Sondervermögen: Experten sehen Spielraum für zwei Billionen Euro

Bernd Müller
Porträtfoto von Friedrich Merz

Friedrich Merz könnte mit den neuen Sondervermögen Deutschland zu neuem Glanz verhelfen. Oder die politische Mitte zerstören.

(Bild: penofoto / Shutterstock.com)

Die Schuldenbremse steht vor historischer Reform. CDU und SPD wollen Militärausgaben von der Regelung ausnehmen. Ökonomen sehen Spielraum für deutlich mehr neue Kredite.

CDU und SPD haben es eilig, die Schuldenbremse aufzuweichen. In der kommenden Woche soll der Bundestag über neue Rüstungsausgaben in faktisch unbegrenzter Höhe entscheiden. Am 21. März soll das neue Gesetz dann in den Bundesrat kommen.

Geplant ist, die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse aufzuweichen. Ausgaben für das Militär, die über einem Prozent des Bruttoinlandsprodukts liegen, sollen künftig ausgenommen werden. Eine Obergrenze ist nach aktuellen Informationen nicht vorgesehen. Es wird aber davon ausgegangen, dass diese Regelung ermöglichen würde, pro Jahr weitere 43 Milliarden Euro an Sonderausgaben für das Militär zu gewährleisten.

500 Milliarden Euro Sondervermögen für marode Infrastruktur

Mit einem weiteren schuldenfinanzierten "Sondervermögen" im Umfang von rund 500 Milliarden Euro soll die Infrastruktur in der Bundesrepublik wieder auf Vordermann gebracht werden. Mit Blick auf marode Brücken und ein katastrophal vernachlässigtes Schienennetz sind diese Investitionen dringend geboten.

Allein die Ankündigung dieses Pakets hat in zahlreichen Konzernzentralen die Sektkorken knallen lassen. Die Aktienkurse von zahlreichen Unternehmen, die im deutschen MDAX-Index gelistet sind, machten einen Sprung nach oben. Die Kurse des Industriedienstleisters Bilfinger und des Bauunternehmens Hochtief legten um 18 und 16 Prozent zu. Beim Lkw-Hersteller Traton ist seitdem die Stimmung gut, berichtet Bloomberg, und auch Wacker Chemie wird als großer Profiteur der neuen Sonderschulden gehandelt.

Privathaushalte gehörten bislang nicht zu den Gewinnern der neuen Politik. Anleger flüchteten aus Bundesanleihen, was die Kurse fallen und die Renditen steigen ließ. Bei den Bürgern kommt dies in Form von steigenden Bauzinsen und teureren Konsumentenkrediten an.

CDU-Chef Friedrich Merz hat diese Wende eingeleitet, mit der die Schäden durch jahrelange Sparmaßnahmen behoben werden sollen. Bloomberg stellt ihn schon auf eine Stufe mit dem früheren Kanzler Helmut Kohl (ebenfalls CDU), dem eine herausragende Rolle bei der deutschen Wiedervereinigung zugeschrieben wird. Vorausgesetzt natürlich, Merz gelingt diese Wende.

Sollte er hingegen versagen, könnte er als Zerstörer der politischen Mitte in die Geschichtsbücher eingehen. Denn dann, so heißt es bei Bloomberg, würde er wohl den weiteren Aufstieg der rechtspopulistischen Alternativen für Deutschland (AfD) bewirken.

Ökonomen geben grünes Licht für neue Schulden

Während Merz auch aus den eigenen Reihen mit Kritik umgehen muss, weil er neue Schulden aufnehmen will, bleiben Ökonomen gelassen. Deutschland könnte in den kommenden zehn Jahren rund zwei Billionen Euro Schulden aufnehmen, ohne das Risiko einzugehen, das Wachstum zu beeinträchtigen, ergab eine Umfrage der Financial Times (FT) unter Ökonomen der Eurozone.

Das setzt allerdings ein nominales Wachstum des deutschen Bruttoinlandsprodukts von zwei Prozent im Jahr voraus. Bis 2035 könnte das BIP von 4,3 auf 5,4 Billionen Euro steigen. Diese Schätzung wird noch als konservativ angegeben.

Offen ist natürlich, ob dieses Wachstum auch gelingt. Denn das eigentliche Problem Deutschlands bestehe darin, dass die deutsche Wirtschaft von "hochentwickelten, aber alten Industrien" dominiert werde, wird ein Ökonom von der FT zitiert. Die deutsche Industrie stecke in einer "mittleren Technologiefalle", erklärte eine weitere Ökonomin. Was sie damit meint: Am Standort Deutschland müssten innovative Unternehmen für Zukunftstechnologien angesiedelt werden.

Billionen-Schulden: Steuerzahler tragen die Last

Neue Schulden können nicht nur die Wirtschaft ankurbeln, sondern auch den Steuerzahler belasten, besonders wenn die Gelder in unproduktive Bereiche wie das Militär fließen. Denn eines Tages müssen sie zurückgezahlt werden.

Und der Staatshaushalt wird in den kommenden Jahren schon mit der Rückzahlung der enormen Summen belastet, die zur Bekämpfung der Corona-Pandemie als Schulden aufgenommen wurden. Wie das Bundesfinanzministerium in einem Bericht festhält, werden ab dem Jahr 2028 Raten in Höhe von 12,2 Milliarden Euro fällig. Bis 2058 muss demnach gezahlt werden.

Für die Rückzahlung der neuen Sonderschulden dürften allerdings höhere Beträge fällig werden. Schließlich beträgt die nun veranschlagte Kreditsumme rund eine Billion Euro und ist damit etwa dreimal so groß wie die Corona-Schulden.

Die geplante Reform der Schuldenbremse ist also ein Drahtseilakt. Sie bietet die Chance, Deutschland zu modernisieren, birgt aber auch Risiken für die Steuerzahler und den Zusammenhalt der Gesellschaft. Entscheidend wird sein, wie die Billionen-Schulden eingesetzt werden und ob es gelingt, die Wirtschaft damit zukunftsfähig aufzustellen.