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Smart zuschlagen

Be-Smart-Kampagnevideo. Screenshot: TP

Ein Kampagnenvideo gegen Handynutzung am Steuer offenbart eine fragwürdige Einstellung in Bezug auf Aggressionsdelikte im Straßenverkehr - unter Schirmherrschaft des Ministeriums für Verkehr

Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur Alexander Dobrindt hat die Schirmherrschaft für die Kampagne "Be smart" übernommen. Diese richtet sich gegen die Handynutzung am Steuer, die laut der Kampagnenseite "Blindflug am Steuer" bedeutet und "dramatische Folgen" haben kann. Zu den Partnern der Kampagne gehören Esso, der KS Auxilia Automobilclub, Logitech, die Mediengruppe RTL Deutschland, Samsung, Sortimo, VW und der Verband der Automobilindustrie. Initiatoren sind die TÜV Süd AG und Mobil in Deutschland e.V.

Der Schirmherr hat zu der Kampagne klare Worte gefunden, die sich wohlwollend und positiv zeigen:

Die Kampagne 'BE SMART!' leistet genau das: über die Gefahren aufklären, an die Vernunft appellieren, eine gemeinsame Überzeugung prägen. Ich habe daher gerne die Schirmherrschaft übernommen und wünsche dem Projekt viel Erfolg. Ich bin sicher, dass es einen wichtigen Beitrag zu mehr Verkehrssicherheit auf deutschen Straßen leisten wird.

Wie so oft, wirkt die Kampagne gut gemeint, aber weniger gut gemacht, insbesondere wenn ein Kampagnenvideo [1] nicht nur mit Klischees, sondern auch mit der Glorifizierung bzw. der Trivilialisierung von Aggressionsdelikten im Straßenverkehr hantiert.

Clevere Frau, dusseliger Mann

Der von der Kampagne selbst auf deren Webseite angebotene Spot "Ohrfeige" geizt nicht mit Klischees. Zwei Personen, beide jeweils einen VW fahrend, werden gezeigt. Eine davon ist weiblich, blond, trägt ein Sommerkleid und fährt ein Cabrio. Die andere, männlich, ist in ein hellblaues Businesshemd gewandet, nutzt ihr Handy exzessiv und verliert daher kurzfristig die Kontrolle über ihren Wagen, gewinnt diese jedoch wieder zurück.

Kurz darauf müssen beide halten. Die Frau sieht erneut zum Fahrer herüber, lächelt und fällt eine Entscheidung. Sie verlässt ihren PKW, geht auf schwarzen Stöckelschuhen zu dem weiterhin das Handy nutzenden Fahrer, lehnt sich so an seinen PKW, dass Einblick in ihren tiefen Ausschnitt gewährt wird. Der Mann lächelt erwartungsfroh, doch die Frau entwendet ihm lediglich das Handy, ohrfeigt ihn und wirft das Handy mit Schwung zurück in den Wagen. Sie entfernt sich vom dem Fahrzeug, der Mann reibt sich fassungslos die Wange und auf dem Handy erscheint das Logo der Kampagne "Be Smart".

Schon von Anfang an sind also die Rollen klar verteilt: hier der Businessmann, rücksichtslos und dauertelefonierend, natürlich sofort in den "Grinsemodus" verfallend, wenn sich eine attraktive Frau nähert, auf der anderen Seite die attraktive und "mitdenkende Frau", die natürlich weder telefoniert noch sich sonstwie beim Fahren ablenken lässt. Mit allen Attributen der erfolgreichen und attraktiven Frau versehen (Stöckelschuhe, wehendes Sommerkleid, Cabrio) zieht sie insofern die Sympathien auf ihre Seite, der Mann dagegen übernimmt die Rolle des "Schurken", des Unsympathen. Die Ohrfeige wie auch das spielerische Entwenden des Handys sollen lässig wirken, sollen Zeichen für Initiative sein - oder, um die Kampagnenbetreiber selbst zu zitieren, "an die Vernunft appelieren, eine gemeinsame Überzeugung prägen".

Doch welche Überzeugung soll hier geprägt werden? Und an welche Vernunft soll appelliert werden indem hier Aggressionsdelikte im Straßenverkehr als begrüßenswerte Initiative verkauft werden?

Aggressionsdelikte im Straßenverkehr - keine Kleinigkeit

Aggressionsdelikte sind seit langem ein Problem im Straßenverkehr, die Bandbreite reicht von Beleidigung über Drohung bis hin zu Nötigung, Sachbeschädigung und Körperverletzung.

Diverse Strafverfolgungsbehörden haben in den letzten Jahren auf die Probleme mit Aggressionsdelikten hingewiesen und bemühen sich, dass diese in der Öffentlichkeit nicht mehr als Bagatellen angesehen werden. Polizeioberrat Jürgen Fix aus Oberhausen, hatte hierfür im Jahr 2015 klare Worte [2] gefunden: "Das sind ernstzunehmende Straftaten."

Die Ohrfeige, von einer Frau gegenüber einem Mann ausgeführt, wird gerne einmal als belustigendes Element [3] nicht nur innerhalb von Filmen angesehen (wie auch der Tritt bzw. Griff in die Genitalregion eines Mannes). Anders als in der umgekehrten Konstellation wird sie nicht als Körperverletzung angesehen, sondern als "verdientes Verhalten", als richtige Reaktion auf vermeintlich sexistisches oder sonstiges als unangemessen empfundenes Fehlverhalten.

Als Aggressionsdelikt im Straßenverkehr sind Ohrfeigen keine Seltenheit, ebenso wenig wie Beleidigungen - nichtsdestotrotz sind beide alles andere als begrüßenswert, denn neben der reinen Einordnung als Straftaten sind sie auch ein Zeichen für die Bereitschaft, Selbstjustiz zu üben bzw. Gewalt als Element zur Disziplinierung und Kommunikation zu nutzen.

Einfach mal zuhauen

Wenn die Kampagne tatsächlich an die Vernunft appellieren will, wäre es insofern angemessen, in den Videos nicht Selbstjustiz, Körperverletzung und Sachbeschädigung zu glorifizieren, sondern, (wie z.B. im Spot "Zettel", bei dem die Frau ohne Ohrfeige auskommt und lediglich einen Zettel mit einem Hinweis auf die Kampagne übergibt) auf vernünftiges Agieren hinzuweisen. Auch wenn der Spot "Zettel" ebenso klischeehaft wirkt, verzichtet er wenigstens auf das Aggressionsdelikt der Ohrfeige.

Warum die einzelnen Partner, Initiatoren und auch der Schirmherr der Kampagne einen solchen Spot als geeignet ansehen, um auf die Gefahren der Handynutzung am Steuer hinzuweisen, bleibt ein Rätsel. Interessant wäre es gewesen, wenn der Spot auch mit umgekehrter Konstellation zur Verfügung gestanden hätte. Es ist kaum anzunehmen, dass ein Mann, der eine Frau ohrfeigt, weil sie im Auto telefoniert und die Kontrolle über das Auto verloren hatte, nicht zumindest zu Protest geführt hätte. Doch bisher hält sich der Protest bzw. die Thematisierung der fragwürdigen Aussage hinter dem Kampagnenvideo in Grenzen. Es dürfte noch lange dauern, bis auch Gewalt gegenüber Männern, von Frauen ausgeübt, nicht mehr als etwas Amüsantes angesehen wird.

Be-Smart-Kampagnevideo

URL dieses Artikels:
https://www.heise.de/-3757355

Links in diesem Artikel:
[1] https://www.youtube.com/watch?v=RUMYK390X3o
[2] https://www.derwesten.de/staedte/oberhausen/gewalt-im-strassenverkehr-hat-in-oberhausen-zugenommen-id10877879.html
[3] https://www.heise.de/tp/features/Maenner-als-Opfer-3395631.html