Solarboom in China: Läuft Europa erneut in die Protektionismus-Falle?

Solardach-Installation in Shanghai. Bild: Jiri Rezac / CC BY-NC-SA 2.0

Energie und Klima – kompakt: Die EU will Zölle gegen chinesische PV-Importe erheben. Das schadet deutschem Handwerk und dem Klimaschutz. Schon früher hat man damit massiv Arbeitsplätze vernichtet.

Des Sonntags wird immer gerne davon geredet, dass alle Staaten zusammenarbeiten müssten, um der globalen Klimakrise noch Herr zu werden. Der Alltag sieht indes oft anders aus. Da werden nicht nur mit aller Macht Konflikte und Konfrontation geschürt, da stört man sich auch in Westeuropa immer mehr an chinesischen Importen, die helfen könnten, den Ausstieg aus den fossilen Brennstoffen zu beschleunigen.

Die Elektroautos machten, wie berichtet, kürzlich den Anfang, nun geht es mal wieder gegen Solarmodule aus China, die dort inzwischen in gigantischen Stückzahlen hergestellt werden. China liefert inzwischen 75 Prozent der weltweiten Jahresproduktion an Solarmodule und sein Weltmarktanteil bei den Vorprodukten wie polykristallines Silizium und Wafer ist noch größer.

Naheliegend, dass diese durch die Massenproduktion besonders günstig sind. Dennoch rufen die wenigen verbliebenen hiesigen Hersteller mal wieder "Foul". Einige Produzenten in der EU stünden aufgrund billiger Importe aus China vor dem Bankrott, schrieb die Financial Times kürzlich. Entsprechend werden erneut die Rufe nach Strafzöllen und Ähnlichem laut.

Während in Deutschland 2011 mit dem abrupten Abwürgen des Heimatmarktes der einst weltweit führenden Solarindustrie der Teppich unter den Füßen weggezogen und 80.000 Arbeitsplätze vernichtet wurden, hat Beijing (Peking) schon vor zwölf Jahren die strategische Bedeutung der Branche erkannt. 50 Milliarden US-Dollar (47,2 Milliarden Euro) wurden im Land der Mitte seit 2011 in die Herstellung von Solarmodulen und deren Vorprodukte investiert, das Zehnfache dessen, was in Europa in diesen Sektor floss.

Nachzulesen ist das in einem Bericht der Internationalen Energie Agentur (IEA) aus Paris, die seit den 1970er-Jahren im Auftrag der Organisation für Entwicklung und Zusammenarbeit (OECD) die globalen Energiemärkte beobachtet und analysiert.

In China ist man über die wachsenden Spannungen nicht erfreut. Nachdem EU-Chefin Ursula von der Leyen aufgrund französischen Drucks ein Prüfverfahren für Strafmaßnahmen gegen chinesische Elektroautos angekündigt hat, und nun auch noch die Frage nach Maßnahmen gegen die Einfuhr chinesischer Solarmodule im Raum steht, musste sich EU-Handelskommissar Valdis Dombrovskis dieser Tage Einiges anhören, als er in Beijing mit Chinas Vize-Premier He Lifeng zusammentraf.

He brachte Chinas Unwillen über eine ganze Reihe von handelspolitische Maßnahmen zum Ausdruck, die die Volksrepublik als hauptsächlich gegen sich gerichtet sieht, schreibt die in Hongkong erscheinende South China Morning Post. Er hoffe, dass die EU vorsichtiger agiere und ihre Märkte offen halte.

Als Zehntausende Solar-Jobs über die Wupper gingen

Eigentlich könnte man es wissen. Die EU hatte schon einmal, und zwar zwischen 2013 und 2018, für chinesische Solarmodul-Importe faktische Beschränkungen eingeführt. Fünf Jahre lang wurden mit einem Mindestpreis für neue Solaranlagen deren Kosten künstlich hochgehalten. Zugleich wurde in Deutschland, dem bis dahin weltweit wichtigsten Markt, die Förderung für neue Anlagen abrupt und drastisch gesenkt. Begründung: Der Solarstrom wäre zu teuer.

Das Ergebnis dieser schizophrenen Industriepolitik war desaströs: Nicht nur in der jungen Solarindustrie, sondern auch im Handel, im Handwerk und bei den Herstellern von Wechselrichtern wurden Zehntausende Arbeitsplätze vernichtet und technisches Know-how in alle Winde verstreut.

Eigentlich logisch, dass man angesichts solcher Politik unbedingt einen externen Sündenbock braucht, auf den man die Schuld schieben kann. Vermeintliche oder tatsächliche chinesische Subventionen bieten sich da immer wieder an, wenn man nicht über die eigenen Fehler – und die eigenen klimaschädlichen Subventionen – sprechen will.

Überhaupt stellt sich die Frage, weshalb Europa sich aufregen sollte, wenn China tatsächlich seine Solarindustrie subventioniert. Immerhin würde damit chinesisches Kapital transferiert, das hiesigen Anlagenbesitzern zugutekäme. Außerdem sind Solaranlagen inzwischen so billig, dass der größere Teil der mit ihrer Installation verbundenen Wertschöpfung ohnehin im Handwerk und bei den Herstellern der zusätzlichen Ausrüstung anfallen. Günstige chinesische Importe sind also eine Form der Förderung der hiesigen Wirtschaft.

Vor allem aber sind günstige Solaranlagen Voraussetzung für einen möglichst raschen Umbau der Energieversorgung. Insbesondere natürlich in Verbindung mit mehr Speichermöglichkeiten, aber auch hier sollten wir froh über die chinesische Industriepolitik sein.

In der Volksrepublik wurde nämlich schon frühzeitig die strategische Bedeutung der Akku-Technik erkannt und massiv in Entwicklung und den Aufbau von Massenproduktion investiert. Entsprechend sind in den vergangenen etwas mehr als zehn Jahren die Kosten um über 80 Prozent gesunken.

Wobei China übrigens anders als Europa nicht einseitig auf Lithium-Ionen-Akkus setzte, sondern, wie berichtet, auch Produkte mit weniger problematischen Rohstoffen entwickelt.

Von all dem abgesehen haben chinesische Unternehmen längst begonnen, in anderen Ländern Solarfabriken aufzubauen. So spielen inzwischen Solarzellen in Vietnam und Malaysia eine wichtige Rolle im Außenhandel. Die EU müsste also auch gegen diese Länder vorgehen, wenn sie kostengünstige Importe eindämmen wollte.

Das würde wiederum Probleme mit der Asean, der Allianz Südostasiatischer Nationen, heraufbeschwören, die sich in den letzten Jahren ebenfalls zu einem wichtigen Handelspartner der Union gemausert hat.

Man könnte also fragen, ob die EU gerade in die Protektionismus-Falle läuft, und dabei ist, nicht nur dem Klimaschutz, sondern auch der eigenen Außenwirtschaft zu schaden.