Sind Männerohren von Natur aus schlechter?
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Frauen hören besser als Männer - das zeigt eine neue Studie. Die Forscher testeten 450 Menschen weltweit. Doch was steckt hinter diesem natürlichen Unterschied?
Unser Gehör lässt im Alter nach. Das ist bekannt. Doch eine neue Studie zeigt: Auch das Geschlecht beeinflusst, wie gut wir hören. Frauen haben demnach im Durchschnitt ein um zwei Dezibel empfindlicheres Gehör als Männer. Das klingt nach wenig, ist aber messbar. Die Ergebnisse liefern "überzeugende Beweise" dafür, dass die Ohren von Frauen sensibler auf Geräusche reagieren.
Die Studie eines internationalen Forscherteams um die Evolutionsbiologin Patricia Balaresque von der Universität Toulouse wurde in der renommierten Fachzeitschrift Scientific Reports veröffentlicht. Für ihre Untersuchung führten die Wissenschaftler Hörtests bei 450 Personen aus dreizehn verschiedenen Bevölkerungsgruppen weltweit durch, darunter in Ecuador, England, Gabun, Südafrika und Usbekistan.
Mit einem speziellen Verfahren, den sogenannten transitorisch evozierten otoakustischen Emissionen (TEOAE), maßen sie die Empfindlichkeit der Hörschnecke im Ohr. Dabei zeigte sich in allen untersuchten Populationen: Frauen hören im Schnitt besser. Das Geschlecht beeinflusste die Hörempfindlichkeit sogar stärker als das Alter, der zweitwichtigste Faktor.
Hormone könnten Ursache für Hörunterschied sein
Doch woran liegt dieser geschlechtsspezifische Unterschied? Die Forscher vermuten, dass er auf die Hormonbelastung während der Entwicklung im Mutterleib zurückzuführen sein könnte. Diese beeinflusse möglicherweise die Bildung und Reaktion der winzigen Härchen in der Hörschnecke, die Schallwellen in elektrische Signale umwandeln. Männer und Frauen weisen zudem leichte anatomische Unterschiede in der Hörschnecke auf.
Auch bei anderen Hörtests und der Sprachwahrnehmung schneiden Frauen tendenziell besser ab. "Das deutet darauf hin, dass ihr Gehirn die Informationen auch besser verarbeiten kann", erklärt Turi King, Evolutionsbiologin an der britischen University of Bath und Mitautorin der Studie. Die genauen Ursachen müssen aber noch weiter erforscht werden.
Männer benötigen eher ein Hörgerät
Was bedeuten die Ergebnisse für die Praxis? Frühere Studien zeigen bereits, dass Männer mit dem Alter doppelt so schnell ihr Gehör verlieren wie Frauen – besonders bei hohen Frequenzen. Zusammen mit dem nun nachgewiesenen generellen Hörunterschied zwischen den Geschlechtern deutet das darauf hin: Männer benötigen im Alter eher ein Hörgerät als Frauen.
Die neuen Erkenntnisse könnten daher helfen, Hörhilfen besser auf die Bedürfnisse verschiedener Bevölkerungsgruppen zuzuschneiden. "Die Identifizierung der Faktoren hinter natürlichen Hörschwankungen wird unser Verständnis von Hörverlust und individuellen Unterschieden in der Lärmtoleranz verbessern", betont Studienleiterin Balaresque.
Umwelt beeinflusst Hörfähigkeit
Neben Alter und Geschlecht identifizierten die Forscher noch einen dritten wichtigen Einflussfaktor auf unser Gehör: die Umwelt. Menschen, die in Waldgebieten leben, hatten die höchste Hörempfindlichkeit, Bewohner von Höhenlagen die niedrigste. Auch zwischen Stadt- und Landbevölkerung gab es Unterschiede.
Eine mögliche Erklärung: In Wäldern ist Wachsamkeit überlebenswichtig, daher könnte sich das Gehör an die vielen natürlichen Geräusche angepasst haben. In Städten hingegen werden tiefe Frequenzen womöglich herausgefiltert, um Verkehrslärm auszublenden. In großen Höhen spielen der niedrigere Luftdruck und Sauerstoffgehalt vermutlich eine Rolle.
Welche genauen Mechanismen dahinterstecken, wollen die Wissenschaftler als nächstes untersuchen. Ihre Studie zeigt eindrücklich: Es gibt noch viel über unser Gehör zu entdecken. Dieses Wissen kann dabei helfen, Hörverluste besser zu verstehen und Hörgeräte weiterzuentwickeln – maßgeschneidert für die Ohren von Frauen und Männern.