Schuldenfalle in grün
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Warum Banker zu den größten Impulsgebern einer klimafreundlichen Entwicklungspolitik zählen. Und was die Empfänger von solcher "Hilfe" halten. Klima-Kolonialismus? (Teil 3 und Schluss).
Wo ein Etikett den Wert bestimmt, ist der Schwindel nicht weit. Dass es bei "nachhaltigen" Projekten – und vor allem: Geldanlagen – nicht immer ganz nachvollziehbar zugeht, lässt sich mittlerweile als Fakt konstatieren.
Der deutsch-französische Sender Arte führte das zuletzt mit der Dokumentation "Grüne Fonds – die große Illusion?" (Juni 2022, seit 30. November in der Mediathek) erneut vor Augen. Neben anderen Beispielen für grünen Etikettenschwindel kommt die Doku auch auf den aufsehenerregenden Fall von Desiree Fixler zu sprechen.
Teil 1: Klimafinanzierung: Ein "neues Bretton Woods"
Teil 2: Finanzielle Kriegsführung: Schuldensystem und Dollarhegemonie
Die US-Amerikanerin war Nachhaltigkeitschefin des Investment-Arms der Deutschen Bank, DWS (ehem. Deutsche Gesellschaft für Wertpapiersparen), der sich mit mehr als 50 Prozent "grünen" Fonds als führend im Bereich nachhaltiger Investitionen dargestellt habe. Bis zum August 2021.
In jenem Monat erschütterte Fixler nämlich die Finanzwelt mit der gegenüber der US-Börsenaufsicht (Security and Exchange Commission, SEC) und dem FBI geäußerten Anschuldigung, die DWS habe im großen Stil "Greenwashing" von Anleihen betrieben. Fixler wurde sofort gefeuert, SEC und die US-Justizbehörde nahmen die Ermittlungen auf, gemeinsam mit der deutschen Finanzfahndung.
Im Mai erfolgte auf Veranlassung der in anderen Fällen trägeren Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) eine Razzia der Geschäftsräume von DWS und der Muttergesellschaft Deutsche Bank, einen Tag später verließ der langjährige Chef der Fondstochter das Unternehmen.
Die Staatsanwaltschaft teilte damals mit, dass sich "zureichende Anhaltspunkte" dafür gefunden hätten, dass die DWS Kunden mit Finanzprodukten hinters Licht führte, die den sogenannten ESG-Kriterien (Environment, Social, Governance) genügen sollten. Der Haken: diese Kriterien hätten bei den Angeboten "keinerlei Beachtung gefunden".
Der "größte Wachstumsmarkt für Vermögensverwalter"
Es lässt sich stark bezweifeln, ob es sich bei der Deutschen Bank um einen Einzelfall handelt. Denn wie Fixler in der Arte-Doku ebenfalls herausstellt, gelten nachhaltige Geldanlagen als "der größte Wachstumsmarkt für Vermögensverwalter" – und die Spekulation auf dem Emissionsmarkt schaffe zusätzliche Anreize zur Manipulation. Und damit ist noch nichts über die Rolle der Rating-Agenturen gesagt, die die grünen Etiketten vergeben.
Und doch sah die EU-Finanzbehörde (European Securities and Markets Authority, ESMA) bei einer Überprüfung im März keine Anzeichen für eine Manipulation des Emissionsmarkts, welche Großinvestor George Soros laut Wirtschaftswoche einmal als Pull-Faktor für "Finanztypen wie ihn" bezeichnet hat.
Was haben nun nachhaltige Kapitalanlagen mit imperialem Kolonialismus zu tun? Nach Ansicht einiger Kritiker: eine ganze Menge. Doch der Reihe nach.
"Grüner Kolonialismus" und die Doppelstandards des globalen Nordens
Die von Weltbank und Internationalem Weltwährungsfonds koordinierte Entwicklungshilfe – beziehungsweise, genauer: "Entwicklungszusammenarbeit" – der (westlichen) Industrieländer mit den Ländern des globalen Südens steht nicht alleine im Zeichen der Nächstenliebe (siehe Teil 2).
Das wird auch in der Ablehnung von "Reparationszahlungen" an die vom Klimawandel am meisten betroffenen Länder deutlich, die diese zuletzt auf dem Klimagipfel in Ägypten, COP27, forderten.
Abgesehen davon – so der Nachrichtensender Euronews –, dass die Länder des globalen Nordens für den Großteil der CO2-Emissionen verantwortlich zeichnen und sich die internationale Gemeinschaft sich auf den "historischen" Loss and Damage Fund einigen konnte (siehe Teil 1), betrachte
der globale Süden […] die Klimareparationen, die sich auf die dauerhafte Zerstörung beziehen, als eine dritte, separate Säule in dieser Gleichung. Aus diesem Grund fordern sie [=die Länder] die Schaffung eines brandneuen Fonds, der sich völlig von den [zunächst angesetzten] 100 Milliarden Euro unterscheidet, die für Minderung und Anpassung bestimmt sind.
Euronews
Solche Reparationen werden, wie in Teil 1 bereits erwähnt, seit dem ersten Weltumweltgipfel 1971 gefordert. Und zwar erfolglos.
Der Eindruck, dass die Klimaschutz-"Hilfen" in Form der Entwicklungszusammenarbeit die Asymmetrie zwischen den globalen Hemisphären nicht beenden, sondern fortschreiben, wird durch die janusköpfige Nachhaltigkeitspolitik des Nordens erheblich verstärkt. Wie das Internetportal German Foreign Policy (GFP) schreibt, nimmt diese Kritik an Doppelstandards "weltweit – und auch an Deutschland" zu:
[So] heißt es in einem aktuellen Namensartikel von Yoweri Museveni, dem Präsidenten Ugandas: "Wir werden nicht eine Regel für sie, eine andere aber für uns akzeptieren." Identische Kritik an europäischen Versuchen, den Ländern Afrikas eine Abkehr von Öl und Gas zu diktieren, zugleich aber selbst die Nutzung von Kohle als Energieträger wieder zu intensivieren – etwa in Deutschland –, wird schon seit Monaten laut.
German Foreign Policy
Die Doppelstandards werden nicht nur beim Abbau von Fracking-Gas und der EU-Taxonomie deutlich, sondern auch in Projekten wie der vor kurzem unter UK-Premier Rishi Sunak eröffneten neuen Kohlemine im großbritannischen Whitehaven.
Der Chief Strategic Officer der Nichtregierungsorganisation Human Rights Foundation (HFR), Alex Gladstein, lässt in einem seiner Beiträge zur destruktiven Rolle von Weltbank und IWF auch ein Gespräch mit der senegalesischen Unternehmerin Magatte Wade einfließen. Wade spricht von besagtem Doppelstandard als einem "grünen Kolonialismus":
Diese grüne Agenda ist eine neue Form der Herrschaft über uns. Der Herrscher diktiert uns jetzt, wie wir mit Energie umgehen sollen […] Das Öl befindet sich in unserem Boden, es ist Teil unserer Souveränität: aber jetzt sagen sie, wir dürfen es nicht nutzen? Selbst nachdem sie unermessliche Mengen für sich selbst geplündert haben?
Magatte Wade
Kritik am "grünen Kolonialismus" kommt aber nicht nur vom afrikanischen Kontinent: Der karibische Entwicklungsforscher Keston K. Perry hat im November 2021 ein Paper veröffentlicht, in dem er die Rolle der Nachhaltigkeitsziele der UN-Agenda 2030 (Sustainable Development Goals, SDGs) beim Aufbau und Erhalt einer kolonialen Schuldknechtschaft beschreibt:
In diesem Paper wird aufgezeigt, wie die für notwendig erachteten "Billionen" [Vgl. Artikel der New York Times] angeblich mobilisiert werden, [nur,] um mit der Klimakatastrophe finanzielle Gewinne zu erzielen, die weitere Schulden erzeugen, rassifizierte [racialized] Bevölkerungsgruppen im globalen Süden enteignen und damit eine neue Ära des "Fonds-Zeitalters" [Bond-Age, Wortspiel mit bondage ="Gefangenschaft"] und der Kolonialität einläuten.
Keston K. Perry
Perry geht dabei besonders auf die Rolle von Weltbank und IWF als Vehikel ("conduit") dafür ein, soziale Versorgungsleistungen und Entwicklungsprogramme in "handelbare Vermögenswerte und Wertpapiere" umzuwandeln. "In Bezug auf den Klimawandel", so Perry, "sind Schuldtitel zu den bevorzugten Instrumenten für Investoren und Entwicklungsbanken geworden".
Diese Verschuldung – in Kombination mit finanzieller Abhängigkeit, mangelnder Klimagerechtigkeit und sozio-politischer Ungewissheit (Perry verweist auf das krisengebeutelte Haiti) – hindere die karibischen Länder (bereits jetzt) daran, ein selbstbestimmtes, menschenwürdiges Leben zu führen.