Spanien droht Open Arms mit Strafe von bis zu 901.000 Euro
Kommentar: Heuchlerischer könnte die Politik der Regierung kaum sein. Erst bezeichnet man die Salvini-Politik als "Schande für gesamte Menschheit", dann greift man selbst erneut ins repressive Register
17 Tage lang blieben die Vertreter der spanischen Politik, die Verantwortung nicht unbedingt lieben - Regierungschef Pedro Sánchez unternimmt nach seiner gescheiterten Investitur nichts, um eine Regierung zu bilden -, im Sommerurlaub. In Madrid oder in ihren jeweiligen Urlaubsorten hofften die spanischen Regierungsmitglieder sehr darauf, dass Italien nur bluffen würde und dass Innenminister Salvini irgendwann angesichts der verheerenden Zustände auf dem Rettungsschiff Open Arms und des dadurch ansteigenden internationalen Drucks einlenken würde.
Doch weit gefehlt. In Europa erinnerte man sich daran, dass der Blender Sánchez vor einem Jahr angesichts der Aufnahme der Migranten an Bord der Aquarius vor einem Jahr einen "humaneren" Umgang mit Flüchtlingen und Einwanderern angekündigt hatte. Immerhin handelte es sich bei der Aquarius um ein spanisches Rettungsschiff, wie er erklärte.
So geriet dann auch Sánchez unter Druck und der Mann, der gerne links blinkt, um rechts zu überholen, bot nach zwei Wochen Schweigen schließlich mit Algeciras den spanischen Hafen als sicheren Hafen an, der am weitesten entfernt von Lampedusa lag.
Man muss wahrlich keinen Intelligenzquotienten von 180 haben, um zu verstehen, dass das nur ein Scheinangebot war und dass das Schiff diese fünftägige Reise nicht würde antreten können. Dass angesichts des Drucks schließlich dann noch die Baleareninseln angeboten wurden, war nur ein weiterer spanischer Vernebelungsversuch, da das Land längst gezeigt hat, dass sie die Politik der ultrakonservativen Vorgänger sogar noch zugespitzt fortsetzen würde. Die Auslaufverbote für Rettungsschiffe hatten vorgeführt, dass die "humanere" Politik immer perfider wird.
Zwischenzeitlich war die Lage auf der Open Arms so fatal geworden, dass letztlich die Staatsanwaltschaft in Lampedusa eingeschritten ist. Das Schiff wurde temporär beschlagnahmt, damit die mehr als 80 geretteten Menschen, die sich noch an Bord befanden, an Land gehen konnten.
Derweil hatte die geschäftsführende spanische Verteidigungsministerin das Vorgehen Salvinis als "Schande für gesamte Menschheit" bezeichnet. Margarita Robles, die kein Mitglied der Sozialdemokraten ist, kann man die Ansicht angesichts ihrer politischen Laufbahn sogar abnehmen. Deshalb wurde die bekannte und beliebte Richterin auch keine Justizministerin oder Innenministerin, sondern auf den Spitzenposten im Verteidigungsministerium geschoben.
"Die Open Arms hatte keine Erlaubnis zur Rettung"
Der wirklichen Meinung von Sánchez und seinen Parteifreunden entsprach das aber nicht, weshalb Robles weiter am Ast gesägt hat, auf dem sie sitzt. Deutlich machte das die geschäftsführende Vize-Ministerpräsidentin Carmen Calvo. Sie droht nun offen der Open Arms mit einer Geldstrafe von bis zu 901.000 Euro. "Die Open Arms hatte keine Erlaubnis zur Rettung", sagte Calvo allen Ernstes, denn Seenotrettung ist nach dem Seerecht eine Pflicht und bedarf keiner Erlaubnis.
Der Kapitän des Schiffes wisse das und das Infrastrukturministerium habe ihn noch einmal daran erinnert. "Alle wissen, was zu tun ist und was nicht", fügte sie an und verwies darauf, dass man Gesetze einhalten müsse. Da wüsste man gerne, auf welches Gesetz sie sich bezieht. Will Spanien auch noch das Seerecht aushebeln, das Rettung vorschreibt?
Das läge etwa auf dem Niveau, auf dem diese Regierung und ihre Vorgängerin in Spanien mit den demokratischen Forderungen in Katalonien umgeht, wobei man ebenfalls massiv gegen Menschrechte verstößt, politische Rechte und den ratifizierten UNO-Sozialpakt aushebelt. Man ignoriert die Immunität von Parlamentariern und leistet sich sogar "willkürlich verhaftete politische Gefangene", wie die zuständige UN-Arbeitsgruppe feststellt.
Und auf dieser Ebene, auf die sich Salvini bisher (noch) nicht wagt, findet auch der Umgang mit der Open Arms und anderen Rettungsschiffen statt. Weitgehend unbemerkt von den Qualitätsmedien in Deutschland hatte Spanien der Open Arms die empfindliche Geldstrafe angedroht. Zu diesem Zeitpunkt drohte im Italien des rechtsradikalen Salvini den Rettungsschiffen nur eine Strafe von 50.000 Euro, wenn sie in die Hoheitsgewässer einlaufen.
Salvini macht mit seinen Strafen nur nach, was Spanien vorgemacht hat
Der italienische Innenminister und seine politischen Verbündeten haben nachgezogen und inzwischen auch die Strafen auf bis zu eine Million Euro angehoben. In einigen Medien ersparte man sich den Hinweis, dass dies in Spanien längst der Fall war, ganz ohne Gesetz, durchgedrückt auf Verwaltungsebene.
Es sind die spanischen Sozialdemokraten, die, wie in Europa geduldet wird, einen noch repressiveren Weg für Leute wie Salvini ebnen. Wie es der türkische Schriftsteller Can Dündar nach einem Besuch im Gefängnis bei Jordi Cuixart - der mit acht anderen Katalanen seit fast zwei Jahren auf Basis einer erfundenen Rebellion inhaftiert ist und denen ein sehr zweifelhafter Schauprozess gemacht wurde - erklärte: "Was Europa zusammenhält, ist der Vorrang des Gesetzes" Aber das sieht er in Katalonien klar verletzt. "Wie kann man zulassen, dass Putin und Erdoğan auf diese Weise die Chance haben, zu sagen: "Sehen Sie, Dinge wie bei uns kommen auch in Europa vor"?
Salvini macht mit seinen Strafen nur nach, was Spanien vorgemacht hat. Wird auch er demnächst willkürlich Politiker inhaftieren lassen oder dafür sorgen, dass gewählte Vertreter nicht ihre Sitze im Europaparlament einnehmen können? Spanien schafft auf allen Ebenen, auch mit Spionage in halb Europa gefährliche Präzedenzfälle. Es wäre an der Zeit einzuschreiten. Denn solche Zustände haben zur Gewohnheit, sich schleichend auszuweiten und zum Normalzustand zu werden, vor allem wenn der Widerstand dagegen schwach ist.
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