Schöne grüne Scheinwelt: Umwelt und Klima als Werbegag

Alles klimaneutral? Symbolbild: Noupload auf Pixabay (Public Domain)

Mit Greenwashing versuchen Konzerne, Verbrauchern ein gutes Gefühl zu vermitteln. Nicht immer entsprechen Aussagen über Klimaneutralität der Wahrheit. Jetzt will die EU dagegen vorgehen.

Mit grünen Werbeaussagen umweltfreundlicher aussehen, als ein Produkt oder ein Konzern tatsächlich ist - diese Praxis nennt sich "Greenwashing", ins Deutsche als "Grünfärberei" übersetzt. Der Energiekonzern RWE zum Beispiel schickte im Jahr 2009 einen sympathischen Riesen ins Kino und in die Werbeblöcke des vorabendlichen Fernsehens, der Windräder in der Landschaft aufstellte, Wasserkraftwerke anschloss und grünen Rasen ausrollte. Der Slogan dazu hieß "vorweg gehen", wobei die konzerneigene Schreibweise des Slogans so ging: "voRWEg gehen".

Dumm nur, dass der Energieriese RWE damals Europas größter Treibhausgasemittent war. "Reinstes Greenwashing", titelte die Süddeutsche Zeitung. 2007 hatte der Weltklimarat IPCC seinen 4. Sachstandsbericht zur Klimaerwärmung vorgelegt und für große mediale Aufmerksamkeit gesorgt, 2009 war das Jahr der Weltklimakonferenz von Kopenhagen, die den großen Durchbruch für ein neues internationales Klimaabkommen bringen sollte. Jahrelang war darauf hingearbeitet worden, da wollte auch die Industrie nicht im Abseits stehen.

Lufthansa und Toyota als Klimahelden

"Es gibt wohl kein Unternehmen, das derzeit nicht darüber nachdenkt, wie es auf den 'grünen Hype' aufspringen kann", erklärte 2007 Karen Heumann, damals Vorstand bei der Werbeagentur Jung von Matt.

"Wir tun viel – für möglichst wenig CO2-Emissionen", lautete ein Slogan der Lufthansa – ohne zu belegen, dass der Flugkonzern tatsächlich etwas Substanzielles für den Klimaschutz tat. Toyota bewarb seine Luxusmarke Lexus mit dem Spruch "Grün vor Neid", obwohl der Spritverbrauch auf der Autobahn mehr als 23 Liter pro 100 Kilometer betrug. Tetra Pak machte mit seinen Getränkekartons "Werbung für die Umwelt", dabei weisen unter allen Getränkeverpackungen nur die Einwegflaschen aus Plastik eine noch schlechtere CO2-Bilanz auf.

"Damals waren solche Slogans noch relativ leicht zu entschlüsseln", urteilt der Journalist Toralf Staud, der 2009 ein Buch zum Thema veröffentlichte: "Grün, grün, grün ist alles was wir kaufen – Lügen bis das Image stimmt". Eben weil bei den meisten Grünanzeigen nichts dahinterstand, so Staud: "Wir können diese Phase als 'der schöne Schein' bezeichnen."

Dann aber wurde das Greenwashing raffinierter. In den 2010er-Jahren bewarben Konzerne Aktivitäten, die für sich genommen tatsächlich einen Fortschritt für die Umwelt mit sich bringen, ohne allerdings jene klimaschädlichen Geschäftsbereiche umzukrempeln, die den Hauptumsatz erwirtschaften.

McDonalds brachte den "Bioburger" auf den Markt, die Deutsche Post schickte Elektroautos auf die Straße, der Stromkonzern EnBW bewarb seinen "Windkraftprotz" tatsächlich aber blieb McDonalds einer der weltgrößten Verpackungsmüllverursacher, die Deutsche Post "tankte" Strom, der gar nicht aus Erneuerbaren Quellen stammte, EnBW warb mit einem kleinen Windpark und verschwieg, dass der Konzern gleichzeitig eines der größten neuen Kohlekraftwerke in Betrieb nahm.

Wenn Konzerne Verbrauchern ins Gewissen reden

"Der Mechanismus dieses Greenwashings ist die Übertreibung", sagt Stefan Schaltegger, Professor für Nachhaltigkeitsmanagement an der Leuphana-Universität in Lüneburg. "Nach dem Motto: Einen Teil richtig machen, und damit den Eindruck hinterlassen, alles sei in Ordnung."

"Ich finde es besonders dreist, wenn Konzerne die Verbraucher auffordern, Verantwortung zu übernehmen", sagt der Regisseur Werner Boote, der 2018 den Dokumentarfilm "Die Grüne Lüge" zum Thema Greenwashing in die Kinos brachte. "Kauft klimaneutrale Wurst zum Beispiel", sagt Boote: "Wie soll denn der Verbraucher überprüfen, ob das Produkt, das als solches gelabelt ist, wirklich klimaneutral hergestellt wurde?"

Der Österreicher konstatiert: "Fälle von Greenwashing sind in den letzten Jahren deutlich mehr geworden!" Die Dürrejahre hätten gezeigt, dass der Klimawandel längst in vollem Gange ist. "Das Thema ist in der Mehrheitsgesellschaft angekommen. Also geben sich die Konzerne auch mehr Mühe, sich in einem grünen Licht darzustellen", urteilt Boote.

Weil Veränderungen immer erst einmal das althergebrachte, erfolgreiche Geschäftsmodell in Frage stellen würden, versuche es die Industrie aber zunächst mit der Lüge, statt mit wirklichen Veränderungen. "Die Plastikindustrie erklärt uns beispielsweise, ihr könnt das Sackerl ruhigen Gewissens nehmen, wir recyceln das für Euch", so Boote.

Tatsächlich aber würden nur acht Prozent des Plastiks wiederverwertet, zwölf Prozent werden verbrannt und 80 Prozent landen auf Deponien oder in der Umwelt. Boote: "Würde die Politik die Hersteller zum 100-Prozentigen-Recycling zwingen, wäre deren Geschäftsmodell kaputt."

"Wir beobachten tatsächlich eine viel stärkere Nachfrage nach nachhaltigen Produkten", sagt Simon Mütze, der Greenwashing und "Corporate Social Responsibility" an der Leibniz Universität Hannover untersucht hat. "Unternehmen sind heute in Mitteleuropa geradezu gezwungen, umweltfreundliche Produkte auf den Markt zu bringen, einfach, weil die Kundschaft solche nachfragt." Allerdings sei das Umweltwissen bei vielen Konsumenten noch niedrig, weshalb die Konzerne oft mit dem Greenwashing durchkommen.

Zum Beispiel mit "klimaneutralem Hähnchenbrustfilet": Solches verkaufte Rewe im Sommer 2022. Waren der Marken "Bio + vegan" und "Wilhelm Brandenburg" wurde als "klimaneutral" beworben. Dagegen ist die Verbraucherorganisation foodwatch vorgegangen, mit Erfolg. "Das Label ‚klimaneutral‘ ist grundsätzlich irreführend, weil man nichts klimaneutral produzieren kann", urteilt die Juristin Rauna Bindewald, die Greenwashing für foodwatch aufzuspüren versucht.