Sind Bürgerräte mehr als ein demokratischer Sandkasten?
Seite 3: Bürgerräte: demokratischer Sandkasten oder ernsthafte Beratung?
- Sind Bürgerräte mehr als ein demokratischer Sandkasten?
- Mehr Bürgernähe durch Bürgerräte?
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Wie so oft im Leben, gehen die offiziellen Erklärungen und das was real stattfindet weit auseinander. So finden Abgeordnete der Grünen, wenn man sie darauf anspricht, die Bürgerräte anstrebenswert. So erklärte die Abgeordnete Anna Christmann, promovierte Politikwissenschaftlerin, die sich eigentlich auch immer nur mit Politik befasst hat, aber, so steht in ihrem Lebenslauf, immerhin zu Beginn ihres Studiums auch "in einem Altenpflegeheim ausgeholfen hat", gegenüber Telepolis:
Wir freuen uns, dass mit dem Bürgerrat zu "Deutschlands Rolle in der Welt" jetzt Empfehlungen des Bürgerrats Demokratie selbst umgesetzt werden, nämlich das Format des Bürgerrats auf Initiative des Bundestags hin zu erproben. Für uns ist das natürlich nur der erste Schritt, dient aber dazu, das Verfahren unter Schirmherrschaft des Parlaments als Innovationsprojekt zu erproben und somit mittelfristig auch etablieren zu können. Wir hätten uns auch gewünscht, dass bereits mehr Empfehlungen des Bürgergutachtens umgesetzt worden wären, z.B. ein Online-Beteiligungsportal oder die Einführung eines Lobbyregisters.
Wir freuen uns, dass mit dem Bürgerrat zu "Deutschlands Rolle in der Welt" jetzt Empfehlungen des Bürgerrats Demokratie selbst umgesetzt werden, nämlich das Format des Bürgerrats auf Initiative des Bundestags hin zu erproben. Für uns ist das natürlich nur der erste Schritt, dient aber dazu, das Verfahren unter Schirmherrschaft des Parlaments als Innovationsprojekt zu erproben und somit mittelfristig auch etablieren zu können. Wir hätten uns auch gewünscht, dass bereits mehr Empfehlungen des Bürgergutachtens umgesetzt worden wären, z.B. ein Online-Beteiligungsportal oder die Einführung eines Lobbyregisters.
Ihr Büro wies zudem darauf hin, dass Christmann auch zugegen war, als das Ergebnis des ersten Bürgerrats an den Bundestagspräsidenten übergeben wurde.
Bundestag ignoriert Empfehlungen
Telepolis wollte erfahren, was denn aus den 22 Empfehlungen geworden ist, die immerhin schon 2019 an den Bundestag gerichtet wurden. Gefordert wurde u.a. die gesetzliche Verankerung eines bundesweiten Bürgerrats sowie die Einberufung bundesweiter Bürgerräte durch Bevölkerung/Parlamente/Regierung, ein Vetorecht durch Volksentscheid im Gesetzgebungsprozess auf Bundesebene, ein Lobbyregister auf Bundesebene. Ferner die Schaffung einer staatlich finanzierten, politisch unabhängigen Stelle, die bundesweit Bürgerbeteiligung und direktdemokratische Verfahren koordiniert, durchführt und dazu informiert.
Ein Mitarbeiter der Grünen-Fraktionsgeschäftsführung erklärte während eines durchaus lebhaft verlaufenen Telefonats auf die Frage nach der bisherigen Umsetzung der Bürgerratsbeschlüsse: "Wir haben schließlich auch noch was anderes zu tun."
Das scheint bei den anderen Fraktionen ähnlich zu sein. Die Bundestagspressestelle, die für Schäuble also den Schirmherrn des Ganzen spricht, verwies auf die Fraktionen. Doch die Frage, was mit den Empfehlungen nun konkret passiert, bleib auch bei der CDU/CSU-Fraktion unbeantwortet.
Ein Sprecher von Mehr Demokratie e.V., Thorsten Sterk, bringt gegenüber Telepolis die Tatsache, dass sich der Bundestag nach Jahrzehnten der Verweigerung nun endlich mit dem Thema eines Lobbyregisters befasst, mit einer entsprechenden Forderung des Bürgerrats Demokratie in Verbindung. Er schrieb: "Auch in Sachen Lobbyregister ist im Bundestag etwas in Arbeit."
Sterk weiter: "Wenn der Bundestag Bürgerräte als ständiges Demokratie-Instrument auf Bundesebene implementiert, dürfte es zudem mit der Stabsstelle Bürgerbeteiligung auf Bundesebene etwas werden. Bürgerrat-Empfehlungen werden insbesondere immer dann umgesetzt, wenn es eine direkte Anbindung an Parlamente und Regierungen gibt, d.h., wenn die Bürgerräte von diesen thematisch beauftragt worden sind."
Inzwischen haben sich etliche der Teilnehmer zu Stammtischen zusammengefunden, an denen sie weitere Aktivitäten planen. Viele wollen sich nun politisch engagieren, vor allem auch in der Kommunalpolitik.
Sollten sie jedoch erfahren, dass der Bundestag sich nicht einmal offiziell mit ihren Vorschlägen befasst, dürften sich Frustration und Enttäuschung einstellen. Das sieht auch Professor Stefan Wurster von der Hochschule für Politik München so. Er warnt, dass ein ausgeloster Bürgerrat auch "zu Riesenfrust führen kann, und zwar dann, wenn sich trotz Bürgerbeteiligung nichts ändert und der Eindruck entsteht, der Rat und damit die Bürger*innen würden nur zum Schein befragt".
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