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Spurensuche nach Technosignaturen in außerirdischen Atmosphären

Bild: ESO

US-Astronomen schlagen vor, in den Atmosphären erdähnlicher Exoplaneten nach künstlichen Schadstoffen zu suchen, die von einer hochtechnisierten extraterrestrischen Industrie stammen

Im Januar 2007 stellte der Harvard-Professor und theoretische Astrophysiker Abraham Loeb in einem Paper [1] eine neue SETI-Strategie vor. Er schlug vor, nach Emissionen von Radio- oder TV-Sendungen außerirdischer Kulturen zu suchen, die schlichtweg als Abfallprodukt ins All hinausgetrieben worden sind und uns zufällig erreichen. Jedwedes TV- und Radiosignal von deren Heimatwelt müsste mit einem sensiblen Radioteleskop zu registrieren sein. Jetzt stellen Loeb und zwei weitere Forscher eine neue SETI-Variante vor, die seiner Idee von 2007 in puncto Originalität in nichts nachsteht. Sie schlagen vor, in naher Zukunft mit dem James Webb Telescope die Atmosphären erdnaher erdähnlicher Exoplaneten spektrografisch zu durchleuchten und dort nach chemischen Abfallprodukten Ausschau zu halten, nach Emissionen einer außerirdischen Industrie. Hierbei spielen ausgerechnet FCKWs eine wichtige Rolle.

Es mag ein Segen für Astronomen sein, dass jedes chemische Element einen typischen Fingerabdruck aufweist, der bei der Spektralanalyse zum Vorschein kommt, besser gesagt beim Spektropolarimetrie [2]-Verfahren Konturen gewinnt.

Konventionelle Biomarker

Von dieser chemischen Eigenart profitieren insbesondere jene Planetenforscher, die über hochempfindliche Fernrohre mit einem leistungsstarken Spektrografen verfügen, der das von extrasolaren Planeten reflektierte stellare Licht in seine verschiedenen farblichen Bestandteile zerlegt, im Infrarotlicht die Temperatur misst und parallel dazu die chemische Zusammensetzung der Atmosphären bestimmt.

Um Biosignaturen respektive Biomarker zu finden, die auf außerirdisches Leben in fernen Atmosphären hindeuten, haben die Planetenjäger der Moderne vornehmlich erdähnliche, in habitablen Zonen gelegene Welten im Visier, in deren Atmosphären idealerweise das Element Sauerstoff vorhanden ist. Sauerstoff bzw. Oxygenium fällt auf der Erde als Nebenprodukt der Photosynthese an, wird aber auch bei vielen nicht-biologischen Prozesse frei und konzentriert sich in der Atmosphäre und wohl auch in Exo-Atmosphären - ebenso wie Wasserdampf, der ebenso ein guter Biomarker ist.

Weitaus zuverlässigere Indikatoren für biologische Aktivität hingegen sind die chemischen Verbindungen Methan (CH4) oder Ozon (O3), bisweilen auch Kohlenstoffmonoxid (CO). Ihr Nachweis im Lichtspektrum wäre zumindest ein indirekter Beweis für die Anwesenheit von biologischem Leben fernab der Erde. Derweil aber ist weder ein erdgestütztes noch im Orbit operierendes Teleskop in der Lage, konventionelle Biosignaturen auf anderen Exoplaneten nachzuweisen.

FCKWs als Intelligenz-Marker

Abraham Loeb [3] von der Harvard University in Cambridge (MA) und Gonzalo Gonzalez Abad vom Harvard-Smithsonian Center for Astrophysics sowie Henry W. Lin vom Harvard College warten nunmehr mit einer völlig neuen Idee auf, bei der sogar unkonventionelle Biomarker die Hauptrolle spielen.

In dem online unlängst veröffentlichten Fachaufsatz Detecting Industrial Pollution in the Atmospheres of Earth-Like-Exoplanets (s.u.), der demnächst in dem Fachmagazin "The Astrophysical Journal" zu lesen [4] ist, zeigt das Forscher-Trio einen Weg auf, der sich abseits der klassischen SETI-Suchprogramme als gute Option erweisen könnte, intelligentes Leben fernab der Erde nachzuweisen. Es ist ein neuer Ansatz, bei dem es nicht darum geht, außerirdische Funk- und Lichtsignale mit leistungsstarken Schüsseln und Lichtteleskopen einzufangen, geschweige denn TV-Sendungen von Aliens aufzuzeichnen.

In diesem Paper diskutieren wir industriell bedingte Umweltverschmutzung als potenzielle Biosignatur für intelligentes Leben. Dadurch könnte man eine alternative Methode zu SETI erhalten und sich von der direkten Detektion elektromagnetischer Wellen, die von einer außerirdischen Zivilisation stammen, abheben.

Die Tür zu den Aliens könnte mit dem Schlüssel Fluorchlorkohlenwasserstoffe geöffnet werden, glaubt das Wissenschaftler-Trio. Fluorchlorkohlenwasserstoffe sind niedermolekulare organische Verbindungen. Die Verbindungen dieser Stoffgruppe sind nicht brennbar, geruchlos und weisen eine geringe Toxizität auf. Wurden FCKWs noch im letzten Jahrhundert verstärkt als Treibgase für Haarsprays, Lösemittel oder Kältemittel für Kühlschränke, Klimaanlagen etc. kommerziell und industriell genutzt, so ist ihr Einsatz heute indes auf den meisten Anwendungsfeldern verboten. Denn entweicht dieses Molekül in die Atmosphäre, forciert es den Abbau der Ozonschicht in der Stratosphäre (Ozonloch) signifikant.

Avi Loeb. Bild: Harvard University

Da FCKWs reaktionsträge sind, verweilen sie in der Stratosphäre sehr lang, manche Verbindungen je nach Konzentration bis zu 50.000 Jahre. Gerade deshalb eignen sie sich nahezu perfekt als Biomarker für den Nachweis von intelligentem Leben. Nicht zuletzt deshalb, da derlei Treibhausgase in der freien Natur nicht vorkommen. Auf der Erde weist seine Anwesenheit "im großem Umfang" auf "menschliche Aktivität" hin, auf anderen erdähnlichen Welten würde sein Vorhandensein auf außerirdische industrielle Aktivität hindeuten, betonen die Forscher. "Wir fokussieren uns auf Tetrafluormethan (CF4) und auf Trichlorfluormethan (CCl3F), welche die am leichtesten entdeckbaren Fluorchlorkohlenwasserstoffe sind, die von menschlicher Aktivität herrühren", schreiben die Forscher in ihrem Artikel.

Technosignatur mit Langzeiteffekt

Der Vorteil dieser Observationsvariante bestünde Loeb zufolge darin, dass Planetenforscher auf der Suche nach Zwillingserden automatisch nach Spuren von Methan und anderen Verbindungen wie Kohlendioxid suchen. "Es ist kein allzu großer Extra-Aufwand, auch nach Anzeichen von intelligentem Leben zu suchen", sagt Lin gegenüber dem Online-Magazin Astrobio.net [5].

Beispiel Planet Mars. Methankonzentration in der Atmosphäre. Herkunft unbekannt. Bild: NASA

Von Vorteil sei auch die relative lange Verweildauer von bestimmten FCKWs in der Atmosphäre. Während einige sich dort nur einige Jahre halten, überdauern andere hier Zehntausende Jahre. Deshalb muss der Nachweis von FCKWs in der Atmosphäre einer Zwillingserde nicht automatisch bedeuten, dass der detektierte Planet auch bewohnt ist. Es könnte sich hierbei nach Ansicht von Loeb genauso gut um eine ausgestorbene Welt handeln, um einen Planeten, dessen Zivilisation das Opfer ihrer eigenen Umweltverschmutzung geworden ist.

Oder es handelt sich um einen Planeten, deren Bewohner die Zeichen der Zeit noch rechtzeitig erkannt und längst eine Kehrtwende eingeleitet haben. "Wir können dann spekulieren, ob die Aliens klüger geworden und die Umweltverschmutzung beendet haben", so Loebs Kommentar in der offiziellen Harvard-Pressemeldung [6]. "In einem dunkleren Szenarium könnte uns dies als Warnsignal dienen, das uns die Gefahren aufzeigt, wenn man mit seinem Planeten nicht sorgsam umgeht."

Etwas ältere Idee

Die Ersten, die ihren Blick auf die nunmehr von Loeb und seinen Kollegen vorgeschlagenen Technosignaturen richteten und auf die Idee aufmerksam machten, waren Mitglieder eines interdisziplinär organisierten Nonprofit-Netzwerks namens "Blue Marble Space Institute of Science" (BMSIS [7]), dem vornehmlich Naturwissenschaftler rund um den Globus angehören, die sich mit der Erforschung der Erde, des Weltraumes und der Zukunft der Menschheit auseinander setzen.

Intelligentes Leben könnte auch in Mehrfachsystemen existieren. Bild: ESO/Kornmesser

Das BMSIS-Team wurde bereits im November 2012 mit der Idee vorstellig, wonach eine industrialisierte Zivilisation bei der Nutzung seiner planetaren Ressourcen für die Fabrikation automatisch Abfallstoffe produzieren könnte. Diese würden sich in der Atmosphäre konzentrieren und könnten dort mit leistungsstarken Teleskopen und Spektrografen nachgewiesen werden. "Wir sind nur noch eine Dekade davon entfernt, die Zusammensetzung der Atmosphären extrasolarer Planeten detailliert zu untersuchen", verdeutlichtet [8] seinerzeit Sanjoy Som vom BMSIS.

Gegenüber Telepolis legt Abi Loeb großen Wert auf die Feststellung, dass die eigene aktuelle Studie die erste wissenschaftlich Fundierte ihrer Art sei, da Som und sein Team hierzu nichts publiziert haben: "Andere Leute mögen diese Idee durchdiskutiert haben, aber unseren Ansatz haben wir als Erste in einem Fachartikel mit echten Berechnungen vorgestellt."

JWST als Perspektive

In ihrem sechsseitigen Beitrag verweisen Lin, Abad und Loeb auf den Nachfolger des NASA-ESA-Weltraumteleskops Hubble, dem James Webb Space Telescope (JWST [9]). Es wird mit großer Wahrscheinlichkeit in vier Jahren ins All starten [10] und kosmische Objekte ausspähen, die nur ein Hundertstel so hell sind wie das Gros der Kandidaten, die Hubble bislang ins Visier genommen hat.

Sirius A: 10.000-mal heller als sein "binärer Partner" Sirius B, der ein klassischer Weißer Zwergstern ist und sich als kleiner weißer Punkt unten links im Bild zu erkennen gibt. Der 8,6 Lichtjahre entfernte Weiße Stern wäre ein potenzielles Ziel für Loeb und Co. Bild: NASA, H.E. Bond and E. Nelan (Space Telescope Science Institute, Baltimore, Md.); M. Barstow and M. Burleigh (University of Leicester, U.K.); and J.B. Holberg (University of Arizona)

Dank seines 6,5-Meter-Durchmesser großen Primärspiegels mit seinen 18 hexagonalen, aus superleichtem und stabilem Beryllium bestehenden Segmenten kann das JWST selbst das schwache Licht erdnaher Exoplaneten einfangen. Hierfür muss sich das JWST zunächst einmal auf den Transit des Zielplaneten vor seinem Muttergestirn fokussieren. Wenn aus der Perspektive des Beobachters der Sterntrabant zwischen Teleskop und extrasolarer Sonne steht und die Planetenbahn nahezu senkrecht zur Himmelsebene liegt, schimmert das Sternenlicht für einen kurzen Zeitraum durch die Planetenatmosphäre. In dieser kurzen Zeitspanne muss das JWST das gefilterte schwache Licht des Sterns sammeln und bündeln, bevor dann der Spektrograf gezielt nach den Biomarkern oder Technosignaturen sucht. Dabei könnte das JWST, wie Berechnungen des Forschertrios ergaben, allerdings nur FCKW-Smog finden, der zehn Mal stärker konzentriert ist als in der irdischen Atmosphäre derzeit.

Strategische Suche

Als geeignete Zielsterne eignen sich nach Ansicht der Wissenschaftler Weiße Zwergsterne, kompakte Sternleichen in der Größe von der Erde, weil deren schwaches Licht das reflektierte Licht des Exoplaneten nicht überstrahlt und weil das Sternenlicht das atmosphärische Signal des observierten Planeten maximiert. Da Weiße Zwerge viel kompakter und kleiner sind als aktive Sterne, würde ein weitaus größerer Prozentsatz ihres Lichts durch die Atmosphäre eines dort potenziell vorhandenen Planeten scheinen, betonen Loeb und seine Kollegen. In diesem Fall wären die gesuchten Technomarker deutlich zu registrieren.

JWST. Bild: NASA

Gleichwohl zappelte bisher noch kein Weißer Zwerg mit eigenen Trabanten in den Fangnetzen der Planetenjäger. Bislang ist es noch nicht gelungen, einen Planeten um einen Weißen Zwergstern zu finden, geschweige denn einen erdähnlichen "intakten" Exoplaneten.

Um die Aussichten auf Erfolg zu erhöhen, schlagen die Astronomen in ihrem Paper daher folgende Vorgehensweise vor: Zuerst soll das JWST einen erdgroßen, erdähnlichen Planeten finden, der einen Weißen Zwerg in einer habitablen Zone umkreist. Danach gilt es, die Atmosphäre des Sterntrabanten spektrografisch zu analysieren. Binnen fünf Stunden Observationszeit sollten Biosignaturen wie Wasserdampf, molekularer Sauerstoff, Kohlendioxid etc., die auf nicht-intelligentes Leben hindeuten, zu registrieren sein.

Für die Detektion von eindeutig künstlich generierten Schadstoffen sind 1,5 bis zu drei Tage zu veranschlagen, sofern die Gaskonzentrationen dem rund Hundertfachen des derzeit irdischen Vorkommens entsprechen. Fände man normale Konzentrationen von konventionellen Biosignaturen, wäre dies ein Indiz für biologische Aktivität. Dann würde weitere Teleskopzeit erforderlich sein, um die normalen von den ungewöhnlichen Biosignaturen zu unterscheiden. Methan und N2O müssen bei den Messungen von den FWKs sauber separiert werden. Sollte hier ein Volltreffer gelingen, wäre zumindest der Beweis erbracht, dass auf dem observierten Planeten einst oder gegenwärtig eine Zivilisation existierte oder immer noch existiert, die ihre Atmosphäre absichtlich oder unabsichtlich verschmutzt, betonen die Autoren.

Intelligente und nicht-intelligente Merkmale

"Viele Menschen assoziieren mit ETs 'kleine grüne Männchen', doch den Extraterrestren, die mit dieser Methode aufzuspüren sind, sollte man nicht das Attribut 'grün' zuschreiben, verhalten diese sich doch gegenüber ihrer Umwelt unfreundlich", erklärt Avi Loeb. Es mute aber schon ironisch an, dass ausgerechnet jene hochkonzentrierten Molekülen, die einen großen Effekt auf die globale Erwärmung haben und die für das Worst-Case-Szenario hinsichtlich des irdischen Klimas stehen, das optimale Szenarium für die Entdeckung einer außerirdischen Zivilisation seien, schreiben die Astronomen in dem Paper.

Leben um Weiße Zwergsterne ist Loeb zufolge denkbar. Bild: ESO/Kornmesser

Einen detaillierten Observationsplan für das JWST habe man noch nicht ausgearbeitet, bestätigt Loeb auf Anfrage von Telepolis: "Zunächst einmal müssen wir geeignete Kandidatensysteme identifizieren, um eine spätere gezielte Beobachtung von erdnahen Weißen Zwergen zu ermöglichen."

Bei alledem schließt der Harvard-Student und federführende Autor der Studie, Henry Lin, nicht aus, dass unsere Atmosphäre selbst von Außerirdischen studiert wird. Vielleicht haben diese die Lufthülle unseres Planeten mit ihren Teleskopen längst spektrografisch analysiert. Und womöglich machen sie sich dabei so ihre eigenen Gedanken, vermutet Lin:

Wir werten Umweltverschmutzung in fremden Atmosphären als Anzeichen für intelligentes Leben, aber uns überlegene Zivilisationen könnten im Rahmen ihrer SETI-Programme unsere Umweltverschmutzung als Anzeichen für nicht-intelligentes Leben werten, ist es doch nicht klug, unsere eigene Luft zu verpesten.

ArXiv-Preprint [11]: "Detecting Industrial Pollution in the Atmospheres of Earth-Like-Exoplanets"

Der Autor dieses Beitrags schlägt vor, die von Loeb und Co. initiierte Suche nach Technosignaturen mit dem Akronym SEAP zu versehen. SEAP steht für "Search for Extraterrestrial Air Pollution". Ergänzend ließe sich das Kürzel auch wie folgt spezifizieren: SEAP-SETI


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https://www.heise.de/-3366832

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[1] https://www.heise.de/tp/features/Fernsehen-mit-ET-3419695.html
[2] http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Spektropolarimetrie&action=edit&redlink=1
[3] https://www.cfa.harvard.edu/~loeb/
[4] http://iopscience.iop.org/0004-637X/
[5] http://www.astrobio.net/news-exclusive/unintelligent-life-cfcs/
[6] http://www.cfa.harvard.edu/news/2014-21
[7] http://www.bmsis.org/
[8] http://phys.org/news/2012-11-chlorofluorocarbons-evidence-alien-life.html
[9] http://www.jwst.nasa.gov/
[10] http://www.nasa.gov/press/2014/july/testing-completed-on-nasas-james-webb-space-telescope-backplane/
[11] http://arxiv.org/abs/1406.3025