Spiele lieber ungewöhnlich

Während die Produktionskosten für Computer- und Videospiele explodieren, erweisen sich mobile Konsolen wie die Nintendo DS und PSP wegen ihrer geringeren Budgets als Spielwiesen für neue Ideen abseits üblicher Genre-Schubladen

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Die Videospielindustrie krankt nicht an Ideenarmut. Was ihr zu schaffen macht, ist die mangelnde Risikofreude der Geldgeber, die inzwischen mehrere Millionen Euro in ein durchschnittliches Computer- oder Videospiel investieren müssen. Da wollen das Marktumfeld und die Zielgruppe genau analysiert sein. Man geht lieber den bequemen Weg auf ausgetretenen Pfaden, schmückt sie allenfalls mit opulenterer Grafik aus, als sich im Dickicht neuer Spielideen zu verlieren.

Während die kommenden Next-Generation-Konsolen Xbox 360 und Playstation 3 diesen Trend dramatisch verstärken werden, finden neue Ideen zunehmend auf mobilen Spielkonsolen ihren Weg in die Händlerregale. Die Produktionskosten machen hier nur einen Bruchteil derer für ein PC-, PS2-, Xbox- oder Gamecube-Spiel aus. Dementsprechend sind eventuelle Flops für die Publisher besser zu verkraften.

Nintendo hat gar die gesamte Architektur seiner stiftgesteuerten Zweischirmkonsole DS auf die Entwicklung neuer Spielkonzepte ausgelegt, die besonders bisherige Nichtspieler ansprechen sollen. Bisher waren die Ideen der Spieldesigner jedoch sehr bemüht. Zwar gab es gute Ansätze, wie die indirekte Figurensteuerung des Jump-and-Runs "Yoshi Touch and Go" oder die selbst gezeichneten Pac-Man-Figuren in "Pac Pix", die daraus resultierenden Titel konnte man jedoch allenfalls als Designerstudien denn als ausgewachsene Videospiele bezeichnen. Erst jetzt kommen mit "Nintendogs" oder "Meteos" die ersten erwachsenen Titel auf den Markt, die dem Anspruch der DS gerecht werden.

Sony hat seine Playstation Portable zwar konventioneller ausgerichtet, aber auch hier gibt es neben einer wahren Flut von Rennspielen inzwischen eine reichhaltige Auswahl an Titeln, die völlig neue Wege gehen. Im Folgenden stellen wir die interessantesten Titel für beide Plattformen vor und bewerten sie mit Spielspaßnoten von 1 (miserabel) bis 10 (kongenial).

Der Japaner Tetsuya Mizuguchi ist im letzten Jahr mit seinem Studio Q Entertainment zum absoluten Star der Entwicklerszene aufgestiegen. Für die Playstation Portable entwickelte er das Geschicklichkeitsspiel "Lumines". Was zunächst nur wie ein weiterer Tetris-Clone aussieht, entpuppt sich durch die enge Verknüpfung mit Trance-, House- und Popmusik zu einem hypnotischen Zeitkiller. Aus herunterfallenden Klötzen muss man Quader aus vier gleichfarbigen Feldern zusammenstellen, die durch einen von links nach rechts laufenden Taktstrich gelöscht werden. Im Minutentakt wechseln sich dabei die Farben und Formen der Spielsteine und die Musikelemente ab. "Lumines" beweist, dass man durch die neuartige Verknüpfung von einfachen Spielelementen mit musikalischen Formen selbst aufwendige 3D-Spiele ausstechen kann. Um im Endlos-Spiel neue Grafik- und Musikthemen freizuschalten, muss man allerdings Geduld mitbringen, da man stets von neuem mit bereits bekannten Mustern starten muss. (8)

Tetrix auf LSD: Lumines zieht den Spieler durch hypnotische Rhythmen und Farbwechsel in seinen Bann.

Während "Lumines" eher einer 30- bis 60-minütigen Entspannungsübung gleicht, wirkt "Meteos", das Q Entertainment für den Nintendo DS entwickelt hat, wie eine hektische Zwischenmahlzeit. Farbige Meteore fallen von oben auf dem Bildschirm herab. Der Spieler muss mit dem Stift drei gleichfarbige in einer Reihe anordnen, dann erhebt sich die Reihe gen Himmel und räumt den Platz für neue Himmelsobjekte. Meteos ist in kurze nur wenige Minuten dauernde Abschnitte aufgeteilt. Zwar spielt Q Entertainment auch hier mit verschiedenen Klängen und Musikstilen, diese sind aber nicht so bestimmend, wie in Lumines. (7)

Hektische Zwischenmahlzeit: Bei Meteos muss man gleichfarbige Symbole gruppieren.

Zuvor hat Nintendo bereits mit Polarium ein komplett in Schwarz und Weiß gehaltenes Knobelspiel veröffentlicht, bei dem man vorgegebene Muster in durchgehende horizontale Reihen verwandeln muss, damit sie vom Bildschirm verschwinden. Allerdings darf man dazu nicht den Stift absetzen, sondern muss die Lösung in einem Zug ausführen. Hat man das Prinzip einmal raus, stellen die 100 Einzelpuzzles keine große Hürde mehr dar. Der Tetris-Modus, bei dem stets neue Reihen von oben herunterfallen und durch geschicktes Zeichnen gelöscht werden müssen, schreckt hingegen durch unfaire Zeitlimits. Hier fehlte den Designern das Händchen für einen ausgewogenen Schwierigkeitsgrad. (5)

Eintönig: Mit einem Zug muss man in Polarium die vertrackten Schwarz-Weiß-Muster sortieren.

Ansprechender ist da schon Archer Macleans "Mercury" für die PSP, eine neue Variante von "Marble Madness", bei dem der Spieler durch geschicktes Kippen einer Plattform einem Quecksilbertropfen durch ein Labyrinth steuern muss. Dabei gilt es, knackige Zeitlimits zu unterbieten, möglichst wenig Quecksilber unterwegs zu verlieren, und schwierige Passagen mit Türen, Farbspritzen, Staubsaugern und Förderbändern zu umgehen. Der Schwierigkeitsgrad ist gut abgestimmt und die Steuerung mit dem analogen Knopf denkbar einfach. Schade nur, dass Mercury lediglich 72 Labyrinthe mitbringt und ohne Editor für eigene Kurse auskommen muss. (7)

Tropfen für Tropfen: In Mercury muss man Quecksilber durch ein Labyrinth steuern.

Einen solchen Editor findet man im Geschicklichkeitsrennspiel "Gripshift" für die PSP - einer Mischung aus einem Autorennen und "Super Monkey Ball": Mit einem kleinen Buggy muss man Hindernisparcours abfahren und unter Zeitdruck Sterne aufsammeln. Gegenüber der zu steuernden Kugel in "Super Monkey Ball" haben die Fahrzeuge in "Gripshift" jedoch den gravierenden Nachteil, dass sie nicht seitwärts fahren können. Die Hindernisrennen geraten so zur Geduldsprobe, bei denen man öfter als einem Lieb ist in den Abgrund stürzt. So bekommt man nur wenig Lust, mit dem Editor selbst neue Aufgaben zu kreieren. (6)

Rennspiel mit Kopfnüssen: In Gripshift landet man mit seinem Renner nur allzu oft im Abgrund.

Das Puzzlespiel "Frantix" für die PSP lehnt sich an Sokoban an. Der Spieler muss seine Figur durch ein Labyrinth mit allerhand Fallen und Aufgaben steuern und Kisten schieben, Schalter drucken, durch Treibsandfelder rennen und Edelsteine aufsammeln. Hört sich interessant an, ist es aber nicht, denn die mittelmäßige Ausführung, Präsentation und Schwierigkeitsabstimmung lässt stark zu wünschen übrig - als wenn "Frantix" von den Machern schnell hingepfuscht worden wäre. Das reißt auch der witzige Bonus-Animationsfilm ChubbChubbs nicht mehr heraus. (4)

Aneinandergereiht: Frantix stellt den Spieler vor willkürliche Puzzleaufgaben, bei denen er Edelsteine aufsammeln muss.

Wie coole Animationen und Charaktere aber selbst ein mittelmäßiges Spiel aufwerten können, zeigt das "Jump-and-Rum Death Jr." für die PSP. Die morbide Geschichte um den kleinen Sohn des Sensenmannes wirkt ähnlich skurril wie seinerzeit American McGees Alice für den PC. Death Jr. ist ein Dreikäsehoch, der seine Sense zwar kaum halten kann, aber mit ihr wie ein Ninja umherwedelt und gegnerische Monster niedermäht. Wenn er über größere Abgründe hüpfen will, nutzt er sie wie ein Hubschrauber-Rotorblatt. Spielerisch ist das kampflustige Jump-and-Run allerdings nicht ganz so ausgereift und so hadert der kleine Tod beim Zielen mit seiner Pistole und mit der Kamera, wenn er auf den 3D-Karten den Ausgang sucht. (6)

Dreikäsehoch mit Sense: Death Jr. ist ein cool animiertes Jump-and-Run mit unübersichtlicher Kamera.

Als erste wirkliche Killer-Aplikation haben sich jedoch die "Nintendogs" auf der DS-Konsole eingenistet. In Japan sorgte der Titel für einen gehörigen Schub der Hardware-Verkäufe, die seitdem klar an erster Stelle, noch vor der Playstation2 und PSP rangieren. Der Hundesimulator nutzt geschickt die technischen Möglichkeiten des DS. Mit dem Stift kann man die Hunde kraulen und ihnen Bälle zum Spielen zuwerfen und über das eingebaute Mikrofon per einfachen Sprachbefehlen Kommandos zurufen, die sie zunächst lernen müssen. Die verrauschte Aufnahmequalität gibt dem Ganzen einen recht realistischen Touch, den die Hunde gehorchen - wie im richtigen Leben - häufig erst nach dem zweiten oder dritten Mal.

Der Sinn von "Nintendogs" liegt in dem Training des Hundes, um mit ihm auf Wettbewerben Pokale zu gewinnen. Damit die Spieler der Sucht nicht völlig verfallen, haben die Nintendogs nur eine begrenzte Kondition und können pro Tag maximal drei Wettbewerbe absolvieren. Das Spiel spricht durch seinen Niedlichkeitsfaktor besonders Frauen und Kinder an. Letztere sollten jedoch auf jeden Fall lesen können, um die Anleitungstexte zu verstehen.

Trotz der technischen Güte der simulierten Hunde, ersetzen Nintendogs jedoch keine realen Vierbeiner, mit denen man auch die negativen Seiten eines Hundelebens durchstehen muss. Nintendogs sind immer freundlich, von Geburt an stubenrein, sie haaren und stinken nicht, knurren nicht, beißen keine Briefträger, versuchen keine Hosenbeine zu penetrieren, lassen sich nicht schlagen oder zu Kampfhunden abrichten, und müssen in der Urlaubszeit nicht ins Tierheim. Schöne neue Hundewelt. (8)

Auf den Hund gekommen: Nintendogs sind absolut stubenrein, beißen nicht und müssen auch nicht im nasskalten Herbstwetter Gassi geführt werden.

Als weiteres Highlight veröffentlichte Nintendo kürzlich das Strategiespiel "Advanced Wars DS". Schlachten werden hier in Runden ausgekämpft, in denen man seine Einheiten bewegt, Gegner angreift, Städte und Fabriken einnimmt und neue Truppen produziert. Die Regeln sind dabei relativ einfach gehalten, durch die unterschiedlichen Truppentypen und die ausgeklügelten Schlachtfelder erreicht "Advanced Wars" aber einen enormen Tiefgang.

Gegenüber den Vorgängern für den Gameboy Advanced ist ein Tandemmodus hinzugekommen, bei dem man auf zwei Schlachtfeldern gleichzeitig kämpft und Truppen von einem Bildschirm zum anderen Transferieren kann. Der hektische Echtzeitmodus kann hingegen nicht überzeugen, da man immer nur eine Einheit steuert und kaum taktischen Spielraum hat.

Wer die Vorgänger kennt, mag über die unveränderte Grafik und viele altbekannte Schlachtfelder die Nase rümpfen. Am meisten stört jedoch die schwache Computer-Intelligenz, die selten einen konsequenten Plan über mehrere Züge verfolgt, sondern immer nur aus der aktuellen Situation heraus handelt. So wird sie nur dann zum ernsten Gegner, wenn sie materiell stark im Vorteil ist. Trotzdem fesselt "Advanced Wars DS" über Stunden und lässt die technischen Unzulänglichkeiten der Konsole vergessen. (8)

Strategie-Epos mit schwacher K.I.: Advanced Wars DS knüpft an den Erfolgen der Gameboy-Vorgänger an.

Für die PSP gibt es derzeit keine vergleichbaren Strategietitel. Am ehesten fällt noch "Metal Gear Acid" in dieses Genre. Im Unterschied zu den Vorbildern der Playstation 2 ist "Metal Gear Acid" kein Schleich-Shooter, sondern ein rundenbasiertes Taktikspiel, bei dem der Spieler die Bewegungen und Aktionen anhand von Spielkarten ausführen muss. Unverändert blieb jedoch das Spielprinzip, mit einem Agenten feindliche Militär- und Forschungsbasen zu infiltrieren und sich unbemerkt an Wachen vorbei zu schleichen. Die Umsetzung funktioniert erstaunlich gut, man wünscht sich nach einigen Missionen jedoch etwas mehr Abwechslung, da die Spielsituationen zwar immer komplexer und schwieriger werden, aber kaum variieren. (7)

Karten-Schleicher: In Metal Gear Acid muss man den richtigen Zug wählen, um unbemerkt an den Wachen vorbeizukommen.

Vergleicht man das Angebot beider Konsolen, so kann die PSP natürlich mit einer allgemein besseren Präsentation auftrumpfen. In der kurzen Zeit in der sie auf dem Markt ist, sind bereits viele Titel erschienen, die keine bloßen Remakes von Konsolenvorbildern sind. Beim Nintendo DS verbieten sich diese von vorneherein. Die Designer scheinen sich an die spielerischen Eigenheiten der Stifteingabe langsam zu gewöhnen und in tragfähige Spielkonzepte umzusetzen, von denen immer mehr die technischen Nachteile bei der Präsentation vergessen lassen.