Skandal-Fotos von Gefangenen in Gaza: EU-Experte warnte früh vor Propaganda aus Israel

Israelische Soldaten in Gaza: Warum wurden die Gefangenen fotografiert? Bild: idf.il

Dutzende Männer knien in Unterhosen in der Wüste. Kritik von UNO und Menschenrechtlern. EU hatte früh von Einflussnahme auf öffentliche Meinung gewarnt.

Die Meldung machte diese Woche die Runde: Dutzende Palästinenser waren auf Fotos und in Videos im Gazastreifen zu sehen, fast entkleidet und in kniender Position von israelischen Soldaten mit vorgehaltenen Waffen bewacht.

Die Gefangenen befanden sich in einer Wüstenregion, die Szene war aus 50 Metern bis 100 Metern aufgenommen. Einige Fotos zeigten die israelische Fahne im Vordergrund, was auf eine Inszenierung schließen lässt.

Seither wird spekuliert, wer die Fotos warum lanciert hat – und warum. Sollte es sich um israelische Kriegspropaganda handeln, dürften sich die Verantwortlichen verkalkuliert haben. Zumal aus EU-Dokumenten, die Telepolis vorliegen, hervorgeht, dass Experten in Brüssel früh vor israelischen Versuchen warnten, die öffentliche Meinung in westlichen Staaten zu beeinflussen.

Bereits wenige Tage nach dem Massaker islamistischer Milizen in Israel hatte ein führender Experte für "strategische Kommunikation" des Europäischen Auswärtigen Dienstes (EAD) Kernerkenntnisse einer Analyse über Propaganda der Nahost-Konfliktparteien vorgestellt.

Wenig überraschend legte der EU-Funktionär in einer vertraulichen Sitzung dar, dass nach dem 7. Oktober ein "stark erhöhtes Aufkommen an Desinformation" festzustellen sei.

Israelische "strategische Kommunikation" über Indien?

Überraschend war aber folgende Aussage: Es gebe bislang keine "koordinierten Desinformationsbemühungen" der Hamas in Europa.

In westlichen Staaten sahen die Experten des EAD für strategische Kommunikation, also Propaganda, jedoch eine Schwemme an proisraelischem Material. Diese Propagandainhalte seien in einem außergewöhnlichen Maße nach Indien zurückzuverfolgen. Die Vermutung: Experten der israelischen Seite spielen über Bande.

Der EU-Experte, der den Mitgliedsstaaten später einen Bericht zum Thema zukommen ließ, verwies in diesem Zusammenhang auch auf besonders reichweitenstarke Youtube-Kampagnen. Die bedienten sich oft eines drastischen Bildmaterials.

Die Darstellungen seien mitunter so brutal, dass sie von der Plattform gelöscht worden seien. Ein wiederkehrendes Narrativ seien angebliche Verbindungen der Hamas zum IS. Diese These der israelischen Seite, die Hamas sei dem "Islamischen Staat" gleichzusetzen, war auch in offenen Stellungnahmen wiederholt geäußert worden.

Tatsächlich versuchen nun beide Konfliktparteien, die aktuellen Bilder der palästinensischen Gefangenen für sich zu nutzen. In sozialen Netzwerken kursieren Postings, die die Fotos mit Aufnahmen der Terrormiliz Islamischer Staaten vergleichen.