Spartenkanäle beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk: Alles dichtmachen?

Phoenix-Zettel in ARD-ZDF-Sparbüchse eingeworfen

Medien-Kahlschlag: ARD und ZDF auf Sparkurs – doch ausgerechnet bei Phoenix? Widerstand gegen das geplante Aus. Kritischer Hintergrund.

Olli Dittrich, Senta Berger und Horst Evers haben unterschrieben, genauso wie Jürgen Trittin, Wolfgang Thierse und Gregor Gysi, aber auch Harald Welzer, Oliver Welke und Igor Levit.

Insgesamt 105.000 Namen stehen unter der Petition, die den Ministerpräsidenten heute bei ihrem Treffen im Berliner Bode-Museum übergeben wird. "Phoenix muss bleiben – für eine besser informierte Republik", so die Unterzeichner.

Zurzeit brüten die Ministerpräsidenten über einer Änderung des Medienstaatsvertrags. Darin soll der ÖRR zur stärkeren Abbildung von Randsportarten und Kultur, der Einsetzung eines Medienrates und dem Streichen von Radioprogrammen verpflichtet werden.

Zudem sollen Phoenix, Tagesschau24, ARD-alpha und ZDFinfo bis 2033 eingestellt werden. Zwei bereits Ende 2026. Welche, bleibt ARD und ZDF überlassen.

"Phoenix ist einzigartg"

Nun halten die 105.000 Unterzeichner ein flammendes Plädoyer: Phoenix leiste "einen unverzichtbaren Beitrag zur politischen Information und demokratischen Meinungsbildung in Deutschland." Initiiert wurde die Unterschriftensammlung u.a. von Andréa Roquebert, die seit 17 Jahren für Phoenix arbeitet und Kristian Wiegand, der ebenfalls als Reporter für den Sender im Einsatz war.

Unterstützt wird die Petition vom Personalrat von Phoenix, dem Deutscher Journalisten-Verband (DJV) und der Gewerkschaft ver.di.

Weiter heißt es, dass der Sender "einzigartig" sei: Das "Abschalten von Phoenix würde bedeuten, dass diese Berichterstattung künftig von ARD und ZDF unabhängig voneinander organisiert werden müsste – ein ineffizienter Ansatz."

Doch schon jetzt sind ARD und ZDF mit eigenen Teams auf Parteitagen, im Bundestag oder im Europaparlament. Erinnert sei an die Bemerkung von Friedrich Merz auf dem CDU-Parteitag 2022:

"Ein besonderer Gruß geht dabei an die stolze Zahl von 58 Redakteurinnen und Redakteuren des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Mit Ihnen werden wir uns im Verlaufe dieses Parteitages besonders liebevoll beschäftigen."

21 TV-Sender, 74 Rundfunkprogramme, 659 Social-Media-Accounts

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist kontinuierlich gewachsen. Vor 30 Jahren gab es weder Phoenix noch tagesschau24, ZDFinfo oder ARD alpha. Wurde da der Programmauftrag nicht erfüllt?

Damals gab es noch einen Sendeschluss und kein 24-Stunden-Programm. Kamen da ARD und ZDF der "individuellen und öffentlichen Meinungsbildung" weniger nach?

Sicher, die Zeit entwickelt sich weiter und auch der ÖRR muss das tun. Aber warum lässt man nie etwas bleiben, wenn man etwas Neues in die Hand nimmt?

Wollten die Väter des ÖRR tatsächlich, dass es heute 21 TV-Sender, 74 Rundfunkprogramme, 659 Social-Media-Accounts, mehrere Orchester, ungezählte Websites und Hunderte Podcasts gibt?

Und wieso ist der große Wurf, Spartenkanäle einzustellen? Im Medien-Newsletter des DIMBB heißt es dazu: "Phoenix verfügt über einen Etat von ca. 43 Millionen Euro im Jahr. Das sind ca. 10 Cent vom Rundfunkbeitrag. Allein für die Sportrechte wenden ARD und ZDF jährlich im Schnitt 400 Millionen Euro auf."

Ich habe sechs Jahre in der Planung von ARD Aktuell in Hamburg gearbeitet. Hier entsteht auch tagesschau24. Dabei hatten wir täglich Kontakt zu den Kollegen von Phoenix. Schon vor Jahren ging dort die Angst vor der Schließung um.

Sinnvolle Zusammenlegung

Klar war: Es ergibt Sinn, tagesschau24 und Phoenix zusammenzulegen. Aus zwei unterfinanzierten Sendern könnte ein vollwertiger öffentlich-rechtlicher Nachrichtensender werden. Nur: Wer macht das Rennen?

Tagesschau24 sitzt in einem millionenteuren Neubau der Tagesschau-Redaktion in Hamburg-Lokstedt. Hier ist die modern ausgestattete Redaktion rund um die Uhr besetzt. Es wäre sinnvoll, tagesschau24 zu erhalten. Widerstand kam stets aus Bonn. Hier sitzt Phoenix.

Die Redaktionssysteme dort sind veraltet. Würde man den Sender erhalten, müsste neu investiert werden.

Das Angebot von Phoenix

Momentan wird viel vorproduzierte Konserve gesendet. In Breaking-News-Fällen, zum Beispiel am Wochenende, dauert es Stunden, ehe die Redaktion live berichtet. Dann berichtet ein Korrespondent vom Ort der Katastrophe erst auf tagesschau24 und Minuten später live auf Phoenix das Gleiche noch einmal.

Zudem leidet Phoenix unter seiner Doppelstruktur. Der Sender wird von WDR und ZDF gemeinsam betrieben. Leitungsposten sind doppelt besetzt – einer kommt vom ZDF, der andere vom WDR. Sie sind gleichberechtigt.

Schwierige Hintergründe

Effektive Entscheidungen fallen so schwer. Als die ARD tagesschau 24 vor drei Jahren zum Nachrichtenkanal ausbauen wollte, drohte der WDR: Würde weiter live von der Bundespolitik berichtet, würde man den eigenen Studios untersagen, für tagesschau24 tätig zu sein.

Das hätte bedeutet: Immer wenn in NRW etwas passiert, hätte man in der zweiten Reihe gesessen. Zudem betreut der WDR die Studios in Moskau, Kiew, Washington, Brüssel, Nairobi und Paris. Auch hier hätte tagesschau24 bei wichtigen Ereignissen in die Röhre geschaut.

Nach einem Krisentreffen gab es einen Kompromiss. Schriftlich wurde festgehalten, wer wovon berichten durfte. So kam es, dass tagesschau24 oft der einzige Nachrichtensender war, der von einem bedeutenden Ereignis nicht live berichtet hat.

Was zur Wahrheit auch gehört

Wenn also am Nachmittag Heike Raab, Staatssekretärin Rheinland-Pfalz und Koordinatorin der Rundfunkkommission, sowie Andreas Handschuh, Chef der Staatskanzlei Sachsen und Vorsitzender der Ministerpräsidentenkonferenz, die Petition in Empfang nehmen, haben die Unterzeichner einen Punkt: Ausgerechnet Phoenix einzusparen ist wenig sinnvoll.

Zur Wahrheit gehört aber auch: Sein Marktanteil ist kontinuierlich gesunken und liegt bei 0,8 Prozent.

Die bis zu 500 Stunden Debatten im Bundestag im Jahr können sich Politikjunkies ohnehin weiter reinziehen – der Bundestag selbst bietet einen Livestream an. Dass er unkommentiert ist, dürften viele Zuschauer als Gewinn betrachten. Bezahlt wird das Parlamentsfernsehen von den Steuerzahlern.