Sonderzone für Erneuerbare Energien in Ostdeutschland
- Sonderzone für Erneuerbare Energien in Ostdeutschland
- Die Ausgestaltung einer Regenerativ-Sonderzone
- Energiespeicherung und Netzausbau
- Nutzungskonflikte, Akzeptanz und Lösungsmöglichkeiten
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Ein Vorschlag für ein räumlich hoch konzentriertes Großprojekt, das eine Alternative zum bestehenden Regionalismus in der Praxis regenerativer Energieerzeugung bietet
Trotz des oberflächlichen Konsenses für die Umstellung auf ein regeneratives Energiesystem werden ambitionierte Großprojekte hierzulande derzeit ausschließlich in Form der Offshore-Windparks realisiert. Und so schreitet die Elektrizitätserzeugung aus erneuerbaren Energiequellen mit jährlich lediglich etwa einem Prozentpunkt Zuwachs voran. Bei dieser Geschwindigkeit würde es noch über 70 Jahre dauern, bis eine vollständige regenerative Stromerzeugung realisiert wäre. Und dann blieben noch die Umstellung des Verkehrssystems und der Wärmeerzeugung auf erneuerbare Energien.
Mit einer einzigen Regenerativ-Sonderzone könnte auf einen Schlag ein Fünftel des nationalen Strombedarfs gedeckt werden. Im Folgenden soll erläutert werden, wie eine solche Sonderzone in strukturschwachen Gebieten Ostdeutschlands realisiert und konkret ausgestaltet werden könnte.
Ansätze einer zukunftsorientierten ländlichen Entwicklung
Welche Zukunft steht den ländlichen Regionen Ostdeutschlands bevor? Demographisch betrachtet wird sie aller Voraussicht nach ziemlich menschenleer sein. Das Statistische Bundesamt rechnet mit einem Rückgang der Bevölkerung um knapp ein Drittel bis zum Jahr 2060. Die ostdeutschen Bundesländer wissen um diese Zahlen und erkennen weitgehend an, dass diese Entwicklung trotz verschiedener staatlicher Bemühungen wohl nicht grundlegend aufzuhalten sein wird.
Vier Möglichkeiten, mit dem Problem der Entvölkerung ganzer Landstriche umzugehen, sind vorstellbar:
- Die demographische Entwicklung wird anerkannt und es wird versucht, durch verschiedene Maßnahmen, z.B. durch Strukturanpassungen des Zentrale-Orte-Musters, die Auswirkungen abzufedern.
- Eine massenhafte Immigration von Ausländern nach Ostdeutschland wird vorangetrieben, um den demographischen Trend umzukehren
- Dörfer und ländliche Regionen nutzen den Umbau des Energiesystems hin zu erneuerbaren Energien für ihre Eigenversorgung und für die ökonomische Stabilisierung
- Die Entvölkerung wird für den massiven Ausbau der erneuerbaren Energien zur Versorgung der Ballungsgebiete genutzt. Zu diesem Zweck wird eine oder werden mehrere Regenerativ-Sonderzonen errichtet.
Die zuständigen Ministerien der betroffenen Bundesländer verfolgen im Großen und Ganzen Ansatz Nr. 1, also "Weitermachen und Hoffen, dass alles nicht so schlimm wird". Ansatz Nr. 2 wird im allgemein eher immigrations- und ausländerfeindlichen politischen Klima nicht umsetzbar sein. Ansatz Nr. 3 klingt auf den ersten Blick überzeugend, reicht aber nicht aus. Warum soll hier erörtert werden:
In der Folge der UN-Agenda 21 seit den 1990er Jahren und der sogenannten Lokalen Agenda 21 bekam die bundesdeutsche Regionalpolitik neuen Schwung und es entstanden und entstehen seither eine Vielzahl regionaler nachhaltigkeits- bzw. ökologieorientierter Entwicklungs- und Energiekonzepte. Die konsequenteste Form sind hierbei Energie-Autarkie-Regionen, z.B. sogenannte "Bioenergie-Dörfer", die sich durch den Einsatz erneuerbarer Energien selbst versorgen.
Solche Ansätze sind zwar lobenswert und deuten in die richtige Richtung, leider taugen sie nur bedingt zur regenerativen Vollversorgung der Städte und Ballungsräume, in denen nun einmal der allergrößte Teil der Bevölkerung lebt. Neben der bestehenden Kleinstaaterei und einer ausschließlichen Fixierung auf das Lokale und Ländliche muss der Blick aber für das große Ganze geweitet werden. Nur dann können die nationalen Zielvorgaben für die Umwandlung des Energiesystems erreicht werden. Da erneuerbare Energien hierzulande sehr viel mehr Raum benötigen, als etwa Atom- und Kohlekraft, müssen die ländlichen Regionen zwangsläufig zu Stromlieferregionen für die Städte werden. Ob das nun gefällt oder nicht.
Eine Regenerativ-Sonderzone hat hier den Vorteil, dass nicht der gesamte ländliche Raum für erneuerbare Energien "umfunktioniert" werden muss, sondern nur einige, besonders wenig genutzte Gebiete. Die Idee einer Sonderzone stellt sich vor allem dem Ansatz Nr. 1 entgegen und will Ergänzung zum Ansatz Nr. 3 sein.
Bevor über das Wie, also über die Ausgestaltung einer solchen Sonderzone nachgedacht werden kann, muss zunächst das Wo erörtert werden. Schließlich ist die hohe Konzentration nur einer privilegierten Landnutzungsart regenerativer Energieerzeugung in einem Gebiet, in dem bereits andere Landnutzungen vorherrschen, schwierig zu realisieren.
Fragen der Standortfindung
Das Suchgebiet für eine Regenerativ-Sonderzone soll sich aus zweierlei Gründen auf Ostdeutschland beschränken. Zum einen leiden ostdeutsche Bundesländer, (insbesondere im ländlichen Norden) unter massiven Bevölkerungsverlusten. Zum anderen besteht eine verhältnismäßig sehr geringe Bevölkerungsdichte von häufig nur etwa 50 Personen pro km2. Die Nutzungskonkurrenz durch Industrie, Gewerbe und Wohnen ist daher vergleichsweise gering und die Zukunftsperspektiven sehen dunkel aus. Es muss nach Konzepten gesucht werden, die negative Entwicklung in diesen Regionen aufzufangen oder die Region anderweitig nutzbar zu machen.
Um in Ostdeutschland einen oder mehrere am besten geeignete Standorte für eine solche Sonderzone zu finden, bietet es sich an, eine Vielzahl unterschiedlicher statistischer, politischer und naturräumlicher Indikatoren als Grundlage zu verwenden. Mit Hilfe einer Heuristik, also einer groben, rechnerischen Suchmethode bestehend aus gewichteten Faktoren, soll die Standortfindung so weit wie möglich objektiviert werden.
Welches Kriterienbündel mit welcher Gewichtung für eine Regenerativ-Sonderzone sinnvoll erscheint, ist in der Abbildung 1 dargestellt.
Die Nutzungskonkurrenz fließt als stärkster Faktor ein. Schließlich steht und fällt die Realisierung einer Sonderzone mit diesem Faktor. Fragen der Akzeptanz, der allgemeinen politischen Landschaft und der Demographie spielen eine große Rolle, da in einer funktionierenden Demokratie nichts gegen die Bevölkerung durchgesetzt werden kann (und darf). Die demographischen Faktoren geben darüber hinaus einen Hinweis auf die mit der Zeit zunehmende Eignung der Gebiete - etwa durch eine natürliche Entsiedlung als Folge des Bevölkerungsrückgangs und der Abwanderung. Die naturräumlichen Faktoren spielen vor allem bezüglich der durchschnittlichen Windgeschwindigkeit eine Rolle.
Neben den hier dargestellten Faktoren gehen noch die allgemeine Bewertung der Raumplanung und des bisherigen Ausbaus der erneuerbaren Energien auf Landesebene als zwei kleinere Faktoren ein. Hiermit soll berücksichtigt werden, wie günstig das jeweilige politische Klima für eine Regenerativ-Sonderzone ist.
Die rechnerische Auswertung der Heuristik erfolgt auf Kreisebene, da dies die kleinste administrative Ebene ist, auf der fast alle relevanten, staatlich erfassten Statistiken verfügbar sind. Herausgenommen wurden lediglich die kreisfreien Städte, da sie für die Errichtung der hier vorgestellten Sonderzone ungeeignet sind. Aus Abbildung 2 wird ersichtlich, welche Kreise am besten und welche am schlechtesten als Standort geeignet sind (hohe Punktezahl = gute Eignung, niedrige Punktzahl = schlechte Eignung).
Die günstigsten Gebiete sind nun ungefähr identifiziert. Wo ganz genau eine oder mehrere Regenerativ-Sonderzonen entstehen sollen, wird später erörtert. Zunächst soll dargelegt werden, wie die konkrete Ausgestaltung einer solchen Zone aussehen könnte.