Schneller, leichter und flexibler
Der Irak-Krieg beschleunigt die von Verteidigungsminister Rumsfeld gewünschte Modernisierung des US-Militärs
Die US-Regierung ist weiter bemüht, neue Truppen in den Irak zu bringen. Doch statt der erhofften 30.000 Soldaten kann das Pentagon wohl nur mit 15.500 aus 29 Ländern rechnen. Abhilfe soll eine Umorganisierung der US-Army bringen. "Transformation" heißt das Konzept, mit dem die Pentagon-Planer ihre Truppen schneller und flexibler machen wollen. Somit könnte sich der Irak-Krieg als Katalysator bei der Modernisierung des US-Militärs erweisen.
Im Irak soll jetzt eine neu zusammengesetzte Truppe eingesetzt werden, bestehend u.a. aus der leichten Infanterie der 82nd Airborne Division, den "Green Barrets" mit ihren unkonventionellen Taktiken der Kriegsführung sowie Militärpolizei zur Aufrechterhaltung der Ordnung. Die neue Truppe soll die 3. Infanteriedivision ersetzen, die u.a. bei der Eroberung Bagdads dabei war und deren Rückkehr erst kürzlich wegen der schwierigen Lage im Irak auf unbestimmte Zeit verschoben worden war. Dabei ist die neue Einheit kleiner als eine Division, ihre Soldaten werden teilweise erstmals in den Irak gehen, teilweise waren sie aber auch schon dort eingesetzt.
Doch bei einer neuen Einheit wird es nicht bleiben, das gesamte US-Heer steht vor "dramatischen Veränderungen", wie der Vize-Stabschef des Heeres, General John M. Keane, gegenüber der "New York Times" sagte. Das Ziel der Pentagon-Planer formulierte der General so:
Wir müssen Truppe baukastenartiger und anpassungsfähiger machen, und vielleicht müssen einige Truppenteile kleiner werden.
Überlegenheit in Führung, Fähigkeiten und Willen sind für Keane der Schlüssel des militärischen Erfolgs:
Wenn man taktische Überraschungen vollbringt und wenn man an zur gleichen Zeit drei Orten angreift, dann hat das für den Feind dramatische Auswirkungen. Und wenn man die ganze Kampfkraft zur selben Zeit integriert, nicht nur die Kampfkraft am Boden, dann hat das für den Feind bedeutsame Auswirkungen.
Die Politik der beschleunigten Transformation ist jedoch unter den Militärs nicht unumstritten. Die Gegner finden sich vor allem im Heer, das mit seinen Panzern und schwerem Gerät als großer Verlierer aus der Transformation hervorgehen dürfte. Vor dem Irak-Krieg widersetzten sich hohe Militärs dem neuen Kurs noch relativ erfolgreich. Doch dann kam die Wende: Der Krieg war schnell gewonnen, obwohl weniger Bodentruppen zum Einsatz kamen. Seitdem hat Rumsfeld Oberwasser, die Verlierer des Krieges sind die Anhänger der Powell-Doktrin, die vergeblich auf eine massive Überlegenheit gedrängt hatten, wie sie der heutige Außenminister Colin Powell als Generalstabschef im Golfkrieg 1991 praktiziert hat.
Die Auseinandersetzung im Pentagon hat schon ihre ersten personellen Opfer gefordert. Mehrere hohe Militärs sind inzwischen ihrer Posten enthoben. Angefangen hat es mit dem Army-Secretary Thomas White Anfang Mai, der durch James G. Roche ersetzt wurde. Ende Juli hat Rumsfeld dann den bisherigen Stabschef der Army, General Eric K. Shinseki, mit dem er in Fragen der Waffenbeschaffung und Truppenstärke im Irak aneinandergeraten war, vor Tür gesetzt. Shinseki hatte im Februar vor dem Streitkräfteausschuss des Senats gesagt, dass nach dem Krieg "einige hunderttausend Soldaten" nötig seien, um den Irak zu besetzen. Außerdem bemerkte er, dass "Unterstützung von Freunden und Alliierten hilfreich" sein könnten. Diese Äußerungen haben ihn den Kopf gekostet.
Als Nachfolger wollte Rumsfeld eigentlich Keane haben. Nachdem dieser abgelehnt hatte, wurde der längst pensionierte General Peter Schoomaker aus dem Ruhestand zurückgeholt und zum Stabschef ernannt. Schoomaker war von 1997 bis 2000 Kommandant des "Special Operations Command" und daher für Rumsfeld "der richtige Mann, um die US-Army zu führen, da ihre Transformation in eine Armee weitergeht, die die "Fähigkeiten für das 21. Jahrhundert hat, um den Herausforderungen, denen wir gegenüberstehen, zu begegnen", wie er bei Schoomakers Vereidigung sagte.
Die Idee der Transformation selbst geht auf jahrelange Überlegungen im amerikanischen Militär zurück, wie Rumsfeld im Jahresbericht des Verteidigungsministeriums 2002 darlegte: "Weit vor dem 11. September war die oberste zivile und militärische Führung des Ministeriums dabei, neue Ansätze zur Abschreckung und Bezwingung von Gegnern festzulegen." Ergebnis war ein "neuer Verteidigungsansatz", dessen Kernstück die "Umstrukturierung" ist (s.a. Rechtzeitiger Angriff ist manchmal die beste Verteidigung. Das Militär der Zukunft beschrieb Rumsfeld so:
Bodentruppen werden leichter, tödlicher und sehr mobil sein. Sie werden auch weit entfernt von traditionellen Häfen und Luftstützpunkten einsatzfähig und durch Langstrecken-Präzisionswaffensysteme vernetzt sein. Marine- und Amphibieneinheiten werden in unmittelbarer Nähe feindlicher Küstengebiete und weit im Landesinnern operieren. Weltraumgestützte Einsatzkräfte werden mobile feindliche Ziele über weite Gebiete hinweg aufspüren, verfolgen und im Zusammenwirken mit Land- und Seestreitkräften aus großer Entfernung rasch und ohne Vorwarnung angreifen können. Die Streitkräfte werden untereinander vernetzt sein, um hochkomplexe und dezentralisierte Operationen über weite Entfernungen hinweg und im Weltraum durchzuführen.
All das bedeutet aber nicht, dass das Militär in Zukunft mit weniger Personal und womöglich Geld auskommen könnte. Schoomaker hat vorsorglich bei seiner Anhörung vor dem Streitkräfteausschuss des Senats klargestellt, dass das Militär angesichts der globalen Verpflichtungen eher mehr als weniger Truppen benötige.
Tatsächlich brauchte das Pentagon nur die Hälfte der Soldaten, die 1991 eingesetzt wurden, um die irakischen Truppen aus Kuwait zu vertreiben. Doch an Abzug der Soldaten ist auch nach dem von Bush verkündeten Ende der "größeren Kampfhandlungen" nicht zu denken (Der Krieg gegen den Terrorismus geht weiter). Die Besatzung des Landes stellt sich als sehr personalintensiv heraus - genau wie es der gefeuerte General Shinseki vorausgesagt hatte.