Slowakei: AKW ohne Sicherheitsbehälter bekommt Betriebserlaubnis
Mochovce: Österreich kündigt Einspruch gegen Uraltmeiler sowjetischer Bauart an, der nicht dem Stand der Technik entspricht. Der Bau war von etlichen Skandalen begleitet
In Österreich ist man entsetzt darüber, dass der dritte Reaktorblock im slowakischen Atomkraftwerk Mochovce nun von der Atomaufsicht eine Betriebsgenehmigung erhalten hat. Das Projekt war noch 1978 in der Tschechoslowakei auf den Weg gebracht worden.
Das Land gibt es nicht mehr, aber der Nachfolger Slowakei will in Mochovce nun einen weiteren Atommeiler sowjetischer Bauart in Betrieb nehmen, der nur gut 100 Kilometer von Wien entfernt steht. Eigentlich müsste Brüssel gegen die Genehmigung vorgehen, meinen Politiker in Österreich, da die EU-Kommission schon 2008 festgestellt hat, dass der Bau nicht dem Stand der Technik entspricht, wie deren Stellungnahme deutlich macht.
Obgleich das Projekt mit den geltenden nationalen Vorschriften der Slowakischen Republik sowie internationalen Empfehlungen konform ist, hat die Kommission bei ihrer Bewertung auf die besten verfügbaren Methoden gestützt und eine Reihe zusätzlicher Maßnahmen empfohlen. Der Grund hierfür ist, dass die vom Investor vorgeschlagenen Reaktoren vom Typ WWER 440/V213 keine Volldruck-Containment-Struktur besitzen, wie sie bei der neuesten Auslegung von Kernkraftwerken, die in Europa geplant oder im Bau sind, verwendet wird.
EU-Kommission
Dass dieser Meiler über keinen Sicherheitsbehälter (Containment) verfügt, der bei einem Gau eine Kernschmelze auffangen und so die Umgebung des Atomkraftwerks schützen soll, ist nur eines der vielen Probleme. Deshalb hat für die österreichische Regierung auch die Klimaschutzministerin Leonore Gewessler eine "genaueste Prüfung" des Bescheids angekündigt. Sie verweist darauf, dass der dritte Atommeiler "bereits in der Vergangenheit aufgrund großer Baumängel immer wieder für Schlagzeilen gesorgt" habe.
Solange Bedenken bei den Sicherheitsstandards bestehen, darf das Kraftwerk keinesfalls in Betrieb genommen werden.
Leonore Gewessler
"In den letzten Jahren haben wir zusammen mit ehemaligen und aktiven Ingenieuren der Chaos-Baustelle Mochovce eine Vielzahl von technischen Problemen sowie Missmanagement aufgedeckt", betonte Reinhard Uhrig, Atom-Sprecher von Global 2000, gegenüber Telepolis.
Er verweist dabei unter anderem auch auf ein Video, das von einem Whistleblower durchgestochen wurde. Es zeigt, in welch schlechtem Zustand sich die Notstrom-Dieselgeneratoren befinden. Der Versuch der Inbetriebnahme endete in einer Explosion. Was passiert, wenn sie bei einem Unfall versagen und ein Reaktor nicht mehr gekühlt werden kann, wissen wir seit den Vorgängen in Fukushima nur zu gut.
Die Liste der Unregelmäßigkeiten, die Global 2000 aufführt, ist lang. Dokumentiert wurden Tausende "unkontrollierte Bohrungen mit bis zu 10 cm Durchmesser und ein Meter Tiefe in den Wänden der hermetischen Kammern des Reaktors", wie auch Beweisfotos zeigen. Sogar die Kriminalpolizei ermittelte wegen eines Verdachts auf Betrug und Korruption.
Auch die Atomaufsicht gab zu, dass Sicherheitszertifikate von Bauteilen gefälscht waren und an Hochdruckleitungen minderwertiges Material verwendet wurde. "Aufgrund der grassierenden Korruption ist kein Bauteil und noch nicht einmal ein als Zertifikat ausgegebenes Stück Papier zuverlässig", erklärt Uhrig.
Unbekannt sind solche Vorgänge in Ländern nicht, die wie Frankreich auf Gedeih und Verderb auf Atomkraft setzen. Teile mit gefälschten Zertifikaten von dort wurden nicht nur in Frankreich, sondern in vielen Reaktoren weltweit verbaut.
In Mochovce kommt zu allen Problemen aber auch noch das völlig veraltete Design und Sicherheitskonzept und dazu ein unzureichender Schutz gegen einen Flugzeugabsturz oder Terrorangriff.
Die slowakische Atomaufsicht will aber von all diesen Problemen nun nichts mehr wissen, sie hat ihrerseits versichert, dass der Erteilung der Betriebsgenehmigung eine umfangreiche Inspektions-, Kontroll- und Analysetätigkeit vorangegangen sei. Die sei in einem Umfang durchgeführt worden, der den gängigen Standard übersteige, welcher auch bei der Inbetriebnahme der ersten beiden Reaktorblöcke des AKW Mochovce angewendet wurde. Diese sind seit 2008 in Betrieb.
Geplant ist, dass auch Block 3 mit einer Leistung von eher bescheidenen 471 Megawatt noch vor Jahresende in Betrieb gehen kann. Man hofft bei den Betreibern, dass zwei Jahre später auch Block 4 in Betrieb gehen werde. Wie ebenfalls aus Frankreich oder Finnland bekannt, haben sich die Bauzeiten in der Slowakei enorm verlängert, wo die Kosten auch explodiert sind. Die beiden "neuen" Meiler sollten ursprünglich schon 2012 und 2013 ans Netz gehen. Statt Baukosten von weniger als drei Milliarden Euro wurden es schließlich fast sieben Milliarden.
Ob die Reaktoren tatsächlich in Betrieb gehen, ist aber unklar. Global 2000 hat angekündigt, Rechtsmittel gemeinsam mit slowakischen Organisationen einzulegen, wozu die Umweltorganisation nun zwei Wochen Zeit hat. "Im besten Fall muss der Reaktor auf den Stand der heutigen Technik gegen Flugzeugabsturz nachgerüstet werden - er liegt unter einem viel beflogenen Flugkorridor", erklärte Uhrig.
"Die Nachrüstung der sowjetischen Reaktoren aus den 1970er Jahren vom Typ WWER 440/213 ist aber technisch schwierig bis finanziell unmöglich - Verschrotten ist die beste Option", meint er.