfälischen Landtagswahlkampf hatte die SPD dieses Thema mit anderen Themen wie "Gerechtigkeit" aus dem Aufmerksamkeitsfokus zu verdrängen versucht - und krachend verloren.
Dazu trug womöglich auch ein Glaubwürdigkeitsproblem bei: Die von Martin Schulz kritisierten extrem hohen Managergehälter kassieren nämlich häufig auch ehemalige SPD-Politiker wie Christine Hohmann-Dennhardt, die für nur 13 Monate Arbeit mit zwölf bis 14 Millionen Euro abgefundene VW-Vorständin für "Integrität und Recht" (vgl. SPD: Wahlkampf im Glashaus). Am Wochenende wurde diese sozialdemokratische Glaubwürdigkeitsproblemgalerie mit einer weiteren Figur bestückt: Es kam nämlich heraus, das der für den Berliner BER-Skandalflughafen zuständige ehemalige SPD-Staatssekretär Engelbert Lütke Daldrup den Ex-Müntefering-Mitarbeiter und SPD-Wahlkampfverantwortlichen Lars Kühn für einen Tagessatz von sage und schreibe 2000 Euro als "externen Kommunikationsberater" beschäftigte.
"Must-be-Found"-Regel
Ein in Sozialen Medien sehr intensiv diskutierter Punkt des SPD-Wahlprogrammentwurfs vom 15. Mai ist die dort in den Zeilen 2170 bis 2172 geforderte "Must-be-Found"-Regel, die vorschreibt, dass "gesellschaftlich relevante Inhalte" in Internet-Angeboten gut sichtbar präsentiert werden müssen. Äußerungen von SPD-Politikern wie Lars Klingbeil legen nahe, dass diese Regelung dafür sorgen soll, dass die Angebote der öffentlich-rechtlichen Rundfunksender, die in einem gewissen Näheverhältnis zur Politik stehen, vor denen von Blogs und anderen privaten Anbietern aufgeführt werden. Sucht ein Nutzer dann beispielsweise etwas zur Ukraine, dann sieht er als erstes die Nachrichten der ARD-Tagesschau und der Heute-Nachrichten, während andere Angebote auf Plätzen verschwinden, auf denen sie kaum jemand mehr anklickt.
Solche verfassungsrechtlich problematischen Pläne gegen "Hate Speech" und "Fake News" könnten sich als wertvolle Wahlkampfhilfe für die FDP erweisen, deren Generalsekretärin Nicola Beer in Sozialen Medien mit Ihrer Forderung "Heiko Maas muss den [NetzDG-]Gesetzentwurf zurückziehen - Hate Speech bekämpfen ja, aber im Rahmen unseres Rechtsstaates" gerade viel Aufmerksamkeit erzeugt.
FDP, Grüne und Linke fordern TV-Debatte mit sechs statt zwei Spitzenkandidaten
Die Liberalen, die in Nordrhein-Westfalen ein Rekordergebnis einfuhren und sich in der neuen Emnid-Umfrage bundesweit um einen Punkt auf sieben Prozent verbesserten, sind inzwischen wieder so selbstbewusst, dass sie in einem offenen Brief von den Chefredakteuren von ARD, ZDF und RTL und vom Informationsdirektor von Pro Sieben Sat.1 fordern, das TV-Duell vor der Bundestagswahl am 3. September nicht nur mit den zwei Spitzenkandidaten der drei Koalitionspartner CDU, CDU und SPD zu besetzen, sondern "die amtierende Regierung auf den Prüfstand" zu stellen, indem sie auch die Spitzenkandidaten der vier anderen Parteien einladen, die reele Chancen haben, die Fünf-Prozent-Hürde zu überspringen und in den Bundestag zu kommen.
Dietmar Bartsch, der Spitzenkandidat der Linken, und Cem Özdemir, der Spitzenkandidat der Grünen, haben den offenen Brief mit unterzeichnet - was insofern überrascht, als darin gefordert wird, auch einen Spitzenkandidaten der bei Emnid acht Prozent starken AfD einzuladen, dem sie sich dann "in der Debatte stellen müssen". Die Linken und die Grünen verloren in der Emnid-Umfrage jeweils einen Prozentpunkt und liegen jetzt bei neun beziehungsweise sieben Prozent, obwohl sich Winfried Kretschmann einen Diesel kaufte und Boris Palmer auf Facebook versuchte, Kontrapunkte zu Renate Künast und Simone Peters zu setzen.
Auch anderswo sind sich FDP und Grüne gerade bemerkenswert einig: Der schleswig-holsteinische FDP-Chef Wolfgang Kubicki spricht nach ersten Verhandlungen von "vielen Gemeinsamkeiten" - vor allem "in der Innen- und Rechtspolitik" - und schätzt die Wahrscheinlichkeit für eine Jamaika-Koalition in Kiel auf "deutlich über 50 Prozent". Bei der Windenergie kann man sich seinen Angaben nach einigen, wenn man die Abstände zwischen Turbinen und Wohnhäusern vergrößert. Morgen wollen FDP, Grüne und CDU in Schleswig-Holstein entscheiden, ob aus den informellen Gesprächen formelle Koalitionsverhandlungen werden.
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