Verschwendung de luxe: Bundeswehr-Karriere in Pistorius’ teuren Geisterschulen?

Harald Neuber

Der Bund unterhält Schulen für Soldaten. Doch die werden kaum genutzt, kosten aber Millionen Steuergelder. Wieso hält das BMVg an den Geisterschulen fest?

100 Milliarden Euro, 500 Milliarden Euro, 800 Milliarden Euro: Derzeit werden in Deutschland und auf europäischer Ebene Sonder- und Nothaushalte in einem Tempo aufgelegt, dass man den Überblick verlieren kann. Hauptprofiteure: die Rüstungsindustrie und die militärischen Strukturen wie die Bundeswehr in den EU-Staaten.

Dabei hatte der Geldregen für die Armee schon nach der von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) ausgerufenen Zeitenwende für erhebliche Kritik gesorgt. Zu schnell komme das Geld, hieß es, zu unüberlegt werde es ausgegeben.

Erst vor wenigen Tagen machte ein teures und planloses Projekt der Bundeswehr Schlagzeilen. Und nun flammt zwischen Bundestag und Bundesverteidigungsministerium (BMVg) eine alte Diskussion über Steuerverschwendung wieder auf, wie aus einem Schriftwechsel zwischen Ministerium und Bundestag hervorgeht, der Telepolis vorliegt.

Darin geht es um die vom Bundesrechnungshof wiederholt geäußerte Kritik an den teuren und wenig genutzten „Bundeswehrfachschulen“, die Soldaten eine Ausbildung ermöglichen sollen. In einem Schreiben an die Kontrolleure im Haushaltsausschuss von Ende Januar wehrt sich das Ministerium gegen Einsparungen in diesem Bereich.

Dabei wurde die Verwaltung von Steuergeldern erstmals 2019 thematisiert. Das heißt, die Diskussion läuft seit mindestens sechs Jahren, in denen Geld geflossen ist und weiter fließt.

Keine Veränderung unter Boris Pistorius

Zuletzt hatte der Bundesrechnungshof im Mai 2024 Kritik am Verteidigungsministerium geübt – damals schon gut ein Jahr unter Führung des SPD-Ministers Boris Pistorius. Die zehn Bundeswehrfachschulen seien in erster Linie dafür gedacht, dass Soldatinnen und Soldaten dort Schulabschlüsse erwerben und sich weiterbilden, um ihre Karriere in der Armee voranzutreiben.

25 Millionen Euro Kosten schon 2022

Die Bundeswehr unterhält die zehn Schulen seit 2005. Seit 2019 sind sie auf die vom Rechnungshof genannten 2.500 Teilnehmer ausgelegt. Die Betriebskosten steigen stetig. Nach Angaben des BMVg beliefen sie sich allein im Jahr 2022 auf 25 Millionen Euro.

Zeitgleich mit den Aussagen des Rechnungshofes hatte der Rechnungsprüfungsausschuss des Haushaltsausschusses das Verteidigungsministerium im vergangenen Jahr aufgefordert, die Zahl der Bundeswehrfachschulen hinsichtlich der „Kapazitäten an die Nachfrage anzupassen". Die Prüfer stellten unmissverständlich fest: "Weitere Verzögerungen (…) sind nicht hinnehmbar."

Drei Prüfungen, fünf Jahre – und immer noch zehn Schulen

Doch das Ministerium spielte entgegen allen Prüfmechanismen und Appellen auf Zeit und verhinderte mit einer regelrechten Prüfkaskade eine Entscheidung über die weiter vorgehaltene, aber unnötige Infrastruktur.

2021 wurde eine "Koordinierungsgruppe Potenziale Bundeswehrfachschulen" eingerichtet. Diese legte im November 2023 ihren Abschlussbericht vor.

Danach wurde eine "Task Force Personal" etabliert, die im Dezember 2023 ihren Abschlussbericht vorlegte und "weitere Potenziale der Bundeswehrfachschulen prüfte", um wohl die Ausbildung der Soldaten zu verbessern und sie mit attraktiven Stellenangeboten zu locken.

Dritte interne Prüfung bis 2024

Nach diesen beiden internen Untersuchungen gab es noch eine dritte Prüfung, die den Rückbau oder die Schließung der Schulen hinauszögerte – ein Projekt mit dem Namen "Neuausrichtung der Bundeswehr". Dieses dritte Projekt begann im Dezember 2023 und dauerte bis April 2024.

In all dieser Zeit seien die weitgehend ungenutzten und kostenintensiven Bildungseinrichtungen "Gegenstand der Erörterungen" gewesen, heißt es in dem Schreiben des BMVg. Die Stellungnahme war bereits Ende Januar dem Rechnungsprüfungsausschuss des Haushaltsausschusses zugegangen und wurde nun – weitere zweieinhalb Monate später – dem Verteidigungsausschuss zur Kenntnis gegeben.

Erklärung zu Verschwendung von Steuergeld als "Dienstgeheimnis"?

Derzeit liege die Gesamtzahl der Lehrgangsteilnehmerinnen und Lehrgangsteilnehmer "bei etwas über 50 Prozent der zur Verfügung stehenden Kapazitäten", stellt das Verteidigungsministerium in dem als "Amts- und Dienstgeheimnis" eingestuften Schreiben fest.

Der Forderung des Rechnungshofes und des Bundestages möchte man dennoch nicht nachkommen. Stattdessen wolle man die Schulen "noch stärker auf die Belange der Streitkräfte ausrichten", heißt es in einem berüchtigten Euphemismus. Und: "Die dargestellten Prüfungen benötigen noch etwas Zeit".

Armeeschulen schon 2019 "bei Weitem nicht ausgelastet"

Die Debatte um die ungenutzten Bundeswehrschulen, die den Steuerzahlern jährlich Millionen kosten, läuft bereits seit 2019. Damals hatte der Bundesrechnungshof kritisiert, dass die zehn Einrichtungen "bei Weitem nicht ausgelastet" seien.

Das Verteidigungsministerium lehnte es jedoch ab, die Zahl der Schulen zu begrenzen. Vor sechs Jahren verwies das Haus auf eine „laufende Neuordnung“. Das Vorhaben scheiterte. Vier Jahre später stellte der Rechnungshof fest, "dass sich die Auslastung der Fachschulen seit 2019 weiter verschlechtert hat".

Danach noch schlechtere Bilanz

Nach weiteren zwei Jahren und mehreren Überprüfungen der eigenen Arbeit benötigt das Ministerium nun also noch mehr Zeit, um die Effizienz der eigenen Arbeit mit Steuermitteln zu evaluieren. Es hat aber auch acht Monate gebraucht, um auf die Anfrage der parlamentarischen Kontrolleure zu reagieren.

Solche Fälle sorgen angesichts der geplanten milliardenschweren Zuwendungen für Bundeswehr und Infrastruktur zunehmend für Diskussionen, Experten warnen vor Geldverschwendung und unnötigen Ausgaben.

Was passiert mit dem 500-Milliarden-Paket?

Der Bund der Steuerzahler befürchtet, dass das 500-Milliarden-Euro-Sondervermögen zur Sanierung der Infrastruktur zu überflüssigen Projekten bei Ländern und Kommunen verleiten könnte. Verbandspräsident Reiner Holznagel sieht die Gefahr, dass das Sondervermögen zum "Selbstbedienungsladen des Staates" werde.

Auch bei den geplanten unbegrenzten Kreditmöglichkeiten für die Armee warnt er vor einer Verschwendung von Steuergeldern, da niemand mehr nachfragen müsse, ob die Planungen wirklich sinnvoll seien.

Sogar der CDU-nahe Wirtschaftsrat übt Kritik und fordert grundlegende Reformen der ineffizienten Strukturen, um eine massive Ressourcenverschwendung zu vermeiden.

Ein Gutachten des Friedens- und Konfliktforschers Michael Brzoska für Greenpeace kommt zu dem Schluss, dass die Probleme der Bundeswehr hausgemacht sind und vor allem im Beschaffungswesen liegen. In der Vergangenheit habe die Armee bei Großwaffensystemen zwischen 35 und 54 Prozent zu viel bezahlt.

Hochgerechnet auf den 100-Milliarden-Euro-Etat seien so 26 bis 35 Milliarden Euro sinnlos ausgegeben worden. Dafür könnte man viele Schulen bauen. Vor allem für die Bundeswehr.