Schöne neue Welt: Künstlich gezüchtete Angst vor China heizt Hightech-Wettrüsten an
Überholt China die USA bei der (KI-)Waffentechnologie, ist seine Strategie aggressiv? Das jedenfalls behauptet Washington. Die Realität sieht anders aus. Gastbeitrag.
Bei den Diskussionen über das Pentagon-Budget in Washington wird standardmäßig die Tatsache ignoriert, dass der Militärhaushalt mit 886 Milliarden Dollar für das nächste Jahr bereits jetzt einen der höchsten Werte seit dem Zweiten Weltkrieg erreicht hat. Mit einer besseren Verwaltung und einer realistischeren Strategie wäre diese Summe weit mehr, als für eine wirksame Verteidigung der Vereinigten Staaten und ihrer Verbündeten erforderlich ist.
Leider haben das Pentagon, die Rüstungsindustrie und ihre Verbündeten im Kongress es versäumt, den Verteidigungsbedarf der USA sorgfältig zu ermitteln. Stattdessen treiben sie einen unüberlegten Plan zur Vergrößerung der Waffenproduktionsbasis auf Kosten anderer dringender nationaler Bedürfnisse voran.
Das Hauptargument der Befürworter des Pentagon-Budgets ist, dass die Vereinigten Staaten Gefahr laufen, bei der Entwicklung und dem Einsatz von Systemen der nächsten Generation, wie z. B. unbemannte Fahrzeuge, die von künstlicher Intelligenz gesteuert werden, hinter China zurückzufallen.
Danach brauche es steuerfinanzierte Subventionen für den Bau neuer Waffenfabriken, was zu einer ständigen Ausweitung des Rüstungssektors führen würde. All das könnte den Pentagon-Haushalt in den nächsten Jahren auf weit über eine Billion Dollar anschwellen lassen – ein riesiges und unnötiges Ausgabenfeuerwerk.
Es würde die Militarisierung unserer Wirtschaft auf Kosten von Investitionen in die Bewältigung wichtiger Herausforderungen wie Klimawandel und Krankheitsausbrüche vorantreiben.
Die stellvertretende Verteidigungsministerin Kathleen Hicks stellte den neuen Ansatz des Pentagons in einer Rede vor der National Defense Industrial Association im August dieses Jahres vor:
Um [China] einen Schritt voraus zu sein, werden wir hochmoderne Technik entwickeln ..., indem wir autonome Kampfsysteme in allen Bereichen vorantreiben, die weniger kostspielig sind, weniger Menschen in Gefahr bringen und mit wesentlich kürzeren Vorlaufzeiten geändert, aufgerüstet oder verbessert werden können. Wir werden der PLA [chinesische Volksbefreiungsarmee] unsere eigenen Waffen entgegensetzen, aber unsere werden schwerer zu berechnen, zu treffen und zu schlagen sein.
Die Entwicklung neuer Systeme, die auf komplexen neuen Technologien beruhen und in kurzer Zeit in großen Stückzahlen hergestellt werden können, wäre eine gewaltige Aufgabe.
Sie stünde im Widerspruch zu den Erfahrungen des Pentagons und der Rüstungsindustrie in den letzten fünf Jahrzehnten, in denen es viele Beispiele für Kostenüberschreitungen und Terminverzögerungen gibt. Der Traum des Pentagons von neuen High-Tech-Systemen, die erschwinglich und schnell zu produzieren sind, wird sich wahrscheinlich nicht erfüllen.
Lesen Sie auch:
In einem demnächst erscheinenden Bericht des Pentagon über die "Strategie der Verteidigungsindustrie" wird vorgeschlagen, dass die Lösung darin besteht, kleinere, flexiblere Rüstungsunternehmen zu finanzieren, da "die traditionellen Waffenhersteller, [die die industrielle Rüstungsbasis darstellen], vor der Herausforderung stünden, auf moderne Konflikte mit der Geschwindigkeit, dem Umfang und der Flexibilität zu reagieren, die erforderlich sind, um die dynamischen Anforderungen eines großen modernen Konflikts zu erfüllen."
Unabhängig davon, wer die Herausforderung annimmt, Systeme der nächsten Generation zu bauen, ist die Vorstellung, dass neue Technologien die Vielzahl der sicherheitspolitischen Herausforderungen, denen sich die Vereinigten Staaten gegenübersehen, lösen können, eine zweifelhafte Behauptung.
Intelligente Diplomatie statt intelligente Waffen
Jede Generation bringt die Hoffnung auf ein neues technologisches Wundermittel mit sich, das die militärischen Fähigkeiten der USA angeblich dramatisch verbessern wird. Vom "elektronischen Schlachtfeld" in Vietnam bis zur "Revolution in militärischen Angelegenheiten", die in den 1990er-Jahren angepriesen wurde, konnten dabei einige Systeme hervorgebracht, die genauer operieren und besser vernetzt sind.
Aber die Existenz dieser Technologie hat die Vereinigten Staaten nicht in die Lage versetzt, tatsächlich Kriege zu gewinnen – weder in Vietnam noch im Irak oder in Afghanistan.
Das liegt daran, dass die Technologie nicht in der Lage ist, einen entschlossenen Gegner zu besiegen, der einen irregulären Krieg auf seinem eigenen Territorium führt, und das Ziel, ganze Gesellschaften mit Gewalt zu verändern, von vornherein völlig unrealistisch war.
Die Vorstellung, dass neue Technologien irgendetwas verbessern und die Fähigkeit erhöhen, einen Krieg mit China zu "gewinnen", ist bestenfalls ein Irrglaube. Ein Krieg mit China wäre eine noch nie dagewesene Katastrophe für alle Beteiligten, und das Ziel der US-Politik sollte darin bestehen, einen solchen Konflikt zu verhindern, und nicht darin, Szenarien zu entwerfen, wie man einen Krieg gegen eine atomar bewaffnete Macht "gewinnt".
Hinzu kommt, dass entgegen den Behauptungen des Pentagons und der Rüstungsindustrie Chinas Militär kein Riese ist, ebenso wenig wie seine Rüstungsindustrie. Wie ich in einem neuen Papier für das Projekt "Costs of War" der Brown University feststelle, geben die USA zwei- bis dreimal so viel für ihr Militär aus wie China, ganz gleich, wie man es misst.
Lesen Sie auch:
Südkoreas neue Überschallrakete: Eine Botschaft an den Norden
Von der Kita zur Kaserne: Der lange Arm der Zeitenwende
Amerikas Rüstungsdilemma: Zu viele Kriege, zu wenig Nachschub
Chinas Antwort auf die F-35: Beijing stellt neuen Tarnkappenjet vor
Veteranen-Votum 2024: Trumps klarer Sieg bei den Militärstimmen
Die USA sind auch bei einer Reihe von Basissystemen im Vorteil, darunter Atomwaffen, Flugzeugträger, moderne Kampfflugzeuge, atomgetriebene U-Boote und Transportflugzeuge.
Wie Dan Grazier vom Project on Government Oversight feststellt, ist Chinas Militärstrategie "von Natur aus defensiv". Wenn es um neue Militärtechnologien geht, sind die relativen Stärken der USA und Chinas schwieriger einzuschätzen, da die Forschung in diesen Bereichen nicht sehr transparent ist.
Am besten ist es jedoch, sich bei der Entwicklung von KI-gesteuerten Roboterwaffen nicht auf ein Wettrüsten mit China einzulassen. Wie Michael Klare in einem Bericht für die Arms Control Association feststellte, besteht die reale Sorge, dass "KI-gestützte Systeme auf unvorhersehbare Weise versagen und zu unbeabsichtigten Tötungen von Menschen oder unkontrollierten Eskalationen führen könnten".
Die beste Hoffnung, einen Krieg zwischen den USA und China um Taiwan abzuwenden, liegt in intelligenter Diplomatie, nicht in "intelligenten" Waffen. Ein guter Anfang wäre die Wiederbelebung der "Ein-China-Politik", die unter anderem fordert, dass China sich zu einer friedlichen Lösung der Statusfrage Taiwans verpflichtet und die USA auf die Anerkennung der formellen Unabhängigkeit Taiwans verzichten und nur informelle Beziehungen zur taiwanesischen Regierung unterhalten.
Es gibt keinen guten Grund, die US-Rüstungsproduktion auszuweiten, um die Entwicklung gefährlicher Waffensysteme der nächsten Generation zu beschleunigen. Aber wenn der US-Kongress und die Öffentlichkeit nicht bald handeln, um diese Bemühungen einzudämmen, könnten wir bald in eine schöne neue Welt eintreten, die die derzeitige Sicherheitslandschaft im Vergleich dazu harmlos aussehen lässt.
Der Artikel erscheint in Kooperation mit Responsible Statecraft. Das englische Original finden Sie hier. Übersetzung: David Goeßmann.
William D. Hartung ist Senior Research Fellow am Quincy Institute for Responsible Statecraft und Autor von u.a. "Pathways to Pentagon Spending Reductions: Removing the Obstacles".