Sparpläne in Deutschland: Wer schafft es an den Beckenrand, ohne unterzugehen?

Kinder beim Schwimmunterricht im Hallenbad lernen Schwimmtechniken unter Anleitung

Schwimmunterricht für Kinder: Unverzichtbar für Sicherheit und Gesundheitsförderung – doch immer mehr Schwimmbäder schließen. Bild: PeopleImages.com - Yuri A / Shutterstock.com

Wirtschaftskrise trifft Kommunen mit großer Wucht: Das Bädersterben setzt sich fort. Was passiert, wenn unsere Kinder nicht mehr richtig schwimmen lernen?

Der Auftritt des Tübinger Oberbürgermeisters Boris Palmer in der vergangenen Woche bei Markus Lanz hat Wellen geschlagen und befeuert die Debatte darüber, wie stark sich die Wirtschaftskrise jetzt in Deutschland bemerkbar macht – und wo gespart werden muss.

Schwimmbäder in der Krise: Kommunale Sparmaßnahmen bedrohen Bäderlandschaft

Boris Palmer schilderte ungeschönt und scharf unter dem Motto "die Wirtschaft in Baden-Württemberg schmiert brutal ab" die Finanzlage seiner Stadt, die "bis vor zwei Jahren" noch als prosperierend galt, wo aber nun ein "Riesenloch" von 40 Millionen Euro zu schließen sei, so der Ausschnitt der Sendung, der auf X gepostet wurde.

Unter den harten Maßnahmen – worüber man sich wahrscheinlich nicht nur in Tübingen, sondern auch in anderen Kommunen ernsthafte Gedanken macht –, nennt Palmer auch "Schließung eines Hallenbads".

Das mag nicht jede(r) alarmierend finden. Es gibt existenziellere Sorgen, wenn es um Kürzungen im Bereich der öffentlichen Gelder geht, Sozialleistungen wird es ans Mark gehen, so die Aussichten Palmers.

Schwimmunterricht im Wandel: Von der Pflicht zur Mangelware

Dennoch: Auch wenn nicht alle den gefliesten oder in Stahl ummantelten Teil der "nassen Welt" (Herman Melville) als lebensnotwendige Einrichtung unserer Städte sehen, sind doch existenzielle Fragen auf dem Tisch. Das Risiko, dass Kinder, die nicht richtig schwimmen können, im falschen Moment unbeaufsichtigt sind, gehört zum Albtraum von Eltern und, wie es der Autor aus eigener Erfahrung weiß, der Rettungsschwimmer.

Die Boomer hatten Glück. Als sie aufwuchsen, machten die Kommunen Geld locker, um Hallenbäder zu bauen. Regelmäßiger Schwimmunterricht gehörte fortan zu den Standards im Sportunterricht (damals oft noch Turnunterricht genannt). Seit einigen Jahren geht der Trend in eine andere Richtung, mobile Schwimmschulen sind seit einiger Zeit im Kommen.

Dramatischer Rückgang: Schwimmbäder-Schließungen nehmen zu

Wie viele öffentliche Schwimmbäder in den letzten Jahren aus Geldmangel geschlossen wurden, ist schwer zu ermitteln. "Jedes Jahr schließen 70 bis 80 Schwimmbäder. Das muss ein Ende haben", zitierte die Bild-Zeitung im Juni dieses Jahres die Deutsche Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG). Die hatte demnach schon 2018 die Kampagne "Rettet die Bäder" gestartet.

Verbessert habe sich die Lage aber nicht.

Bestandsaufnahme der Schwimmbäder: Zahlen und Fakten zur aktuellen Lage

Jedes zweite Bad sei renovierungsbedürftig, berichtet die Zeitung mit der großen Reichweite. Nach einem Lagebericht des Instituts für deutsche Wirtschaft vom September 2023 ist die Datenlage zum Bädersterben "wacklig".

Anhand einer Google-Recherche wird zu diesem Zeitpunkt festgestellt, "dass sich in Deutschland insgesamt 6.255 Bäder – über 700 mehr – auffinden als in der herkömmlichen Datenbasis" (daraus geht nicht hervor, welche der Bäder öffentlich betrieben werden).

Als Befund teilte man vor guten einem Jahr mit:

Der häufig als Datengrundlage verwendete "Bäderatlas" der Deutschen Gesellschaft für das Badewesen zählt aktuell 5.545 Bäder (davon 2.405 Frei-, 2.739 Hallen- und 401 Kombibäder). Nach Experteneinschätzungen ist die Anzahl der Schwimmbäder in Deutschland damit nachweislich zurückgegangen, wie drastisch der Rückgang aber ausfällt, bleibt hingegen unklar (Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände, 2023). Lediglich beim Befund der zunehmend schlechteren Versorgung mit Schwimmmöglichkeiten im ländlichen Raum scheint die Debattenlage klar (Greive, 2023).

IW Köln

Zwar koppelt man auch beim Lagebericht der IW in Köln die Versorgung mit Schwimmmöglichkeiten ebenfalls mit der Warnung der DLRG, die in den letzten Jahren regelmäßig zu hören ist – dass immer weniger Kinder schwimmen können: "Der Anteil an Kindern, die nicht schwimmen können, hat sich zwischen 2017 und 2022 verdoppelt (DLRG, 2022)" –, aber man gibt der Situation anhand der Recherche über Google Maps "Places" einen Anstrich, wonach es so schlecht nicht mit der Erreichbarkeit von Schwimmbädern bestellt ist:

Im Mittel ist die Erreichbarkeit mit 4:29 Pkw-Minuten zur nächsten Abkühlung im Sommer – 5:44 Pkw-Minuten zum nächsten Hallenbad – überschaubar. Jedoch zeigt sich ein Stadt-Land Gefälle. Im Sommer braucht man in Mecklenburg-Vorpommern mit Pkw oder Rad rund 60 Prozent länger als in Berlin. Die Fahrtzeit zum Hallenbad dauert knapp dreimal so lang.

IW Köln

Erreichbarkeit von Schwimmbädern: Herausforderungen für den Schwimmunterricht

Örtlich gibt es also enorme Unterschiede. Wie auch bei den Portemonnaies der Familien. Die Frage, die sich das IW gar nicht gestellt hat, ist, wie es mit der Erreichbarkeit der Schwimmbäder über öffentliche Verkehrsmittel aussieht. Zudem: Für den Schwimmunterricht an der Schule zählen andere Maßgaben. Um richtig schwimmen zu lernen, braucht es einen regelmäßigen Zugang für möglichst viele.

Laut der jüngsten verfügbaren Gesamt-Statistik der DLRG sind 2023 mindestens 378 Menschen in Deutschland ertrunken. Darunter 16 Kinder im Alter bis zu zehn Jahren.