Spielfilm oder Filmspiel - am Ende ganz gleich?
Auf dem Weg zum Multiplattformspiel
Die Vereinigung aus Game und Film scheint schon ewig im Gespräch. Spieleentwickler, Science-Fiction-Autoren und Regievisionäre glauben fest daran. Doch wie und wann das neue Zeitalter der Unterhaltung anbricht, ob es nur als interaktiv forderndes Filmgenre anstrengt oder sich eigenständig entwickelt, so dass seine Vorgänger zum Oldschool-Erlebnis degenerieren, ist schwer abschätzbar – insbesondere gemessen am Stand heutiger künstlerisch uninspirierten Verbindungen. Einige angekündigte Entwicklungen geben trotzdem Grund zur Hoffnung.
Da liegt er vor uns: Ein riesiger Haufen Spiele zu Filmfranchises, angesammelt über Jahre; kein Ende in Sicht. Ein Nebenprodukt, das im goldenen Zeitalter der Spiele den Extra-Kick gab. Ihre Kommerzialisierung begann 1983 mit Ataris Automaten "Star Wars", dem ersten erfolgreichen Spielmerchandise zu einem Film – kein schlechter Anfang, denn das Weltraumballerspiel zu „Star Wars: Episode IV – Eine neue Hoffnung“ konnte mit seiner futuristischen 3D-Vectorgrafik dem Feeling der Science-Fiction-Saga entsprechen.
Zur gleichen Zeit ging „James Bond 007“ von Parker Bros. als Paradebeispiel des durchschnittlichen Filmspiels in die Geschichte ein: Das teils fehlerhaft programmierte Game für Atari 2600, Atari 5200, Commodore 64 und ColecoVision sah okay aus, die Spielidee entsprach jedoch der des ein Jahr zuvor erschienen Sidescroller-Hits „Moon Patrol“, bei dem ein Auto Schlaglöchern und Bombengeschossen ausweichen muss, und war äußerst schlecht umgesetzt – die Kombination aus zugkräftiger Lizenz und Handarbeit verspricht genug Gewinn.
Authentische Games zu Filmen kamen lange nur von George Lucas, dessen Spieleschmiede Lucasfilm Games (1991 umbenannt in Lucasarts bis heute am Ball ist und u. a. mit dem 1989 erschienenen Point ´n´ Click-Adventure „Indiana Jones and the Last Crusade“ Computerspielgeschichte schrieb.
So richtig holterdiepolter ging es ab 1995, dem Beginn der PlayStation-Ära, und heute wird kaum mehr ein Kinoblockbuster ohne parallel erscheinendem Spiel veröffentlicht. Ein Problem, das eigentlich keins ist, wird zu einem: Der Markt der Unterhaltungssoftware wächst und Filmspiele verkaufen sich in kommerziellem Rahmen nur mit bekanntem Spielkonzept. Sie dürfen den Großteil der Zielgruppe (Junge und Gelegenheitsspieler) nicht überfordern. Innovationen, an denen das Profi-Entwicklerteam derweil arbeitet, wären Perlen vor die Säue und würden ohnehin im Schatten der Filmmarke untergehen.
So kommt es, dass die Qualität von Activisions Spider-Man-Games, die für jedes Spiel-zum-Film die Treyarch Entwicklerstudios bemühten, beständig abnahm. Optisch stagnierte der Spaß ebenso wie spielerisch: Missionen des Action-Adventures „Spider-Man 2“ ähnelten sich einander zu sehr, technische Probleme mit der Steuerung kamen hinzu und im kürzlich erschienenen dritten Teil öden eintönige Kampftechnik, unzeitgemäße Grafik und eine zusammenhangslose Story.
Ähnliches gilt für Games wie Stormfronts „Eragon“, ein billiger Abklatsch ihres zuvor so unterhaltsamen Actionspiels "Herr der Ringe: Die zwei Türme", dessen vier Jahre altes Spielprinzip ohne viel Zutun übernommen wurde: Dreidimensional gestaltete Wege ablaufen, Gegnerklone zerlegen und ein, zwei verschiedenartige Sammelgegenstände suchen. Zum Schluss des Levels kommt ein Endboss, dem, wie jüngst in „Pirates of the Caribbean: Am Ende der Welt“, nur mit Specialmoves beizukommen ist. Trotz sauberer Atmosphäre, die die Stimmung des Films um Captain Jack (Johnny Depp) wiedergibt, fallen selbst Fans vor Eintönigkeit die Augen zu.
Gut gemachte Games zu Filmen sind so selten, dass man weit zurück muss (Es sei denn, man hat ein Alter, in dem nette Adaptionen von „Cars“ oder „Ice Age 2“ unterhalten können). Der Ego-Shooter „GoldenEye 007“ für Nintendo 64 ist fast zehn Jahre alt, verkaufte sich weltweit mehr als acht Millionen Mal, erreichte Kultstatus und wurde hierzulande indiziert, ein Schicksal, dem „Chronicles of Riddick: Escape from Butcher Bay“ (2004) für die erste Xbox, ein Ego-Shooter mit toller Grafik und abwechslungsreichem Gameplay, entgehen konnte.
Dessen Nähe zum Filmpendant vertiefte die Beziehung der beider Medien: Eine speziell konzipierte Handlung gilt als Vorgeschichte zu den Filmen, „Pitch Black - Planet der Finsternis“ und „Riddick: Chroniken eines Kriegers“: Schwerverbrecher Riddick, Antiheld der Filme, muss dem Gefängnis und seinem persönlichen Verfolger entfliehen, ein Akt, der ihm letztlich gelingt und in die Filmhandlung übergeht. US-Schauspieler Vin Diesel verkörpert und spricht auch im Spiel die Titelfigur. Ende 2007 soll die Saga mit „The Chronicles of Riddick: Assault on Dark Athena“ auf Xbox 360 und PlayStation 3 fortgesetzt werden.
Erfreuliche Ausnahmen umgekehrter Kooperation sind noch seltener, die Fehler ähnlich abtörnend. Aufmerksam auf Videospiele wurde das Kino Anfang der 80er: Disneys virtuelle Fantasie „Tron“ (1982) floppte zwar, sein computergeneriertes Lightcycle-Rennen ging aber in die Filmgeschichte ein. Der 1983 erschienene Film „War Games“ mit Jungstar Matthew Broderick verband das Zocken mit der Kalten Krieg-Thematik und hatte ebenso spannende wie filmhistorisch erinnerungswürdige Momente.
Während Comicverfilmungen als Blockbuster akzeptiert werden, weist die lange Liste der Spielverfilmungen nicht ein Highlight auf. Egal ob Top-Franchises wie Lara Croft: Tomb Raider, Final Fantasy, Super Mario Bros., Resident Evil, Silent Hill oder Doom verwurstet werden - noch haben die Umsetzungen nicht mehr als B-Film-Niveau zu bieten. Ein deutscher Regisseur und Produzent hat sich sogar zur Sache gemacht, sämtliche Game-Franchises mit unterirdischen Filmproduktionen zu zerstören: Uwe Boll schafft es trotz miesester Kritiken und Zuschauerreaktionen zu Kultspielen wie „Blood Rayne“ und „Alone In The Dark“ weiterhin Rechte und Geldgeber für Game-Verfilmungen an Land zu ziehen – demnächst müssen „Postal“ und „Far Cry“ dran glauben.
Einen Schimmer Hoffnung macht uns Hollywood dank neuer Techniken, von denen beide Mediengenres profitieren und durch die sie sich möglicherweise schneller aufeinander zubewegen: z.B. will Titanic-Regisseur James Cameron sein für 2009 terminiertes Science-Fiction-Epos „Avatar“ ganz in Digital-3D zeigen. Herr der Ringe-Regisseur Peter Jackson bekräftigte unlängst seinen Willen, mit Wunschregisseur Neill Blomkamp Bungies Microsofts Hitserie Halo zu verfilmen und glaubt nach Veröffentlichung des dritten Teils das abgeebbte Interesse der Hollywood-Studios 20th Century Fox und Universal Pictures zurück zu gewinnen.
Der Weg zu einem neuen Medium aus Game und Film liegt aufgrund aktueller Tatsachen noch in unabsehbarer Ferne, auch wenn mit John Woo’s „Stranglehold“ für PlayStation 3 erstmals beide Medien auf einer Disc vermarktet werden: Das Spiel soll den kompletten Woo-Film „Hard Boiled“ (1992) in 1080p-Auflösung enthalten.
Visionäre wie Guillermo del Toro sind dennoch fest davon überzeugt, dass kein Weg an einer Bündelung vorbei geht; del Toro bereitet sich, laut eines Interviews mit ign.com, schon längst darauf vor: „Ich glaube, dass die Zukunft des Geschichtenerzählens auf interaktiver Ebene liegt und dass sie mehr oder weniger aus einer Ehe von Filmen, Videospielen und Fernsehen entspringt“, so der Regisseur von „Pan's Labyrinth“, „Hellboy“ und „Blade II“.
Ich denke, es wird in den nächsten fünf Jahren losgehen: Alle Plattformen werden miteinander verschmelzen, so dass man auf diesem Multiplattformspiel voranschreitet und sich eine Geschichte entfaltet, deren Wendungen bis zum letzten Moment verdeckt sind und (live) aus dem Internet geladen werden. Der Zuschauer entfaltet ihren Verlauf. Die Technologie ist da und es wird Zeit, dass sie eingesetzt wird.