"Schwert statt Nadelstich" – Liminskis Kampfansage an die Plattform-Giganten
Nathanael Liminski, rechts im Bild, neben NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst. Bild: Shutterstock.com
NRW-Medienminister Nathanael Liminski fordert härtere Eingriffe gegen digitale Monopole und warnt vor einem transatlantischen Konflikt um Werte und Regulierung.
Die multipolare Welt entwickelt sich parallel zur Herausbildung digitaler Paralleluniversen, für die der Ausdruck "Filterbubbles" viel zu harmlos ist. Telegram, Tiktok oder X sind die digitale Infrastruktur der neuen Weltunordnung.
Hito Steyerl, Professorin für Aktuelle Digitale Medien
Wer Alice Weidel in ihrer Bewunderung für Elon Musk Pseudopatriotismus vorwirft, kann rhetorisch gut zielen. Unter den "Patrioten" im AfD-Vorfeld ist der Flirt mit dem US-Medienoligarchen Musk keine unstrittige Sache.
Nathanael Liminski, CDU-Medienminister von Nordrhein-Westfalen, hat früher Reden geschrieben. Das merkt man ihm an. Für den Parteikollegen Roland Koch zum Beispiel, dem ehemaligen hessischen Ministerpräsidenten, der immer noch gerne austeilt: EU-Staats- und Regierungschefs bezeichnete er kürzlich als "Totalausfall an politischer Führung".
Im Kampfmodus
Seine Rhetorik und sein Ehrgeiz, europäische Macht in einer Kampfzone zur Geltung zu bringen, deren Dimension mit dem Machtwechsel in den USA sich neu erschließt, macht die Ausführungen interessant, die Liminski dem FAZ-Medienexperten Michael Hanfeld gegenüber in einem aktuellen Interview äußert.
Landesmedienminister Liminski will zum Schwert greifen – gegen die Plattform-Supermacht – kündigt er an. "Wir haben eher gepiekt und wir werden künftig schneiden müssen", sagte er kürzlich schon (WDR) und jetzt sagt er es der FAZ nochmal deutlicher:
Wir haben die Digitalmonopolisten bisher, salopp gesagt, gepiesackt. Künftig werden wir deutliche Einschnitte vornehmen müssen. Mir ist klar: Das wird von denen, die ein Interesse daran haben, dass dieser Bereich unreguliert bleibt, verhetzt werden als "Kontrollstaat". Aber es geht hier um die Frage, ob wir bereit sind, grundlegende Werte unserer Demokratie gegen Feinde von außen und innen zu verteidigen.
Nathanael Liminski
Was der CDU-Medienpolitiker konkret an Einschnitten vorhat, deutet er im Interview nur in der Richtung an.
Der Ansatz liege bei "der Technik und Infrastruktur": "Wer für freie Rede im Netz ist, muss gegen Missbrauch von Techniken wie Algorithmen, Bots, KI sein, wenn sie bestimmten Inhalten besonders dienlich sind und damit den fairen Austausch verzerren", sagte er der FAZ.
Verschärft gegen den Algorithmus
Es gehe darum, dass "transparent gemacht werden muss, wie der Algorithmus arbeitet, wer wann wie eingreift". Hier müsse konkret im "bestehenden Regelwerk" eine Schärfung vorgenommen werden. Dazu habe er die zuständige EU-Kommissarin angeschrieben.
Im WDR-Bericht heißt es dazu:
In die Regeln für die Social-Media-Plattformen müsse ein zusätzliches Verbot aufgenommen werden: Algorithmen, die Postings alleine deswegen pushen, weil sie z.B. demokratiefeindlich oder volksverhetzend sind, sollen ausdrücklich nicht erlaubt sein.
WDR, Social-Media-Kontrolle: NRW drängt auf schärfere Regeln
Das sei ein erster Ansatzpunkt, man könne "auch innerhalb des Regelwerks neue Instrumente schaffen, um hier weiterzukommen", ergänzt Liminski im FAZ-Interview, wo er mit dem Bild eines Großkonflikts zwischen den USA und Europa eine Dringlichkeit beschwört.
"Wir kommen in einen harten Konflikt zwischen Europa und den USA"
Das ist der Kampf, der uns bevorsteht. Wir kommen in einen harten Konflikt zwischen Europa und den USA. Und wir ringen dabei um nicht weniger als das, was den Westen auszeichnet und was uns eigentlich miteinander verbindet: Menschenwürde, die Geltung des Rechts, Freiheit in Verantwortung.
Es gehe –"auch wenn sich das pathetisch anhört" – um "nicht weniger als die Zukunft unserer liberalen Demokratie".
Liminski plädiert dafür, den Kampf um die Erhaltung demokratischer Werte anzunehmen, auch wenn dies von Populisten als Einschränkung der Freiheit dargestellt werden könnte. Ein Verbot von Netzwerken sieht er als letzte Option, betont aber auch die Offenheit für Dialog mit den Plattformbetreibern.
Die Vorstellung einer "grenzenlosen Freiheit" lehnt er ab.
Zensurvorwürfe?
Vorwürfe, dass Eingriffe in die Politik der Plattformen als Zensur interpretiert werden könnten, begegnet Liminski mit dem Hinweis auf grundlegende europäische Werte wie Menschenwürde, Rechtsstaatlichkeit und verantwortungsvolle Freiheit. Er argumentiert, dass es nicht um Kontrolle, sondern um den Schutz dieser Werte geht.
Das wird nicht von jeder und jedem so eindeutig gesehen. Sicher ist: Die Debatte geht weiter. Nicht zum Nachteil der Plattformen.
Das aufgeheizte Debattenklima ist also keineswegs ein Zufall, sondern für die wichtigsten Plattformbetreiber die optimale Betriebstemperatur. Sie haben viel Zeit und Aufwand investiert, um algorithmisch exakt den Grad von Frustration und Zwist zu bestimmen, der Userinnen maximal aufgebracht bei der Stange hält.
Hito Steyerl
Man habe bislang in der Regulierung von Netzwerken einen Ansatz gewählt, der auf Selbstverpflichtungen der Unternehmen gesetzt hat. Leider aber, so Liminski, habe man feststellen müssen, "dass wir uns auf den guten Willen der Betreiber alleine nicht verlassen können".