So merken Sie die Energiewende an den Tankstellen

Große Ölkonzerne stoßen ihre Tankstellen ab.

Das Geschäft an und mit den Tankstellen ändert sich. Große Anbieter steigen zunehmend aus. Bild: andreas160578 auf Pixabay

Dem Verbrennungsmotor gehört nicht die Zukunft. Die großen Mineralölkonzerne ziehen sich zunehmend aus dem Geschäft mit Benzin und Diesel zurück. Was sich noch ändern wird.

Weltweit führt kein Weg an der Dekarbonisierung der Wirtschaft vorbei. Als Folge wird das Interesse an Investitionen in die Produktion von Brenn- und Kraftstoffen zurückgehen, welche auf fossilen kohlenstoffhaltigen Rohstoffen basieren. Mineralöl wird seine künftige Bedeutung hauptsächlich in der Petrochemie haben, nicht zuletzt, weil dort die Margen höher sind.

Während die Mineralölkonzerne im sogenannten Upstream-Bereich, also der Exploration und Förderung derzeit satte Gewinne einfahren, verlieren sie im Downstream. Die Umwandlung von Rohöl in Fertigprodukte und deren Vertrieb ist vergleichsweise dezentral, nicht über feste Pipelines versorgbar und kundennah.

Seit der Produkttransport per Schiff immer wieder am Niedrigwasser der deutschen Flüsse scheitert, erfolgt der Transport meist per Lkw über Vertragsspeditionen. Waren die Tankstellen früher vorwiegend mit Reparaturwerkstätten verbunden, hat sich dieser Teil des Marktes auf den Automobilhandel verlagert, der über die markenspezifische Technik verfügt. Die Allmarkenreparaturwerkstatt wird immer seltener.

Tankstellen werden Convenience Stores

Vor diesem Hintergrund erscheint es nachvollziehbar, dass sich die Mineralölkonzerne von ihrem Tankstellengeschäft trennen wollen. Die deutsche Mineralölwirtschaft mit Marken wie Dea, Aral oder Minol hat sich schon vor Jahren aus dem Geschäft zurückgezogen und wurde an ausländische Unternehmen verkauft. Jetzt folgt der nächste Ausstieg.

ExxonMobil und die österreichische OMV waren hierzulande die Ersten, die sich von ihrem deutschen Tankstellennetz getrennt haben. Käufer war der englische Händler EG Group, bei dem Mineralölprodukte nur etwa die Hälfte seines Geschäfts ausmachen.

Diese beiden Mineralölmarken haben damit ein vergleichbares Modell der norwegischen Statoil zum Vorbild genommen, welche ihr Tankstellennetz in Skandinavien und Osteuropa 2012 an den kanadischen Händler Alimentation Couche-Tard verkauft hatte, der sie jetzt unter dem Namen ″Circle K″ betreibt. Inzwischen kommt Circle K auch nach Deutschland, wo man die Tankstellen der französischen Total Energies übernimmt.

Unter Druck gerät damit die Lekkerland SE, die schon seit Jahrzehnten praktisch alle Tankstellenshops mit Convenience-Food und Unterwegs-Versorgung beliefert und die seit 2011 unter der Marke ″Rewe to go″ Shops an zentralen Verkehrsknoten wie Bahnhöfen betreibt.

Seit 2016 hat man eine langfristige Kooperation mit Aral geschlossen. Auf der Lauer liegt derzeit die US-Marke 7Eleven, die japanischen Investoren gehört und in Asien weit verbreitet ist. Ihr wird schon seit geraumer Zeit nachgesagt, dass sie ein Auge auf den deutschen Markt für Convenience Stores geworfen hat.

Mineralölraffinerien schlägt das Totenglöckchen

Nach den Tankstellen kommt der Ausstieg aus dem Raffineriebetrieb. Vor dem Hintergrund der politisch gewünschten Dekarbonisierung ist er nicht unerwartet. Dabei hatte das Raffineriesterben in Deutschland schon in den 1980er-Jahren begonnen, als die ersten Überkapazitäten vom Markt genommen wurden.

Damals wurde aus Kostengründen auch die direkte Lieferverbindung zwischen den Raffinerien und den Tankstellenketten aufgegeben und jede Tankstellenkette kaufte die standardisierten Kraftstoffe bei der nächstgelegenen Raffinerie. Da gleichzeitig der Transport von der Raffinerie zur Tankstelle ausgelagert wurde, fiel das in der Praxis auch nicht auf.

Die Zahl der Raffinerien, die in Deutschland Kraftstoffe und Heizöl produzieren, ist derzeit wieder rückläufig. Nicht alle Investitionen haben die politischen Wetterumschwünge überstanden. Die 50-prozentige Beteiligung von Petróleos de Venezuela (PDVSA) an der Ruhr Oel Raffinerie in Gelsenkirchen fiel den von den USA ausgelösten Sanktionen zum Opfer und wurde 2011 von Rosneft übernommen. 2015 übernahm BP die Raffinerie im Ruhrgebiet zu 100 Prozent. Das Werk wurde in den 1930er-Jahren als Werke Horst und Scholven in Gelsenkirchen zur Kohlehydrierung gegründet.

Einen zweiten Raffineriestandort betreibt die BP Europa SE, die nach der Übernahme der Aral in Deutschland unter diesem Namen auftritt, in Lingen im Emsland, wo seit 1953 Rohöl zu Kraftstoffen, Kerosin, leichtem Heizöl und Chemieprodukten verarbeitet wird. Seit 2022 produziert diese Raffinerie jedoch auch nachhaltigen Flugkraftstoff (Sustainable Aviation Fuel/SAF) aus gebrauchtem Speiseöl im sogenannten ″Co-Processing″-Verfahren.

Der frühere Ölmulti Shell versteht sich heute nicht mehr als Mineralölkonzern und will in Deutschland nach dem Kauf von Sonnen in Wilpoldsried, Next Kraftwerke in Köln und der Berliner Ubitricity zum Marktführer bei den Erneuerbaren werden und sich aus der Mineralölverarbeitung zurückziehen. Bis 2050 will man ein klimaneutral sein.

Transformation des Ölriesen Shell

So wurde der Raffineriestandort Hemmingstedt 2010 an die US-amerikanische Klesch Group abgestoßen, während die Raffinerie Großmehring bei Ingolstadt schon 1982 stillgelegt wurde. Die Shell-Raffinerie in Hamburg-Harburg auf der Hohen Schaar wurde im Winter 2015/16 an die schwedische Nynas abgegeben worden, die jedoch in der Folge der Sanktionen gegen Venezuela ins Straucheln geriet. Die ehemalige Vollraffinerie wurde zu einer Spezialitätenraffinerie umgerüstet, von der große Teile derzeit ohne Produktion im Stand-by betrieben werden.

Für die Shell-Standorte Wesseling und Godorf, die unter dem Namen Rheinland-Raffinerie bekannt sind, kommt 2025 das Ende der Mineralölverarbeitung. Aus der Raffinerie Rheinland wurde als Konsequenz der Shell Energy and Chemicals Park Rheinland. Shell will Rohöl zumindest bei Köln konsequent durch Biomasse ersetzen. So soll Biogas aus Gülle Diesel im Lkw-Tank ersetzen.

Deutschland hat ein Gülleproblem. Statt die Gülle auf die Felder auszubringen und das Grundwasser zu belasten, kann man sie vergären lassen und daraus ein dieselähnliches Produkt herstellen. Die Umstellung im Rheinland soll ohne Arbeitsplatzverluste gelingen.

Die Shell-Beteiligung an der Mineralölraffinerie Oberrhein (Miro Raffinerie) in Karlsruhe steht derzeit nicht zur Debatte. Die Beteiligung an der Raffinerie in Schwedt will man an die zur estnischen Liwathon-Gruppe gehörende Alcmene verkaufen. Der russische Rosneft-Konzern hatte ein Vorkaufsrecht geltend gemacht. Konnte sich damit jedoch bislang nicht durchsetzen. Rosneft hatte seine Beteiligung an Schwedt zuvor durch die Übernahme der Anteile der französischen Total aufgestockt. Der französische Energieversorger Total Direct Energie besitzt in Deutschland heute noch den Raffineriestandort in Leuna.

Rosneft aus dem Geschäft gedrängt

Rosneft ist Mehrheitsaktionär in Schwedt und darüber hinaus an der Miro in Karlsruhe sowie an den Raffinerien in Vohburg und Neustadt beteiligt und hatte einen maßgeblichen Anteil an der deutschen Kraft- und Brennstoffversorgung.

Heute stehen die deutschen Rosneft-Tochtergesellschaften unter der treuhänderischen Verwaltung der Bundesnetzagentur (BNetzA). Zum aktuellen Stand der Treuhandschaft äußerte sich ein Sprecher der BNetzA auf Anfrage von Telepolis:

Die aktuelle Anordnung der Treuhandverwaltung der Bundesnetzagentur wurde vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz bis zum 10. September 2023 befristet. Die Anordnung der Treuhandverwaltung kann verlängert werden, sofern die Voraussetzungen – insbesondere die Notwendigkeit einer Sicherstellung der von der Rosneft Deutschland GmbH bzw. der Rosneft Refining & Marketing GmbH im Sektor Energie zu erfüllenden Aufgaben - weiterhin vorliegen (§ 17 Energiesicherungsgesetz).

Minderheitsgesellschafter in Schwedt, Vohburg und Neustadt ist die italienische Eni. Bei den Raffinerien in Vohburg und Neustadt ist Rosneft zudem Partner der Schweizer Varo Energy aus Cham, die jeweils 51 Prozent der Anteile hält. Komplettiert wird die bayerische Raffinerielandschaft durch den Raffineriestandort Burghausen des österreichischen Erdöl-, Erdgas- und Chemiekonzerns OMV.

Die Miro-Raffinerie in Karlsruhe teilen sich Rosneft (BNetzA), Shell, ExxonMobil und die US-amerikanische Phillips 66. Für ExxonMobil ist die Miro die letzte Raffineriebeteiligung in Deutschland. Die ursprünglich von Esso betriebene Raffinerie Ingolstadt zählt heute zur Schweizer Gunvor. Auch die Hamburger Raffinerie Holborn geht auf einen ehemaligen Standort der damaligen Esso zurück und gehört heute über die niederländische Oilinvest zur libyschen Tamoil.

Jetzt steht die Bundesregierung vor dem Dilemma, dass sie einerseits eine Dekarbonisierung der Wirtschaft anstrebt und anderseits glaubt sicherstellen zu müssen, dass die Versorgung mit fossilen Treibstoffen so lange gesichert wird, bis die Transformation gelungen ist.

Wenn sich nun die ehemals großen Player aus dem deutschen Raffineriegeschäft zurückziehen, könnte der Bundesregierung die Rolle als Lumpensammler der verbliebenen Reste zur Absicherung der deutschen Automobilindustrie zufallen.

Tod der Euro-7-Norm und das Ende der Verbrenner

Noch vor wenigen Jahren wurde in deutschen Wirtschaftskreisen behauptet, dass jeder siebte Arbeitsplatz vom Auto abhänge, auch wenn diese Berechnung nie schlüssig belegt wurde. Sie sorgte jedoch in der Politik für Eindruck und bescherte der Branche weitgehende Narrenfreiheit. Ihre Verehrer findet die deutsche Automobilwirtschaft heute vorwiegend bei den Stammtischen und der FDP.

Die Verhinderung der Euro-7-Norm, die deutlich weniger streng gewesen wäre als die chinesische 6b-Norm, verschafft den europäischen Herstellern allenfalls eine kurze Atempause, aber keine Zukunft. Die lange belächelten chinesischen Hersteller haben die Erkenntnis, dass sie den Rückstand bei den Verbrennungsmotoren nicht aufholen können, zum Anlass genommen, auf Elektrofahrzeuge zu setzen.

Im ersten Schritt waren es batterieelektrische Modelle, dann folgten Brennstoffzellen und zeitversetzt kommen nun Elektrofahrzeuge auf die Straße, die derzeit noch in aller Ruhe lernen, sich im Stadtverkehr zurechtzufinden.

Verzögert wird diese Entwicklung derzeit nur durch den Mangel an Hochleistungschips, die aus politischen Gründen ebenso wenig nach China geliefert werden dürfen wie die für die Produktion notwendigen Maschinen.

Fehlende Innovationsfreude und Mutlosigkeit lassen Europa zur automobilen Resterampe verkommen. Ob die Arbeitsplätze, die ein Carl Benz Freilichtmuseum bieten könnte, für ausreichend Beschäftigung sorgen, darf bezweifelt werden.

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