Spiel mit dem Feuer

Die militanten Impfgegner und die Folgen ihrer Aktivitäten

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Von einer Waldorf-Schule ausgehend ist es in Österreich und im bayerisch-österreichischen Grenzgebiet zu einer massiven Masern-Epidemie gekommen. Masern - bis vor einigen Jahren eine ernsthafte Kinderkrankheit, die in den Industrieländern aufgrund der Verfügbarkeit einer Schutzimpfung gut zu vermeiden war. Die WHO hoffte, die Masern in Europa bis 2010 sogar ganz eliminieren zu können (PDF-Datei). Aber während außerhalb der entwickelten Welt immer noch hunderttausende Kinder pro Jahr an Masern sterben, mehren sich auch aus den Industrieländern wieder die Berichte über Masernausbrüche.

So zum Beispiel in England, wo die Masernerkrankungen in der jüngsten Zeit sprunghaft zugenommen haben. Im Zusammenhang mit der Fußball-Europameisterschaft in Österreich und der Schweiz wird den Reisenden empfohlen, ihren Masernimpfschutz zu überprüfen, denn in den Alpenländern wurden in letzter Zeit massive Ausbrüche der Krankheit beobachtet.

Mindestens einer dieser Fälle lässt den Schluss zu, dass nicht nur Impfmüdigkeit in der Bevölkerung und eine falsche, aber weit publizierte Studie über den angeblichen Zusammenhang von Masernschutzimpfungen und Autismus an den Impflücken schuld sind, sondern auch ideologische Vorbehalte gegenüber Impfungen, die eigentlich besiegten Infektionskrankheiten in bestimmten Milieus eine Renaissance erlauben.

Was war geschehen? In einer österreichischen Waldorfschule brachen aufgrund des mangelnden Impfschutzes unter den Schülern Anfang April die Masern aus. Die Krankheit griff schnell um sich, so dass dieser Epidemie schlussendlich nahezu 200 Fälle in Österreich und im bayerisch-österreichischen Grenzgebiet zugerechnet werden mussten.

Schnell machten Behauptungen die Runde, Schüler der betroffenen Schule seien von ihren Eltern bei sogenannten "Masern-Partys" dem Erreger absichtlich ausgesetzt worden. Anthroposophie-Kritiker wiesen auf die Ideen Rudolf Steiners (Begründer der Anthroposophie und der Waldorf-Schulen) zum Thema Krankheit und Karma hin.

Neben anderen Dingen stellte sich heraus, dass der Schularzt der betreffenden Schule die Voraussetzungen für eine Tätigkeit als Arzt und insbesondere als Schularzt nicht erfüllte. Zum Schluss war die Schule gezwungen, allen Schülern, die nicht über einen ausreichenden Impfschutz gegen Masern verfügten, den Zutritt zur Schule zu verweigern, was vorübergehend eine erhebliche Ausdünnung der Schulklassen zur Folge hatte.

Wenn die Krankheit einmal ausgebrochen ist, sind Ärzte machtlos

Im Internet entspann sich eine lebhafte Diskussion über die Rolle der Impfmüdigkeit und der Impfgegner bei der Weiterverbreitung von Infektionskrankheiten wie den Masern. Immer wieder wurde dabei auf die niedrige Impfrate bei Waldorfschülern hingewiesen und auf die bizarren Ansichten der Anthroposophen.

Ärzte betonten, dass eine Maserninfektion keineswegs eine Lappalie ist, sondern erhebliche Risiken mit sich bringt: die Letalität der Masern ist an sich schon nicht vernachlässigbar; dazu kommen mögliche Komplikationen wie zum Beispiel Hirnhaut- und Lungenentzündungen, sowie, als seltene aber schreckenerregende Spätfolge die subakute sklerosierende Panenzephalitis.

Auch deswegen empfehlen Vertreter der Standardmedizin die Standardvorbeugung gegen Masern: Impfungen. Wenn die Krankheit einmal ausgebrochen ist, sind sie, wie sie gern zugeben, machtlos. Egal ob sie aus ideologischer Borniertheit oder aus Nachlässigkeit entstanden sind: Für die jüngsten Ausbrüche der Masern in Österreich, der Schweiz und Detuschland waren immer Impflücken verantwortlich. Was natürlich nicht heißt, dass ideologische Borniertheit die Sache nicht verschlimmern kann. Während die betroffene österreichische Waldorf-Schule per Pressemitteilung empört den Verdacht zurückweist, dass sie den Eltern vom Impfen abrät, gibt der ein oder andere Homöopath schon einmal zu, dass er sogar die absichtliche Infektion von Kindern mit den Masern für sinnvoll hält.

Trübe Szene

Es ist eine trübe Szene, in der sich die "Impfkritiker" umtun. Neben den Anthroposophen und den Homöopathen tummeln sich dort auch noch die Anhänger der "Germanischen Neuen Medizin" (vgl. Neue Germanen, alte Germanen) und andere.

Aber ob sie nun an Karma, an das Simile-Prinzip, oder an die Verwerflichkeit von Medikamenten überhaupt glauben - auf den Spuren ihrer jeweiligen Gurus wandelnd wirken sie alle wie Kühe, die aufs Eis gegangen sind, weil ihnen zu wohl war. So sehr man die Attraktivität der Quacksalberei in anderen Bereichen auch verstehen mag: Diese Sorte "Impfkritik" (die nichts mit seriöser, faktenbasierter Kritik an bestimmten Präparaten und Vorgehensweisen zu tun hat) bietet durchgängig das Bild einer esoterisch aufgedonnerten Zivilisationsmüdigkeit, die ihre Aufgabe darin sucht, Sinn in vermeidbarem Elend zu suchen, das sie selber anrichtet.

Gegen jede Form der rationalen Kritik geimpft, schaden die Impfgegner dabei allerdings nicht nur sich selbst (was nun freilich allein ihre Sache wäre), sondern anderen, die sich gegen den Unsinn nicht wehren können - hauptsächlich ihren eigenen und fremden Kindern. Wenn die Sache aus dem Ruder läuft, dürfen die ansonsten vielgeschmähten Gesundheitsbehörden und die Standardmedizin versuchen, das Chaos wieder in Ordnung zu bringen. Und das Ziel der WHO, die Masern wenigstens dort zum Verschwinden zu bringen, wo die ökonomischen Umstände das erlauben, entschwindet in weite Ferne.