Sind die Iran-Schläge der Rettungsring für Netanjahu?

Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu bei einem Treffen in Berlin

Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu bei einem Treffen in Berlin. Bild: photocosmos1 / Shutterstock.com

Eskalation mit dem Iran hat die Weltaufmerksamkeit vom Gaza-Krieg weggelenkt. Westen stellt sich wieder eng hinter Israel. Was folgt daraus? Eine Einschätzung.

Nach Berichten von israelischen Drohnenschlägen in der Nähe des iranischen Flughafens in Isfahan, auf dem sich militärische Anlagen und Kampfjets befinden, ist noch unklar, ob sich damit der Konflikt ausweitet oder nicht.

US-Offizielle haben den Angriff bestätigt und erklärten, dass man vorher davon in Kenntnis gesetzt worden sei.

Spiel mit dem Feuer

Korrespondent Peter Beaumont vom britischen Guardian spricht von einem "Spiel mit dem Feuer", während alte Regeln der Konfrontationslogik zwischen Israel und Iran über Bord geworfen würden und eine neue, unkalkulierbare Dynamik einsetze.

Die iranische Führung hat die Angriffe bislang versucht, herunterzuspielen. Die Drohnen seien abgeschossen worden. Ein hochrangiger iranischer Vertreter sagte am Morgen wenige Stunden nach dem Angriff gegenüber Reuters, dass der Iran keine Pläne für unmittelbare Vergeltungsmaßnahmen gegen Israel habe.

Auch wenn bisher unklar ist, wie sich der Konflikt entwickeln wird, eines wird jetzt schon deutlich: Es spielt dem israelischen Premierminister Benjamin Netanjahu in die Karten.

Noch vor wenigen Tagen waren die Meldungen gefüllt mit der sich ausbreitenden Hungersnot im Gazastreifen. Netanjahu stand unter Druck auch von der Biden-Regierung in den USA, ausreichende humanitäre Hilfe in das Gebiet zu lassen, einen Waffenstillstand zu verhandeln, die Geiseln auf diesem Weg zu befreien und Neuwahlen zuzulassen.

Kritik an Netanjahu wie weggeblasen

All die Kritik, die Missbilligung für das israelische Vorgehen sind nun wie weggeblasen.

Vor wenigen Wochen forderte der Mehrheitsführer des US-Senats, Chuck Schumer, Netanjahu zum Rücktritt auf. Demokratische Senatoren hatten begonnen, Biden aufzufordern, die Hilfe für Israel an Bedingungen zu knüpfen. Der Redaktionsausschuss der New York Times forderte das ebenfalls.

International gab es eine Resolution des UN-Sicherheitsrats über einen Waffenstillstand, den die Biden-Regierung mit ihrer Stimmenthaltung zum ersten Mal passieren ließ, auch wenn man klarstellte, dass man nichts gegen Israel unternehmen werde, um die Forderung umzusetzen.

Der UN-Weltgerichtshof in Den Haag kam nach der Klage Südafrikas zu dem Schluss, dass Israel plausibel Völkermord in Gaza betreibe und forderte die Regierung auf, Maßnahmen zum Schutz der Gaza-Bevölkerung umzusetzen, woran sich Israel nicht hielt, während die Kämpfe sogar noch verschärft wurden.

Westen wieder geschlossen hinter israelischer Regierung

International isolierte sich die Netanjahu-Regierung zunehmend, und mit ihr die Biden-Regierung, die sie bedingungslos unterstützt. Die EU erhöhte gleichzeitig den Druck auf Tel Aviv. Es hat, zum Teil erfolgreiche, Klagen gegen Waffenlieferungen in Unterstützerstaaten von Israel gegeben, auch in Deutschland laufen eine Reihe von ihnen.

Die Kriegsziele der israelischen Führung nach sechs Monaten unerbittlichen Bombens und Kämpfens, die Hamas auszulöschen, erweisen sich als gescheitert, menschlich katastrophal und irreal. Die Hamas zeigt sich als widerstandsfähig und die palästinensische Bevölkerung in Gaza hat sich keineswegs gegen sie aufgelehnt oder ist aus dem Streifen geflüchtet.

Es stand also vor dem Angriff Israels auf das iranische Konsulat in Syrien am 1. und der iranischen Vergeltung am 13. April schlecht um Netanjahu. Er befand sich zunehmend mit dem Rücken zur Wand, auch im eigenen Land.

Mit der Eskalation und dem Vergeltungsschlag Irans auf Israel, mit 300 Raketen und Drohnen im Einsatz, die jedoch sehr bewusst kaum Schäden erzeugten, rückte der Westen wieder geschlossen hinter Netanjahu. Die Eskalation lenkte die Aufmerksamkeit von Gaza und dem israelischen Debakel dort auf den Iran und die Bedrohung Israels durch Teheran.