Schlankheitsmittelhersteller nutzt feministische Kampfansage
Protein World hat durch weltweite Aufmerksamkeit angeblich über eine Million Pfund mehr in die Kasse
Seit es Twitter und andere Soziale Medien gibt, verabreden sich Anhänger der Identitätspolitik und andere "Aktivisten", denen die eine oder andere Sache nicht passt, regelmäßig zu "Shitstorms" - einer Art virtueller Haberfeldtreiben, mit denen sie Unternehmen zur Änderung ihrer Werbung oder ihrer Produkte zwingen wollen. Der Schlankheitsmittelhersteller Protein World zeigt jetzt, dass sich solche Negativkampagnen geschäftlich positiv nutzen lassen.
Vor einer Woche war die Nahrungsersatzmarke, die es erst seit 18 Monaten gibt, der Welt weitgehend unbekannt. Dann wurden Aktivisten auf ein Plakat aufmerksam, das die Firma in London kleben ließ: Darauf warb ein durchtrainierter weiblicher Körper an einem Strand mit der Frage: "Are you beach body ready?"
Die Aktivisten sahen darin eine sexistische Herabwürdigung der dargestellten Frau als Objekt und eine Verführung, sich für den eigenen Körper zu schämen. Deshalb verbreiteten sie die Adresse der Firma, stellten auf Change.org eine Petition gegen die Plakate ein (die von mehreren Zehntausend Gleichgesinnten unterzeichnet wurde) und lancierten den Twitter-Hashtag #everybodysready, unter dem Anhänger mit und ohne "Bikinifigur" Selfies im Badeanzug posteten. Über diesen Hashtag berichteten viele Mainstreammedien wie Sky News oder Spiegel Online.
Protein World reagierte darauf mit dem eigenen Hashtag #growupharriet und genoss die Aufmerksamkeit, statt sich für den auf dem Plakat abgebildeten Körper zu schämen. Und diese Aufmerksamkeit trug anscheinend maßgeblich dazu bei, dass die Werbekampagne dem Fachblatt Marketing zufolge innerhalb von vier Tagen zehntausende neue Kunden anlockte, die angeblich Umsätze in Höhe von über einer Million Pfund generierten. Die Werbeclips der Firma sollen sogar von mehr als 100 Millionen Menschen aufgerufen worden sein. Bei Marketing glaubt man, dass dieser Erfolg auch auf die Standhaftigkeit zurückzuführen ist, der Negativkampagne nicht nachzugeben.
Der Erfolg ruft nicht nur in Erinnerung, dass Firmen klar zwischen ihrer eigenen Zielgruppe und Sonderinteressenvertretern unterscheiden müssen (auch wenn diese auf den Ersten Blick durch Medienpräsenz vermeintlich zahlreich scheinen). Es zeigt auch, dass es möglich sein könnte, leicht zu provozierende und gut konditionierte "Social Justice Warriors" absichtlich zu reizen, um günstig an Aufmerksamkeit und Kunden zu kommen.
In den Werbeagenturen und Marketingabteilungen verfolgt man die Entwicklung deshalb aufmerksam. Stellt sie sich der Effekt tatsächlich als verwertbar heraus, dann hätte man ein Marketinginstrument, dass ähnlich elegant funktioniert wie fernöstlicher Kampfsport, weil es die Energie des Gegners nutzt, um eigene Ziele zu erreichen.
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