Sri Lanka: Ex-Armeechef will Präsident werden
Minderheitenrechte und Pressefreiheit könnten nach einer möglichen Wahl Sarath Fonsekas zum Präsidenten noch stärker eingeschränkt werden
Der nationalistische Rausch nach dem Sieg der srilankischen Regierung über die tamilischen Rebellen im Mai 2009 (Sri Lanka: Regierung verkündet Sieg über Rebellen) hielt nicht lange an. Schon bald nach dem Fall der letzten Bastionen des Mini-Staates der Liberation Tigers of Tamil Eelam (LTTE) im Mai 2009 offenbarte sich ein Bruch zwischen Präsident Mahinda Rajapakse und Armeechef Sarath Fonseka. Beide Seiten reklamierten die Siegeslorbeeren für sich allein.
Der für seine harte militärische Linie bekannte General war von Präsident Rajapakse im Dezember 2005 zum neuen Armeechef ernannt worden. Unter der Führung Fonsekas forcierte das Militär die Aufkündigung des 2002 geschlossenen Waffenstillstands mit den Rebellen. Fonseka trug entscheidend dazu bei, dass die militärischen Strukturen der LTTE innerhalb Sri Lankas im Laufe des vierten Eelam Wars (2006-2009) vollständig zerschlagen werden konnten. Dazu wurde die Armee sukzessive auf 300.000 Soldaten aufgestockt, was sie pro Kopf zu einer der größten weltweit macht - und Fonseka einen enormen Machtzuwachs einbrachte.
Nach Kriegsende beförderte Rajapakse den Armeechef zum Chief of Defence Staff (CDS). Bald stellte sich aber heraus, dass dieser neue Posten nur eine zeremonielle Funktion hatte. Erwartet hatte Fonseka hingegen eine direkte Kommandobefugnis über alle drei Streitkräfte, was die Regierung ablehnte. 1962 war ein vom Militär unterstützter und von katholischen Offizieren geführter Putsch im früheren Ceylon nur knapp gescheitert. Seitdem ist die Furcht vor einem Staatsstreich bei allen Regierungen groß.
Tatsächlich kursierten seit längerem Putschgerüchte. Sie erreichten Mitte Oktober ihren Siedepunkt, als Fonseka 2000 ihm ergebene Soldaten in die Hauptstadt Colombo beorderte. Indien soll daraufhin seine Streitkräfte in Alarmbereitschaft versetzt haben. Fonseka wies die Vorwürfe über einen geplanten Staatsstreich jedoch zurück und bezeichnete die Regierung als "paranoid".
Präsidentschaftswahlen schon im Januar
Die Spekulationen über mögliche politische Ambitionen des Generals bestätigten sich schließlich auf andere Weise. Im November verliess Fonseka die Armee und kündigte an, sich für die Präsidentschaftswahlen aufstellen zu lassen, die schon am 26. Januar 2010 stattfinden sollen.
Präsident Rajapakse kommt die Kandidatur seines früheren Armeechefs ungelegen. Mit den vorgezogenen Neuwahlen wollte Rajapakse eigentlich den Sieg über die LTTE für eine weitere Amtszeit ausschlachten. Seine sechsjährige Legislaturperiode wäre erst im November 2011 ausgelaufen. Ein Wahlsieg ist ihm nun keinesfalls mehr sicher. Zwar lässt er sich überall im Land mit riesigen Plakaten als Held feiern. Sogar auf einem Geldschein findet sich sein Konterfei. In der Bevölkerung brodelt es jedoch. Streiks nehmen zu und die Unzufriedenheit über die steigenden Lebenshaltungskosten wächst. Kritisiert wird auch die enorme Zunahme der Korruption unter dem Regime. Allein im Regierungsapparat arbeiten mehr als 300 Familienmitglieder des Rajapakse-Clans.
Da die Opposition bislang keinen aussichtsreichen Kandidaten gegen Rajapakse in Stellung bringen konnte, kommt der Ex-General wie gerufen. Er kann ebenfalls den militärischen Sieg über die Tamil Tigers für sich reklamieren, hat sich im politischen Tagesgeschäft aber noch nicht die Finger schmutzig gemacht. Die wichtigste Oppositionspartei United National Party (UNP) und die singhalesischen Nationalisten von der Janatha Vimukthi Peramuna (JVP) signalisierten bereits ihre Unterstützung für Fonseka.
Welche politischen Ziele hat Fonseka?
Bisher ist nur wenig über die politischen Ziele des Ex-Generals bekannt. Vielen Beobachtern bereitet es Sorgen, dass die Präsidentschaftskandidatur von Sri Lankas erstem Vier-Sterne-General vor allem von persönlicher Unzufriedenheit über seine fehlende Beförderung gespeist ist. So beklagte sich der General im Daily Mirror fast ausschließlich darüber, dass die Regierung das Sicherheitspersonal von seiner Villa abgezogen und ihm zahlreiche Autos und andere Privilegien weggenommen habe.
Dazu steht in offenem Widerspruch, dass Fonseka vor allem mit der Forderung Wahlkampf machen will, das 1978 eingeführte Exekutivpräsidentschaftssystem abzuschaffen. Es räumt dem Präsidenten sehr weitreichende verfassungsgebende Vollmachten ein. Der Präsident ist in Sri Lanka sowohl Verteidigungs- als auch Finanzminister, kann mit Dekreten regieren und mit Hilfe des immer wieder verlängerten Notstands demokratische Rechte aushebeln.
Ein Blick in die Geschichte zeigt, dass sowohl Präsident Rajapakse als auch seine Vorgängerin Kumaratunga das Ende der Exekutivpräsidentschaft propagierten - nach den Wahlen blieb hingegen alles beim Alten. Es ist höchst unwahrscheinlich, dass dies bei einem Kandidaten wie Fonseka, der vor allem an persönlichem Machtzuwachs interessiert zu sein scheint, anders verlaufen sollte.
Fonseka: "Sri Lanka gehört den Singhalesen"
Was nach den Wahlen zu erwarten ist, wird aus einem an Präsident Rajapakse gerichteten Brief deutlich, in dem Fonseka seinen Austritt aus der Armee begründet. In dem Schreiben finden sich zwei ungewöhnliche Sätze: Zum einen vergießt der Ex-General Krokodilstränen über das Schicksal der tamilischen Flüchtlinge in den Gefangenlagern im Norden. Die aktuelle Regierung habe keine Strategie, um "die Herzen und den Geist der Tamilen" zu gewinnen. Zweitens kritisiert Fonseka die fortwährenden Angriffe auf die Pressefreiheit in Sri Lanka.
Wie die Sunday Times aufdeckte, handelte es sich bei diesem Brief nur um eine erste Fassung, die von den Oppositionsparteien formuliert wurde, welche Fonsekas Kandidatur unterstützen. Beunruhigend ist, dass die Passagen zum Schicksal der tamilischen Flüchtlinge, das Bekenntnis zur Medienfreiheit und zu demokratischen Rechten in der von Sarath Fonseka korrigierten zweiten Fassung des Briefes gänzlich fehlen.
Tatsächlich hatte sich Sarath Fonseka in der Vergangenheit wiederholt gegen die Freilassung der tamilischen Zivilisten ausgesprochen und Pläne entwickelt, die Familien von singhalesischen Soldaten im tamilischen Norden anzusiedeln, um die demographische Struktur der Region zu verändern. Seine Haltung gegenüber Minderheitenrechten machte er in einem Interview deutlich: "Sri Lanka gehört den Singhalesen." Minderheiten könnten zwar bleiben, hätten aber nichts zu sagen. Vor allem sollten sie keine unberechtigten Forderungen stellen, etwa nach einer föderalen Struktur. Dies bekräftigte er jetzt wieder: Er sprach sich gegen eine Machtteilung in Form von Provinzräten aus.
Journalisten sind für Fonseka Verräter
Auch für die Pressefreiheit hat sich Fonseka nie eingesetzt, im Gegenteil. Teile der Medien seien "Verräter", hetzte der damalige Armeechef im Januar 2008 gegenüber der singhalesischen Tageszeitung Dinamina. Sie seien das einzige Hindernis, das die Armee in ihrem Kampf gegen die LTTE nicht habe überwinden können. Er fügte hinzu, die meisten Journalisten seien aber Patrioten und würden saubere Arbeit leisten - was für ihn bedeutet, den Krieg nicht zu kritisieren.
Ein halbes Jahr später beschuldigte die größte srilankische Oppositionspartei United National Party (UNP) den damaligen General, hinter den zahlreichen Attacken auf Journalisten zu stehen. Fonseka kontrolliere eine Spezialeinheit, die diese Angriffe ausgeführt habe. Im Mai 2008 war Keith Noyahr, Verteidigungskorrespondent der Zeitung The Nation überfallen, entführt und gefoltert worden. Fonseka kommentierte diesen Vorfall am 20. Juli 2008 im Sunday Observer mit den sarkastischen Worten: "Wenn er nichts Falsches getan hätte, müsste er nicht in Angst leben" - und machte damit das Opfer zum Täter. Er beschuldigte die Medien der Bestechlichkeit und sprach ihnen das Recht ab, für die Pressefreiheit einzutreten.
Zu den Anschuldigungen, er stecke hinter den Attacken gegen Medienleute, sagte Fonseka, er verfüge über eine 162.000 Mann starke Armee, die nicht für Überfälle, sondern zum Töten trainiert worden sei. Ein srilankischer Journalist, der ins Exil gehen musste, wies im Gespräch mit Telepolis darauf hin, dass auch Fonseka zum Töten trainiert worden sei. Da er den Soldatenberuf 39 Jahre lang ausgeübt hat, stelle sich nun die Frage, weshalb er auf einmal als Präsident zu etwas ganz anderem tauglich sein sollte.
Im August 2008 drohte Fonseka dem Journalisten Indika Ramanayake von der singhalesischen Zeitung Lankadeepa, er werde mit der Zeitung nicht mehr zusammenarbeiten, wenn zwei regelmäßige Kolumnen zur Verteidigungspolitik weiter erscheinen würden. Unter anderem hatte er es auf den bekannten Analysten Iqbal Athas abgesehen, Mitherausgeber der Sunday Times, der inzwischen aus Furcht um sein Leben das Land verlassen musste.
Am 24. Mai 2009 sagte Fonseka in einem Interview mit ITN, dass Journalisten, die Geld von der LTTE angenommen haben, als Verräter angesehen und angeklagt werden sollten. Konkrete Namen konnten Regierung und Militär allerdings nie nennen. Der Medienminister widersprach sogar später und sagte, er wüsste keinen Journalisten, der von der LTTE bezahlt worden sei.
Auch Fonseka ist für Kriegsverbrechen verantwortlich
Nicht nur die Äußerungen Sarath Fonsekas zu Minderheitenrechten und Pressefreiheit lassen seine Kandidatur in einem kritischen Licht erscheinen. Zudem stellt sich die Frage nach der Verantwortung des Ex-Armeechefs für die vom Militär begangenen Kriegsverbrechen, die etwa in einem Bericht des US-State Departments offiziell bestätigt werden.
Es sollte nicht vergessen werden, dass die Armee - unter Fonsekas Führung - in den letzten Monaten des Krieges unablässig dicht besiedelte Gebiete beschoss, in denen sich Hunderttausende von Zivilisten aufhielten (Das tägliche Blutbad in Sri Lanka). Auch eine No-Fire-Zone, welche die Armee zum Schutz der Zivilisten eingerichtet hatte, wurde mit Mig-Kampfbombern und Multibarrel-Rocketlaunchern angegriffen. Die Armee rechtfertigte die Bombardierung der Bevölkerung damit, dass die Tamil Tigers inmitten der Zeltstädte Geschütze aufgestellt hätten - sie würden die tamilische Bevölkerung als Schutzschild missbrauchen. Deshalb sei es legitim, die Zivilisten zu attackieren. Auch Hospitäler wurden gezielt von der Armee angegriffen. Nach Schätzungen der Vereinten Nationen wurden dabei zwischen Januar und Mai 2009 mindestens 7.000 Zivilisten getötet. Allein in den letzten Wochen soll es nach Recherchen der Londoner Times 20.000 Tote gegeben haben.
Fonseka selbst soll kürzlich bestätigt haben, dass er für Kriegsverbrechen verantwortlich ist: Laut dem unabhängigen tamilisch-kanadischen Journalisten DBS Jeyaraj sagte Fonseka im Juli 2009 bei einem Auftritt im Dharmasoka College in Ambalangoda, die Armee habe eine ganze Gruppe von - weiße Flaggen schwenkenden - Rebellenführern der LTTE erschossen, die sich kurz vor Kriegsende ergeben wollten.
Und die Tamilen?
Es ist eine Ironie der Geschichte, dass die Präsidentschaftskandidatur Fonsekas - unter dessen Befehl im Frühjahr Tausende tamilischer Zivilisten getötet wurden - nun dafür sorgt, dass die Gefangenenlager geöffnet werden, in denen fast die gesamte Bevölkerung des früher von der LTTE gehaltenen Gebietes festsaß.
Seit sieben Monaten war von der Regierung immer wieder behauptet worden, eine schnelle Rücksiedlung der Vertriebenen sei nicht möglich, da mehr als 400 Quadratkilometer im Norden der Insel mit über 1,5 Millionen Landminen und nicht explodierter Munition kontaminiert seien. Wie sich jetzt zeigt, war das Gefangenhalten der Zivilbevölkerung eine rein politische Entscheidung: In Zeiten des Wahlkampfes kann die Rajapakse-Administration keine negativen Schlagzeilen mehr gebrauchen. Seitdem Rajapakse befürchten muss, gegen Fonseka zu verlieren, hat die Regierung sehr schnell damit begonnen, die Lager zu öffnen. Auf einmal zählt es, was die Tamilen denken. Denn die tamilischen Wähler könnten entscheidend für einen Wahlsieg sein. Und sie haben an beiden Kandidaten gleich wenig Interesse.