"So ein Riesenhuhn könnte noch nicht einmal gehen"

War der Tyrannosaurus Rex eine lahme Ente?

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Lahme

Schon lange ist Gegenstand wissenschaftlicher Debatten, ob der T. Rex, ohne Zweifel groß und furchteinflößend, auch schnell war. Manche der Paläontologen vertreten die Meinung, der Tyrannosaurus, mit seinen etwa 6000 Kilo Gewicht längst nicht der größte der Dinosaurier, habe eine Spitzengeschwindigkeit von über 70 km/h vorlegen können, andere halten 40 km/h für wahrscheinlicher.

Illustration: Luis Rey

Beide Schätzungen erschienen John Hutchinson und Mariano Garcia von der Berkely-Universität in Kalifornien recht hoch. In der heute erschienenen Ausgabe von Nature berichten sie über ein spezielles Computerprogramm für die Analyse von Tierbewegungen, mit dem sie das Verhältnis zwischen Körpervolumen und Muskelmasse hochrechnen konnten. Zuerst wurde die minimale Muskelmasse, die für schnelles Laufen gebraucht wird, bei Alligatoren und Hühnern, zwei der noch lebenden Artverwandten der zweibeinigen Dinosaurier, geschätzt. Das Ergebnis - dass Alligatoren nur die Hälfte der für Schnelligkeit benötigten Muskelmasse besitzen, während Hühner fast das Doppelte der nötigen Muskeln aufweisen - stimmt mit den in der Realität gemachten Beobachtungen überein.

Das hochgerechnete Muskelvolumen der Hinterbeine des Tyrannosaurus legt nahe, dass der berühmte Riese nur gehen, aber nicht rennen konnte. Die Beinmuskeln konnten nicht groß genug gewesen sein, um die Kräfte zu entwickeln, die ein Tier dieser Größe braucht, um schnell zu sein.

Groß, aber nicht kräftig

Mit wachsender Körpergröße kann die Muskelkapazität nicht in proportionalem Maß zunehmen. Die Kraft, die ein Muskel freisetzen kann, steigt weniger schnell an als das Körpergewicht, somit besitzen größere Tiere weniger Muskelkraft im Verhältnis zu ihrem Gewicht.

Umso größer Tiere werden, desto mehr Muskeln brauchen sie, um ihr Gewicht tragen zu können. Dadurch werden sie aber erst recht schwerer, und damit langsamer. Das Problem ist also, dass sie im Verhältnis zur reinen Körpermasse proportional mehr Muskeln zulegen müssten. Das ist ab einem gewissen Punkt nicht mehr leistbar. - So richtig hat bisher niemand darüber nachgedacht, wie viele Muskeln ein großes Tier wie der Tyrannosaurus eigentlich bräuchte, um auch hohe Geschwindigkeiten erreichen zu können. Eine Menge Diskussionen sind geführt worden über die Frage, ob die Knochen fest genug dafür waren, aber für mich ist die wichtigste Frage doch, ob die Muskeln überhaupt genug Kraft entwickeln konnten, um den Körper beim Rennen tragen zu können.

Hutchinson

Hutchinson und Garcias Berechnungen ergeben, dass ein auf 6 000 kg vergrößertes Huhn, um rennen zu können, Beinmuskeln bräuchte, die in etwa 99 Prozent seiner gesamten Körpermasse entsprächen - eine offensichtliche Unmöglichkeit. "So ein Riesenhuhn könnte noch nicht einmal gehen", so Hutchinson.

Wie schnell konnte also so ein 6000-Kilo-Dinosaurier werden? Bisherige Schätzungen über Schnelligkeit und Bewegungsmöglichkeiten von Dinosauriern und anderen ausgestorbenen Tieren waren rein spekulativ. Anhand der fossilen Spuren, die bislang entdeckt wurden, haben sich große zweibeinige Dinosaurier mit weniger als 5 m/s fortbewegt, was 18 Stundenkilometern entspricht. Natürlich ist es möglich, dass Spuren von schnelleren Tieren lediglich nicht erhalten sind oder noch nicht gefunden wurden. Mit ihren Hochrechnungen von Muskelmasse im Verhältnis zum reinen Körpergewicht können Hutchinson und Garcia keine exakte Höchstgeschwindigkeit für den T. Rex festlegen, schätzen die Sprinthöchstleistungen aber auf etwa 15, kurzfristig bis zu 40 Stundenkilometer ein.

(c) John Hutchinson

Jurassic Quark?

Schnell laufende große Dinosaurier sind nicht erst seit Jurassic Park eine weit verbreitete Vorstellung. Aber die Szene aus dem Film, in der der Tyrannosaurus ein Auto verfolgt, zeigt näher betrachtet gar keinen schnellen Jäger. Zwar nur mit knapper Mühe und im höchsten Gang fahrend kann der Jeep seinem Verfolger entkommen, was eine Geschwindigkeit von mindestens 70 Stundenkilometern nahelegt. Wenn man aber auf die Bewegungen des T. Rex achtet, fällt auf, dass immer einer der Füße auf dem Boden und auch die Schritte relativ langsam sind, weniger als zwei pro Sekunde. Wissenschaftler Stephen Gatesy von der Brown Universität kam zuerst zu der Schlussfolgerung - die dann auch von den Filmemachern bestätigt wurde - dass der T. Rex tatsächlich nur etwa 15 bis 25 km/h schnell läuft. Ein schnellerer Tyrannosaurus hätte laut der Filmemacher einfach "nicht richtig" ausgesehen. "Betrogen" wurde der Zuschauer also nur bei der Geschwindigkeit des von ihm gejagten Autos.

Jäger oder Aasfresser?

Während Fossilien Beweise darüber liefern, dass sich kleine Dinosaurier schnell fortbewegen konnten, sind bisher keine Hinweise darauf gefunden worden, dass große Dinosaurier das auch konnten. Das heißt noch nicht, dass der T. Rex auch zu langsam war, um Pflanzenfresser wie den Triceratops zu jagen, die, ebenso massig, vermutlich ähnlich schlechte Läufer waren. Entsprechende Überreste zumindest weisen darauf hin, dass der Tyrannosaurus andere große Dinosaurier gefressen hat, aber ob er sie auch tatsächlich vorher erlegt oder sich nur als Aasfresser betätigt hat, bleibt nach wie vor ungeklärt.

Zahnspuren an Knochen eines Opfers, das den Angriff eines Tyrannosaurus überlebt hat, könnten seinen Ruf als gnadenloser Jäger aller anderen Lebewesen beweisen. Solche schnellen Läufer, die einer Attacke entkommen konnten, müsste es gegeben haben. Derartige Knochenfunde sind aber bisher nicht gemacht worden.