Schwarze Löcher wachsen schneller als jede Theorie erlaubt
Galaxie mit einem Quasar. Grafik: Elena 11, shutterstock
Astronomen haben ein schwarzes Loch entdeckt, das die Eddington-Grenze um das 40-fache überschreitet. Ein physikalisches Rätsel.
Astronomen haben mehrere supermassereiche Schwarze Löcher identifiziert, die Materie in einem Tempo verschlingen, das alle bisherigen Theorien sprengt. Diese Objekte überschreiten die sogenannte Eddington-Grenze – die theoretische Obergrenze für das Wachstum Schwarzer Löcher – um das Mehrfache.
Das ist nicht nur eine Herausforderung für die Astrophysik. Verbesserte Modelle könnten auch erklären, wie bereits im jungen Universum derart gigantische Strukturen entstehen konnten.
Die Eddington-Grenze beschreibt das maximale Tempo, mit dem ein Schwarzes Loch nachhaltig Materie aufnehmen kann: Materie fällt nicht direkt in ein Schwarzes Loch hinein, sondern wirbelt zunächst in einer Scheibe um es herum. Die extreme Reibung und Schwerkraft erhitzen das Material auf höchste Temperaturen, wodurch es hell aufleuchtet.
Strahlungsdruck als natürliche Bremse
Das dabei entstehende Licht übt jedoch Druck aus. Ab einem bestimmten Punkt entspricht dieser nach außen gerichtete Strahlungsdruck dem nach innen gerichteten Gravitationszug des Schwarzen Lochs und verhindert, dass weiteres Material näher heranrückt. Diese Balance definiert die Eddington-Grenze.
Doch neue Beobachtungen zeigen, dass Schwarze Löcher diese Grenze drastisch überschreiten können – zumindest zeitweise. Das Team um Ighina entdeckte das Schwarze Loch RACS J0320-35 in einer Quasar-Galaxie, die nur 920 Millionen Jahre nach dem Urknall existierte. Dieses Objekt verschlingt Materie mit der 2,4-fachen Eddington-Rate. Die Forschungsarbeit der zehnköpfigen Gruppe ist in The Astrophysical Journal Letters erschienen.
Das Gefräßigste seiner Art
Noch extremer verhält sich das Schwarze Loch LID-568, das Astronomen um Hyewon Suh von Gemini Observatory und NSF's NOIRLab mit dem James-Webb-Weltraumteleskop untersuchten. "Dieses Schwarze Loch feiert grad ein Festmahl", beschreibt Julia Scharwächter von Gemini Observatory den Vorgang gegenüber Science Daily.
Das Objekt überschreitet die Eddington-Grenze um das 40-fache und ist damit das gefräßigste seiner Art, das je beobachtet wurde.
Rätsel der frühen Giganten
Diese sogenannte Super-Eddington-Akkretion könnte eine zentrale Frage der Astrophysik beantworten: Wie entstanden supermassereiche Schwarze Löcher mit Millionen- bis Milliardenfacher Sonnenmasse bereits im ersten Jahrmilliarde der kosmischen Geschichte? "Wie hat das Universum die erste Generation Schwarzer Löcher hervorgebracht?", fragt Thomas Connor vom Harvard & Smithsonian Center for Astrophysics. "Das ist weiterhin eine der größten Fragen der Astrophysik."
Ein weiterer spektakulärer Fund gelang Anthony Taylor von der University of Texas at Austin. Sein Team bestätigte das bislang früheste supermassereiche Schwarze Loch in der Galaxie CAPERS-LRD-z9. Das Objekt existierte bereits 500 Millionen Jahre nach dem Urknall und besaß zu diesem Zeitpunkt schon etwa unglaubliche 300 Millionen Sonnenmassen – die Hälfte der Gesamtmasse aller Sterne seiner Wirtsgalaxie.
Die Schwerkraft dieses Schwarzen Lochs beschleunigt das umgebende Gas auf 3.000 Kilometer pro Sekunde – immerhin etwa ein Prozent der Lichtgeschwindigkeit. Derart extreme Geschwindigkeiten ermöglichen es Astronomen, die Anwesenheit von Schwarzen Löchern mittels Spektroskopie nachzuweisen.
Verschiedene Entstehungstheorien
Forscher diskutieren mehrere Theorien, wie solche Schwarzen Löcher entstanden sein könnten. Eine Möglichkeit sind primordiale Schwarze Löcher, die direkt beim Urknall entstanden sind. Alternativ könnten sie aus dem Kollaps der ersten Sterne des Kosmos – den sogenannten Population-III-Sternen – hervorgegangen sein oder durch den direkten Kollaps gewaltiger, urtümlicher Gaswolken entstanden sein.
Wenn die Forscher die Masse des Schwarzen Lochs ermittelt und herausgearbeitet haben, wie schnell es wächst, können sie in einem dritten Schritt abschätzen, wie massereich es bei der Geburt gewesen sein könnte.
Die Beobachtungen zeigen zwei mögliche Wachstumspfade für derart alte und massive Schwarze Löcher: Entweder begann deren Existenz mit etwa 10.000 Sonnenmassen und wuchs dann konstant mit der maximalen Eddington-Rate, oder es startete mit nur 100 Sonnenmassen und musste durch Super-Eddington-Akkretion extrem schnell wachsen.
Glückstreffer für die Wissenschaft
Die Entdeckung von LID-568 war besonders glücklich, da Super-Eddington-Phasen vermutlich sehr kurz sind. "Diese extreme Entdeckung zeigt, dass ein schneller Fütterungsmechanismus oberhalb der Eddington-Grenze eine der möglichen Erklärungen dafür ist, warum wir diese sehr schweren Schwarzen Löcher so früh im Universum sehen", betont Scharwächter.
Trotz dieser Fortschritte bleiben zentrale Fragen ungeklärt: Wie lange können Super-Eddington-Episoden anhalten und wie häufig treten sie auf? Warum variieren die beobachteten Akkretionsraten so stark – von der 2,4-fachen bis zur 40-fachen Eddington-Rate? Und wie fügen sich die verschiedenen Beobachtungen in ein einheitliches Modell zur Entstehung und Entwicklung Schwarzer Löcher ein?