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Sorgen E-Mobile für den Zusammenbruch des Stromnetzes?

Stromtankstelle für Elektrofahrräder. Foto: Mattes. Lizenz: CC0

Berücksichtigt man den zusätzlichen Strombedarf für die Elektromobilität und geht davon aus, dass bis 2020 eine Million Fahrzeuge täglich ab 18 Uhr geladen werden müssen, könnte es eng werden

Eine Million Elektrofahrzeuge bis 2020, sechs Millionen bis 2030, das sind die Ziele der Bundesregierung für die Entwicklung der Elektromobilität in Deutschland. Wenn jetzt die Angst geschürt wird, dass es in den Autoländern Bayern und Baden-Württemberg eng werden würde, wenn es zu einer massenhaften Verbreitung von E-Mobilen käme, stellt sich zuerst die Frage, wer hat ein Interesse daran, die Verbraucher zu verunsichern.

Der Hinweis auf E-Mobile und den verstärkten Einsatz von (Elektro-)Wärmepumpen erlaubt im Gegenzug den Hinweis darauf, wer denn von einer solchen Verlagerung auch betroffen sein würde. Und da rückt eine Branche ins Blickfeld, die es bislang geschafft hat, im Hintergrund zu bleiben. Die Entwicklung weg von Dieselfahrzeugen und der forcierte Einsatz von Wärmepumpen, mit welchen Ölheizungen ersetzt werden könnten, setzt die Mineralölwirtschaft unter Druck. Heizöl und Diesel unterscheiden sich in erster Linie durch den Steuersatz und im Gefolge der unterschiedlichen Steuer in der Farbe.

In der Raffinerie sind sie jedoch das gleiche Produkt. Was eher unbekannt ist, Benzin und Diesel/Heizöl sind sogenannte Koppelprodukte, die bei der Produktion immer im gleichen Verhältnis anfallen. Geht nun der Absatz von Diesel/Heizöl zurück, muss die dann fehlende Menge an Benzin auf dem Produktemarkt zugekauft oder der überschüssige Diesel/Heizöl dort verkauft werden. Dadurch erhöht sich in jedem Falle der Aufwand. Verständlich, wenn jetzt auf mögliche Probleme bei der Stromversorgung hingewiesen wird.

Geht in den Autoländern Bayern und Baden-Württemberg jetzt das Licht aus?

Gerade in Baden-Württemberg hat man eine eher ungute Erinnerung an die Drohung mit dem Blackout. Hatte doch der damalige Ministerpräsident Filbinger angekündigt, dass im Ländle das Licht ausgehen würde, wenn das Atomkraftwerk in Wyhl nicht gebaut würde. Gebaut wurde nie, der Bauplatz in Wyhl ist schon seit Jahrzehnten geräumt und das Licht ist nicht ausgegangen.

Die Warnung vor deutlich höheren Lastspitzen aufgrund der Gleichzeitigkeit beim Aufladen von E-Mobilen kommt dennoch nicht von ungefähr. Ob diese Spitzen jedoch wirklich so eintreten, wie sie gerade an die Wand gemalt werden, ist durchaus umstritten. Sobald sich der Ladevorgang von E-Mobilen auch aus der Ferne ansteuern lässt, kann die Gefahr leicht entschärft werden. Derzeit ist die Fernsteuerungsoption nicht bei allen Fahrzeugen gegeben, so dass der E-Mobilist einen unterbrochenen Ladevorgang manuell starten müsste, was nachts nicht zumutbar ist.

Verschiebung von Last- und Angebotsspitze

Lag die Bedarfsspitze bei den privaten Endverbrauchern über viele Jahrzehnte in der Mittagszeit und wurde von den elektrischen Herden ausgelöst, so wird sie heute von der mittäglichen PV-basierten Angebotsspitze meist deutlich überlagert. Inzwischen verlagert sich die Stromnachfrage jedoch zunehmend in den späten Nachmittag und den frühen Abend, wenn die Ladezyklen der E-Mobile einsetzen und zuhause gekocht wird. Unglücklicherweise geht zu diesem Zeitpunkt auch das Angebot an PV-Strom deutlich zurück.

Dass mit dem Abschalten der süddeutschen Kernkraftwerke im Jahre 2022 auch die im Süden der Republik produzierte Strommenge zurückgeht, ist zwar korrekt, geht aber nicht zuletzt auf die sparsame Genehmigung von Windkraftanlagen (WKA) in Baden-Württemberg und Bayern zurück. Bei der Versteigerung der neuen WKAs im Rahmen der bisherigen Ausschreibungen zogen die Südländer meist den Kürzeren. Wäre die verbrauchsnahe Stromerzeugung ein entscheidendes Kriterium für die Vergabe, sähe das Ergebnis wohl anders aus.

Wenn man die Ergebnisse nun als gegeben akzeptiert, sollte man zumindest ein Lösung haben, die mit dem Überangebot an Windstrom im Norden und Osten und dem weiter steigenden Bedarf im Süden umgehen kann. Und da stellt sich inzwischen die Frage, wie kann die Lücke nach der AKW-Abschaltung bis zur Fertigstellung der geplanten Gleichstrom-Höchstspannungstrassen von Nord- und Ostdeutschland nach Süden, die wohl erst für 2025 zu erwarten sind, geschlossen werden?

Unterscheidung zwischen Arbeit und Last

Was in der politischen Diskussion gerne in einen Topf geworfen wird, ist die Menge des erzeugten Strom (Arbeit) und die Leistung. Auch in der aktuellen Diskussion wird einerseits von der Belastung des Stromnetzes zu Spitzenzeiten in der Höhe von 77 Gigawatt gesprochen, wenn alle bayerischen Haushalte ihr E-Mobil gleichzeitig an einer Ladestation mit 11 kW laden würden.

Anderseits wird im gleichen Zusammenhang ein um 20-25 Prozent höherer Strombedarf erwähnt. Das wäre in etwa eine Verdoppelung des Anteils der privaten Endverbraucher am gesamten Strombedarf. Wenn jetzt letztlich mit dem Risiko eines Schneebruchs in einer windstillen Winternacht argumentiert wird, mag das zwar schön gruselig sein, ist jedoch nicht der E-Mobilisierung anzulasten.

Abgesehen davon, dass es derzeit eher unwahrscheinlich ist, dass die politisch geforderte eine Million an E-Mobilen bis zum Jahre 2020 die deutschen Straßen bevölkern, gibt es durchaus organisatorische Möglichkeiten einen Zusammenbruch der Stromnetze zu verhindern. Man muss sich dafür jetzt auch nicht gleich in einen massiven Ausbau der Stromnetze stürzen und Deutschland gewissermaßen zur Kupferplatte machen. Diese Vorstellung von Deutschland als einer flächendeckenden Kupferplatte gilt nur als Gedankenmodell für die Strombörse in Leipzig, die davon ausgeht, dass in Deutschland Strom bundesweit gleichzeitig zu gleichen Bedingungen verfügbar sei.

Henne oder Ei?

Es wird immer wieder die Frage gestellt, ob die Verbreitung von E-Mobilen von der lückenhaften Infrastruktur behindert wird oder ob die fehlende Verbreitung von elektrischen Fahrzeugen den Aufbau einer umfassenden Ladeinfrastruktur und den dafür letztlich benötigten Netzausbau behindert. Im Grunde beides.

Forderungen nach einem forcierten Netzausbau, wie sie aktuell wieder artikuliert werden, sehen sich in der Realität mit nicht zu unterschätzenden Hindernissen konfrontiert. So wäre ein Netzausbau, der schon heute für die geplante E-Mobilisierung ausgelegt wäre, zwar ganz schön und würde die Akzeptanz von E-Mobilen sicher beflügeln. Er wäre den Netzbetreibern jedoch gar nicht erlaubt.

In der Folge der Liberalisierung der Energiemärkte wurden Netzbetrieb und Netzausbau einer umfassenden Regulierung unterworfen. Damit wollte man sicherstellen, dass ein Netzbetreiber nicht nach Gutsherrenart in einen Netzausbau investiert und die Kosten dann auf die Anschlüsse der privaten Stromnutzer umlegt. Ein Netzausbau muss jeweils angemessen sein. Und was angemessen ist, entscheidet die Bundesnetzagentur (BnetzA) [1]. Und wenn die BnetzA jetzt in einem konkreten Fall entscheiden würde, dass aufgrund einer zunehmenden Nachfrage durch E-Mobile das dortige Netz ausgebaut werden soll, dann werden die dafür veranschlagten Kosten auf die Anschlüsse in diesem Versorgungsgebiet umgelegt.

Unbundling als Stolperstein bei der Energiewende

Das seit Ende der 1990er-Jahr mit der politisch gewünschten Liberalisierung der Energiemärkte eingeführte sogenannte Unbundling, das den Netzbetrieb und die Stromerzeugung vom Handel mit Strom trennte, so dass der Endkunde seinen Stromanbieter weitgehend frei wählen kann, hat ein neues Geschäftsfeld entstehen lassen. Der Stromhandel war in dieser Form vor der Liberalisierung nicht möglich.

Er soll in der Praxis dazu führen, dass der Strom auf dem Weg von der Erzeugung bis zum Endkunden möglichst oft verkauft wird. Durch den häufigen Umschlag sollen sich die Stromkosten für den Endverbraucher reduzieren. Dass der Endverbraucher dies nicht bemerkt, dürfte auch daran liegen, dass der Strompreis heute in der Hauptsache durch Abgaben und Steuern sowie den in den Netzentgelten verborgenen Kosten bestimmt wird.

Der vom Endverbraucher mit der freien Wahl seines Versorgers zu beeinflussende Anteil seiner Stromrechnung geht immer weiter zurück. Mit dem Ausbau der Netze wird sich dieses schon bald noch deutlicher Abzeichnen. Dass das Unbundling wieder aufgegeben wird, ist allerdings nicht zu erwarten. Und so suchen die Netzbetreiber nach Möglichkeiten, wie sie das Beste aus der aktuellen Situation machen, ohne gegen die bestehenden Vorschriften zu verstoßen.

Sicherer Netzausbau trotz Unbundling

Ladepunkte für E-Mobile fallen nicht vom Himmel. Ihre Installation ist nach den Technischen Anschlussbedingungen (TAB) [2] der Netzbetreiber ab einer Anschlussleistung > 4,6 kW (kVA) anmeldepflichtig. Dabei ist es unerheblich ob sich die Ladeeinrichtung im privaten oder öffentlichen Raum befindet. Bereits bei der Planung von Ladeeinrichtungen muss an den Anschlussservice im jeweiligen Netz eine Netzanschlussanfrage gestellt werden.

Dies gilt auch für die Erweiterung bestehender Einrichtungen. Ladesäulen mit einer Anschlussleistung > 12 kVA sind genehmigungspflichtig. Eine Anschlusszusage des Netzbetreibers hat eine befristete Gültigkeit von beispielsweise vier Monaten. Wird die Ladeeinrichtung innerhalb dieses Zeitraumes nicht in Betrieb genommen, erlischt die erteilte Anschlusszusage. Mit dieser Klausel will sich ein Netzbetreiber dagegen absichern, dass er die Leistung bereitstellt und diese dann nicht abgefragt wird.

In Deutschland ist bislang nach Aussage des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) [3] kein Fall bekannt, dass die Installation einer Ladesäule pauschal abgelehnt worden sei. Es gibt jedoch Fälle, in welchen eine Genehmigung verzögert wurde, bis ein entsprechender Netzausbau stattgefunden hat. Damit soll sichergestellt werden, dass das Netz auch für das Laden mit Schnellladestationen ausreichend dimensioniert ist, was bislang offensichtlich auch funktioniert hat.


URL dieses Artikels:
https://www.heise.de/-3811984

Links in diesem Artikel:
[1] https://www.bundesnetzagentur.de
[2] https://assets.contentful.com/xytfb1vrn7of/3VS22tvV7aGCII2iEUIymy/cade01b17a3c7d9ab1242dd34bfbac48/tab-2007-ausgabe-2011.pdf
[3] https://www.bdew.de