Sozialdemokratie: Zählen will gelernt sein

Der neue Parteichef Andreas Babler gab zerknirscht an, es müsse jetzt unter notarieller Aufsicht eine Neuauszählung geben. Foto: Ekrem Canli / CC BY-SA 4.0

Schon mit dem Auszählen von 602 Stimmen überfordert: Wahl eines neuen Parteichefs bringt Österreichs Sozialdemokraten in kuriose Lage. Welches Licht wirft das auf die Partei?

Der jetzt wohl neu gewählte Parteichef Andreas Babler hatte auf dem Parteitag der SPÖ in Linz eine flammende Rede gehalten, die die Delegierten durchaus in Begeisterung versetzte. Babler wünscht sich, dass seine Partei die Themen im Land setzt und erinnerte in seiner Rede an den legendären niederländischen Fußballer Johan Cruyff.

Dieser hatte einst erklärt, solange man in Ballbesitz sei, schieße der Gegner kein Tor. Nun, diese Sicht war etwas zu optimistisch, denn die SPÖ verfügt über erstaunliche Fähigkeiten Eigentore zu schießen.

Zumindest hat man die internationale Aufmerksamkeit jetzt, wenn auch anders als gewünscht. Der Wunsch, Themen zu setzen und endlich zur Sachpolitik zurückzukehren, geht jetzt unter in einer Flut der Häme – einer wohlverdienten.

Eigentümliches Wahlprozedere

Letzten Samstag auf dem Parteitag in Linz hatte die Leiterin der Wahlkommission Michaela Grubesa mit sichtlicher Freude das Ergebnis und den Sieg des burgenländischen Landeshauptmannes Hans Peter Doskozil verkündet. Viele im Saal hofften wohl, dies sei nun die endgültige Entscheidung.

Es war zuvor schon zu einigen seltsamen, parteiinternen Kontroversen gekommen. Der frühere Leiter der Wahlkommission, Harry Kopietz, hatte sich zurückgezogen. Er war einst so etwas wie die "graue Eminenz" der Wiener SPÖ und galt als Unterstützer der alten Parteivorsitzenden Pamela Rendi-Wagner.

Sein Rückzug aus gesundheitlichen Gründen mag wohlbegründet gewesen sein, die schiefe Optik seiner Partei blieb. Es schien, als werde öffentlich um einen Wahlmodus gerungen, weil die unterschiedlichen Lager sich verdächtigen, die Wahl in ihrem jeweiligen Sinne manipulieren zu wollen.

Tatsächlich war der Ausgang der Mitgliederbefragung bereits sehr umstritten. Hans Peter Doskozil hatte viele Jahre gegen die am vorletzten Parteitag mit nur 75 Prozent der Stimmen gewählte Parteivorsitzenden Rendi-Wagner gewettert. Insgesamt zwölf große Attacken gegen die Parteichefin wurden gezählt, so kann eine Partei kaum arbeiten.

Als es Rendi-Wagner dann zu viel wurde und sie Doskozil zu einer Kampfabstimmung herausforderte, wusste dieser wiederum, dass er diese an einem Sonderparteitag nicht gewinnen würde und forderte stattdessen eine Mitgliederbefragung. Deren kurios knappes Ergebnis wollte der überraschend zweitplatzierte Traiskirchner Bürgermeister Andreas Babler dann durch eine Stichwahl entscheiden lassen.

Doskozil spürte wiederum, dass an der Basis Babler besser ankam und verhinderte erfolgreich die Stichwahl, um die Entscheidung am Parteitag per Delegiertenentscheid zu finden, bei dem er sich einen Vorteil gegenüber Babler erwartete. Babler gab klein bei, weil Doskozils Macht im Parteivorstand größer war, als die des Newcomers Babler.

Das fühlt sich alles nicht so wirklich nach Demokratie an, sondern nach Hinterzimmer-Geschacher mit begleitenden Wahlgängen. Was dann die Wahlvorsitzende Grubesa Montagnachmittag zu verkünden hatte, erreichte allerdings etwas, das als ganz neue Dimension bezeichnet werden darf.

Ein Übertragungsfehler

Anscheinend waren die Excel-Listen vertauscht worden und das Ergebnis Bablers als jenes von Doskozil ausgegeben worden. Grubesa bat um Entschuldigung, wie seit dem Moment so ziemlich jede Parteifunktionärin und jeder Parteifunktionär der SPÖ.

Die interessierte Öffentlichkeit darf hingegen miträtseln. Ein Übertragungsfehler bei einer Excel-Datei? Warum musste das Ergebnis überhaupt umkopiert werden? Es bestand aus vier Zahlen: Gesamtanzahl der Stimmen, ungültige Stimmen, Stimmen Bablers, Stimmen Doskozils. Das Programm Excel ist eine wunderbare Unterstützung, nur bei 602 abgegebenen Stimmzetteln hätte sich Übersicht auch mit einem Blatt Papier und einem Bleistift schaffen lassen.

Außerdem, wieso wusste die aus beiden Lagern zusammengesetzten Mitglieder der Wahlkommission, die bei der Auszählung anwesend waren und mitgeholfen haben, die Wahlzettel zu sortieren, nicht das Endergebnis und widersprachen der Vorsitzenden Grubesa nicht augenblicklich, noch auf dem Parteitag?

Wenn’s geliert, dann ist’s Gelee, aber hier geliert‘s nicht. Nach der überraschenden Korrektur des Wahlergebnisses trat der burgenländische Landeshauptmann Doskozil augenblicklich zurück und wolle weiterhin keine Ämter mehr in der Bundespolitik annehmen oder anstreben.

Der neue Parteichef Andreas Babler gab zerknirscht an, es müsse jetzt unter notarieller Aufsicht eine Neuauszählung geben. Beide Kandidaten haben damit das Beste getan, was sich in der Lage noch tun ließ. To be continued.