Schneckenalarm: Was tun, wenn Schnecken massenhaft Gemüse vertilgen?
Gemüsegärten leiden unter massiven Schneckenbefall. In der Westpfalz zerstören Nacktschnecken sogar Gemüseernten. Wie kann man sie effektiv bekämpfen?
Über Fraßschäden im Salat und Chinakohl klagt Alexander Gerthner von der Solidarischen Landwirtschaft Oberalben im Kreis Kusel. Ähnliches berichtet eine Bäuerin in Münchweiler im Donnersbergkreis. So viele Schnecken gab es noch nie, sind sich die Gemüsebauern in der Region einig.
Besonders hart hat es Lisa und Christian Stebel von Melzhecker Gemüse getroffen. Der Betrieb sah sich genötigt, seinen Kunden für dieses Jahr das Abo zu kündigen. Normalerweise beliefert der Hof in Frankelbach (Kreis Kaiserslautern) jede Woche Kunden mit einer Abo-Gemüsebox. In diesem Jahr sei ihnen das Problem mit den Schnecken über den Kopf gewachsen, klagt Bauer Christian Stebel im Interview mit dem SWR.
Die Schäden durch Schneckenfrass seien finanziell nicht mehr tragbar. Nicht nur beim Salat, bei allen Kulturen gebe es Probleme. Sogar auf die Pflanztische mit den Kürbispflanzen seien die Schnecken hochgekrochen. Auch an Lauchzwiebeln seien sie gegangen.
Die letzten Wochen habe er und sein Team die Schnecken immer wieder abgesammelt: zweimal täglich beim Salat, einmal bei den anderen Kulturen. Anfang Mai saß auf jeder Salatpflanze im Schnitt eine Nacktschnecke. Als es dann noch stark regnete, waren alle Pflanzen komplett mit Schnecken bedeckt.
Bereits im vergangenen Jahr habe er unter großem Druck gestanden, berichtet der Gemüsebauer. In diesem Frühjahr spiele die feuchte Witterung den Schnecken zu. Allerdings kam er im Winter kaum zur Bodenbearbeitung, sodass wohl viele Schneckeneier im Boden geblieben waren. In diesem Jahr werde er die Zeit nutzen, um den Boden intensiv zu bearbeiten, um im nächsten Jahr Gemüse liefern zu können. Außerdem habe er in diesem Jahr viele Blindschleichen beobachtet, die dafür bekannt sind, dass sie gern Schnecken fressen.
Seit dem März wird auch in Internet-Gartenforen darüber geklagt, dass Schnecken alles fressen, "was gerade austreibt", darunter Allium, Narzissen, Schneeglöckchen, Lungenkraut.
Monsterschnecke frisst sich durch Gärten
Ein wahrer Salatvertilger ist die Spanische Wegschnecke (Arion vulgaris). Seit den 1960er-Jahren taucht sie vermehrt und in hohen Dichten immer weiter nördlich und östlich auf. Wo sie massenhaft vorkommt, verdrängt sie andere Nacktschneckenarten wie die Rote oder Schwarze Wegschnecke.
Das etwa sieben bis zwölf Zentimeter große Tier hat praktisch keine natürlichen Fressfeinde – bis auf indische Laufenten – die ganz versessen auf die Art sind. Die Tiere sondern so viel bitteren Schleim ab, dass Kröten, Maulwürfe, Igel und Vögel, die sonst gern Schnecken vertilgen, daran ersticken würden. Igel, Amseln, bestimmte Laufkäfer, Spitzmäuse, Kröten vertilgen nur Jungtiere dieser Art.
Sie vermehrt sich schneller, frisst mehr als andere Schneckenarten. Zudem ist sie auch gegen Trockenheit vergleichsweise unempfindlich. Sie kann länger in der prallen Sonne verweilen, ohne Schaden zu nehmen.
Bewährte Methoden zur Schneckenabwehr im Gemüsegarten
Hilflos gegen die Tiere sind die Gartenbauern aber nicht. Einige Tipps haben sich im heimischen Garten bewährt.
- Gemüsebeete sind am besten in offenen, sonnigen Bereichen im Garten anzulegen.
- Hohes Gras in der Nähe gefährdeter Beete mähen, Boden feinkrümelig und trocken halten. Der Boden um die Kulturpflanzen ist möglichst offenzuhalten, damit er abtrocknen kann.
- Gießen am besten nur morgens und nur den Wurzelbereich der Pflanzen, damit das Wasser bis zum Eintritt der Dunkelheit an der Oberfläche verdunsten kann.
- Schneckenzaun (erhältlich im Fachhandel) um besonders gefährdete Beete ziehen. Ein Schneckenzaun ist hauptsächlich bei Bodenbeeten effektiv. Der Kunststoffzaun wird einige Zentimeter eingegraben und nach außen hin umgeknickt, sodass die Schnecken nicht darüber kommen.
- Beete mit einem Ring aus Schafwolle, Sand, Kalk, Sägespäne, Rindenmulch oder Kaffeesatz umranden.
- Auf dem glatten Untergrund finden Nacktschnecken keinen Halt: Darum Blumentöpfe und Beetumrandungen mit einem speziellen ökologischen, durchsichtigen Schutzanstrich (bestehend aus natürlichen Ölen und Harzen) einstreichen. Alternativ selbstklebende Kupferfolie verwenden.
Schnecken lieben feuchte Verstecke
Auf Schneckenjagd geht man am besten direkt nach dem Regen oder in der feuchten Dämmerung. Wenn auf den Beeten Steine, Bretter oder Zweige ausgelegt werden, verkriechen sich die Schnecken tagsüber darunter, sodass man sie leichter absammeln kann.
Hohl liegende Bretter mit pflanzlichen Abfällen als Köder oder große Blätter (etwa Rhabarber) dienen nicht nur als Verstecke für die Schnecken, sondern sind auch potenzielle Eiablagestellen. Um sie auszutrocknen, sind die auf dem Boden liegenden Bretter regelmäßig in die Sonne zu drehen.
Abgesammelte Schnecken sind entweder schnell zu töten oder ganz weit wegzubringen. In einer Stunde legen Schnecken circa drei Meter zurück. Einmal über den Zaun geworfen, kommen sie binnen kurzer Zeit wieder zurück.
Auf keinen Fall dürfen die Schnecken in die Natur gekippt werden, warnt Michael Schrödl von der Zoologischen Staatssammlung München. Städtische Hundewiesen hingegen seien ein guter Ort, denn der Kot wird von den Nacktschnecken gefressen.
Sogenannte Bierfallen sind von zweifelhaftem Nutzen. Zwar locken sie Schnecken aus der gesamten Umgebung herbei, und ein kleiner Teil von ihnen ertrinkt auch, doch der Rest fällt über die Kulturpflanzen her. Salz tötet gar nicht sicher und verseucht zudem den Gartenboden. Abzuraten ist von Schneckenkorn, denn es besteht immer die Gefahr, dass die falschen Tiere davon fressen.
Im naturnahen Garten Nützlinge zu fördern
In diesem Frühjahr werden mancherorts wieder häufiger Blindschleichen beobachtet, was wohl daran liegen mag, dass die Schnecken häufiger auftreten. Allerdings ist ihr Lebensraum gefährdet – durch intensive Landwirtschaft und Ausbringen von Schneckenkorn. Der NABU empfiehlt, den Garten naturnah zu gestalten, mit Wildpflanzen etc., um natürliche Fressfeinde wie Igel oder Kröten im Garten zu fördern.
Bei allem Schaden, den sie anrichten, haben Schnecken auch ihren Sinn im kleinen Ökosystem: Nacktschnecken beseitigen Kot und Kadaver und beschleunigen die Kompostierung. Sie fressen verwesende Pflanzenteile, zersetzen Pflanzenreste und fördern so die Humusbildung.
Invasive Nacktschnecken erobern Mitteleuropa
Die Zahl der gebietsfremden Arten von Landschnecken ist in mitteleuropäischen Breiten seit dem 19. Jahrhundert kontinuierlich gestiegen – seit den 1970er-Jahren sogar exponentiell. Das ist das Ergebnis einer Studie am Leibniz-Instituts von Januar 2023.
Wissenschaftler untersuchten 22 Landschneckenarten, die aus anderen Kontinenten nach Europa und in den Mittelmeerraum eingeschleppt wurden. Darunter ist eine Reihe schädlicher Schnecken, die einheimische Arten bedrohen und Schäden in der Landwirtschaft verursachen – wie die Laevicaulis-Arten und die afrikanische Riesenschnecke Lissachatina fulica, die aus dem tropischen Afrika in den Mittelmeerraum eingeschleppt wurden.
Die wachsenden Handelsbeziehungen zwischen Afrika und Europa seien ein Grund für die zunehmende Verbreitung der fremden Schneckenarten, erklärt Studienautor Bernhard Hausdorf. Relevanter jedoch sei die globale Erwärmung, die die Ausbreitung vieler der eingeschleppten tropischen Arten im Mittelmeergebiet begünstige.