Spaltet der Gas-Streit die slowakische Politik?
(Bild: YAKOBCHUK V / Shutterstock.com)
Die Slowakei steckt in einer tiefen Energiekrise. WĂ€hrend Premier Fico auf Moskau setzt, fordert die Opposition seinen RĂŒcktritt.
Das einstige Ziel vom russischen PrÀsidenten Wladimir Putin, mittels Umgehung in der Ostsee und im Schwarzen Meer den transsibirischen Transportkorridor von Urengoj in Nordwestsibirien bis Uschhorod an der ukrainisch-slowakischen Grenze aus dem Spiel zu nehmen, ist mit dem Transitende erreicht. Jetzt klagt die Slowakei die Ukraine an, diesen Korridor geschlossen zu haben und erhofft von Moskau dazu eine Lösung.
"Kritische, verzweifelte Menschen, die BrĂŒssel unterworfen sind, wollen fĂŒr sich selbst und nur fĂŒr sich selbst sorgen. Die Frage ist, wie sie in der Slowakei ohne Gas leben wollen, da es ohnehin aus Russland kommt", monierte der slowakische ParlamentsprĂ€sident Andrej Danko [1] auf Facebook zu den GesprĂ€chen seiner sechsköpfigen Delegation in Moskau am 15. Januar.
Russland braucht die EU nicht
Damit nicht genug klagte Danko, dass westliche Unternehmen in Russland weiterhin gute GeschĂ€fte machten und sein Land zu Sanktionen oder sinnlosen EnergiekĂ€ufen gedrĂ€ngt werden wĂŒrde. "Die westlichen MĂ€chte tragen mit ihrem Handeln keineswegs zu Frieden, StabilitĂ€t oder Wirtschaftswachstum bei. Im Gegenteil: Sie drangsalieren uns immer heftiger", so Danko [2].
Dank seiner Delegation sei es zu einem neuen Dialog mit Russland gekommen. Die Slowakei benötige Russland, "um ihren BĂŒrgern StabilitĂ€t zu gewĂ€hrleisten, insbesondere im Energiebereich. Liebe Freunde, Russland braucht die Union nicht, aber wir brauchen Russland wirklich", lautet sein Fazit.
Alles auf Moskau gesetzt
ZÀhlbare Ergebnisse brachte Danko aus Moskau bis auf seine Anklage an die EuropÀische Union nicht mit. Kurz davor lieferten sich Medien zufolge der slowakische Premier Robert Fico und der ukrainische PrÀsident Wolodymyr Selenskyj einen Schlagabtausch [3], bei dem es um die Einladung zu GesprÀchen zum Gastransit ging. Schlug Fico in einer VideoerklÀrung am 13. Januar vor, sich in der Slowakei zu treffen, erklÀrte Selenskyj: "Ok, kommen Sie nach Kiew am Freitag [4]."
Dem war ein mahnender Appell von Selenskyj an Fico [5] auf X vorangegangen, nachdem dieser angedroht hatte, Stromexporte in die Ukraine einzustellen. "Wir boten den Menschen in der Slowakei unsere Hilfe bei der Anpassung an das Fehlen des russischen Gastransits an, aber Fico lehnte arrogant ab. Viele in Europa warnten ihn, dass Nichtstun und Abwarten keine Option sei." Er habe jedoch weiter auf Moskau gesetzt, erklÀrte Selenskyj.
Technisch gut vorbereitet
Die Slowakei sei technisch gut auf den Transitstopp vorbereitet, erklĂ€rte das slowakische Wirtschaftsministerium am Jahresende. Gasspeicher seien praktisch zu 100 Prozent gefĂŒllt. Das staatliche Unternehmen SPP verfĂŒge ĂŒber ein diversifiziertes Portfolio an Gaslieferungen von fĂŒnf weiteren groĂen internationalen Energieversorgern wie BP, ExxonMobil, Shell, RWE oder ENI.
Ebenso habe die ZSE-Gruppe, zu der die groĂen Gaslieferanten ZSE Energia und VĂœchodoslovenskĂĄ Energetika gehören, Anfang Juli ĂŒber eine Vereinbarung mit der polnischen ORLEN-Gruppe zur Lieferung von LNG hauptsĂ€chlich aus den USA informiert. Hinzu kĂ€men Gaspipeline-Verbindungen zu allen umliegenden LĂ€ndern. Somit sei der Transport von Erdgas aus allen Richtungen möglich.
Teure Kriegsrechnung
Die Einstellung des Transits von russischem Gas durch die Ukraine hĂ€lt das Ministerium zugleich fĂŒr "keine rationale Entscheidung" [6]. Der Stopp werde zu einem Preisanstieg auf den europĂ€ischen MĂ€rkten fĂŒhren, was der Slowakei und europĂ€ischen Wirtschaft schade.
Slowakische Gasunternehmen mĂŒssten allein 177 Millionen Euro mehr an TransitgebĂŒhren bezahlen. Auf Europa könnten SchĂ€tzungen Mehrkosten von rund 51 Milliarden Euro bei den Gas- und weiteren 77 Milliarden Euro bei den Strompreisen in den nĂ€chsten zwei Jahren zukommen. Durch den Transitstopp der Ukraine verliert die Slowakei laut Fico rund 500 Millionen Euro im Jahr [7].
Unruhe in der Slowakei
Rund vier Milliarden Kubikmeter Gas verbraucht die Slowakei im Jahr und importierte das Gros davon aus Russland. Dass milliardenschwere Gaseinnahmen dem russischen Angriffskrieg in der Ukraine von Nutzen sind und Europa schaden, ist in slowakischen Rechnungen nicht berĂŒcksichtigt. Den Gashahn hat der russische Gaslieferant Gazprom selbst abgedreht. Was wohl passiert wĂ€re, wenn weiter Gas aus Sibirien in der Ukraine angekommen wĂ€re?
Im Land rumort es [8] auĂerdem. Die Opposition reichte Medienberichten zufolge ein Misstrauensvotum gegen Ficos Regierung ein. Die gesamte Opposition habe sich trotz aller Unterschiede, Probleme und persönlichen Beziehungen dafĂŒr entschieden, erklĂ€rte Michal Ć imeÄka, Vorsitzender der Oppositionsbewegung Progressive Slowakei.
MinisterprĂ€sident Robert Fico habe das Regieren und das Land "aufgegeben", und es buchstĂ€blich im Stich gelassen. Fico löse nicht die Probleme der Slowakei, die den BĂŒrgern Sorgen bereiten. Stattdessen "fliegt er um die Welt, beugt sich den Diktatoren, genieĂt den Luxus", wĂ€hrend seine Regierungskoalition auseinanderfĂ€llt, so Ć imeÄka. Ficos Besuch in Russland vor Weihnachten löste im Land BeschĂ€mung und Ărger aus.
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[3] https://www.politico.eu/article/ukraine-volodymyr-zelenskyy-slovakia-robert-fico-russian-gas-transit-agreement-cyberattacks/
[4] https://x.com/ZelenskyyUa/status/1878848805069861174
[5] https://x.com/ZelenskyyUa/status/1878480879984791632
[6] https://www.economy.gov.sk/top/slovensko-je-pripravene-na-zastavenie-tranzitu-plynu-cez-ukrajinu?csrt=16026394098841621667
[7] https://www.vlada.gov.sk/tlacove-spravy/otvoreny-list-predsedu-vlady-sr-roberta-fica-prezidentovi-ukrajiny-volodymyrovi-zelenskemu/
[8] https://www.aktuality.sk/clanok/fl0z0Fl/opozicia-podala-navrh-na-zvolanie-mimoriadnej-schodze-k-odvolavaniu-vlady/
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