Spanien: Sánchez versucht schwache Minderheitsregierung
Der Sozialdemokrat Pedro Sánchez stellt seine feminine Regierungsmannschaft vor und ernennt mit dem Grande Marlaska auch noch einen Hardliner zum Innenminister
Nun hat der neue spanische Regierungschef dem König seine Regierungsmannschaft vorgestellt. Es war schon im Vorfeld klar, dass der Sozialdemokrat (PSOE) Pedro Sánchez einen halsbrecherischen Versuch startet, mit nur 84 von 350 Parlamentariern eine Minderheitsregierung zu führen, die auf knapp 23 Prozent der Wähler bauen kann. Dem Drängen der Linkspartei Podemos (Wir können es), die Basis in einer Koalition um 13,5 Prozent zu verbreitern, hat er schlicht ignoriert. Nicht ein Kabinettsmitglied wird aus dem Umfeld der Linkspartei kommen.
Damit versucht Sánchez, die starke Parteirechte zu befriedigen, die ihn wegen einer geplanten Zusammenarbeit putschartig vom Posten des Generalsekretärs gestoßen hatte. Vor allem für die starke andalusische Regionalfürstin Susana Díaz ist Podemos ein rotes Tuch. Die Linkspartei, ohne die Sánchez nie an die Macht gekommen wäre, ist natürlich enttäuscht. Sie hatten zumindest Gesten für eine Zusammenarbeit erwartet. Die Sprecherin Noelia Vera erklärte, eine einfarbige PSOE-Regierung sei "sehr viel schwächer" als eine Koalition. Sie kündigte an, man werde aufpassen und weiter "an der Seite der sozialen Bewegungen" stehen.
Mehr als die Hälfte der Minister sind Frauen
An die derzeit stärkste Bewegung versucht sich Sánchez anzulehnen. Angesichts der starken feministischen Bewegung, die am 8. März auch erstmals gestreikt hatte, versucht sich der Sozialdemokrat ein fortschrittliches feministisches Image zu geben. Er wird einem sehr weiblichen Kabinett vorstehen. Mehr als die Hälfte der 17 Ministerposten werden Frauen besetzt, darunter auch Schwergewichte wie das Wirtschaftsministerium (Nadia Calviño), das Finanzministerium (María Jesús Montero), das Arbeitsministerium (Magdalena Valerio) und das Industrieministerium (Reyes Maroto).
Sánchez ernennt auch nur eine Vize. Das wird mit Carmen Calvo die Ministerin für das erneuerte Gleichstellungsministerium sein, die unter Zapatero schon Kultusministerin war. Das Gleichstellungsministerium hatte die PP unter Mariano Rajoy 2011 geschleift, der vergangene Woche über einen Misstrauensantrag gestürzt wurde. Zuvor war mit der PP erstmals eine Partei wegen Korruption verurteilt worden, die ein "effizientes System institutioneller Korruption" betrieben hat. Ihr Ex- Schatzmeister bekam sogar 33 Jahre Haft aufgebrummt. Er führte eine parallele Buchführung und verwaltete die Millionen auf Schweizer Schwarzgeldkonten.
Eine Überraschung ist, dass nicht die bisherige PSOE-Sprecherin und angesehene Juristin Margarita Robles Verteidigungsministerin wurde. Erwartet worden war, dass sie Innenministerin wird. Dort haben die Sozialisten den Hardliner Fernando Grande-Marlaska gesetzt. Der ist bekannt, die PP-Regierung hatte ihn im Nationalen Gerichtshof platziert, nachdem sie den Richter Baltasar Garzón abgesägt hatte, weil der auch mit Korruptionsermittlungen gegen die Partei begonnen hatte. Von dort hatte er äußerst negativ im baskischen Friedensprozess gewirkt und auch Folter nicht ermittelt oder berücksichtigt, wie am Menschenrechtsgerichtshof in Straßburg festgestellt wurde.
Justizministerin wird dafür Dolores Delgado, Staatsanwältin mit Schwerpunkt islamistischer Terrorismus und Korruption. Bekannt wurde sie, weil sie gegen die Auslieferung des Datendiebs Hervé Falciani an die Schweiz plädiert hatte, über dessen Daten viele Steuerhinterzieher aufgedeckt wurden. Falciani, der als Tauschpfand für katalanische Politiker erneut festgesetzt worden ist, darf sich nun große Hoffnungen machen, dass alle Auflagen schnell aufgehoben werden.
Der frühere baskische Regierungschef Patxi López wird dafür abgestraft, dass er gegen Sánchez bei der Urwahl angetreten war. Obwohl er Regierungserfahrung hat, die ansonsten dem Kabinett weitgehend fehlt, ist er nicht im Kabinett. Dafür hat Sánchez dessen frühere Bildungsministerin Isabel Celaá auf diesen Posten nun in Madrid gehoben.
Eine wichtige Aufgabe könnte Meritxell Batet als Ministerin für territoriale Verwaltung zukommen, wenn sie und nicht Grande-Marlaska den Konflikt mit Katalonien bearbeitet. Ein Schock war es für die katalanische Regierung, dass ausgerechnet Josep Borrell Außenminister wird. Er ist Mitglied der so genannten "Katalanischen Zivilgesellschaft" (SCC), die u.a. von der identitären rechtsradikalen Formation "Somatemps" gegründet wurde. Für Regierungschef Quim Torra ist das "keine schlechte, sondern eine fatale Nachricht", sagte er am Mittwoch im katalanischen Parlament. Da wusste er noch nichts von der Ernennung eines Hardliners zum Innenminister.
Die sehr schwache Minderheitsregierung, ohne klare Unterstützer, wird es sehr schwer haben. Etwas Raum bekommt Sánchez zunächst, da die PP erst einmal die Führung regeln muss. Rajoy hat am Dienstag seinen Rückzug aus der Politik angekündigt und nun geht der Streit los.
Die PP kündigt neben den Ciudadanos eine harte Opposition an. Ihr Sprecher Rafael Hernando sprach von einem "Betrug" und von einer "illegitimen Regierung", weil die PSOE nicht über Wahlen an die Macht gekommen ist. Andere Parteiführer sprechen sogar schon von einem "Putsch".