Studie klärt auf: Viele Risikofaktoren für Demenz können Sie selbst beeinflussen
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Kampf gegen Demenz. Forscher identifizierten 15 Risikofaktoren. Die meisten davon liegen in Ihrer Hand (wenn Sie das Weinglas wegstellen).
Eine neue Studie, die in der Fachzeitschrift Jama Neurology veröffentlicht wurde, identifizierte mehrere Risikofaktoren, die mit einer erhöhten Wahrscheinlichkeit für das Auftreten von Demenz vor dem 65. Lebensjahr und im höheren Alter verbunden sind. Die Ergebnisse geben Hinweise darauf, dass viele dieser Faktoren potenziell beeinflussbar sind. Das heißt: Die Mehrzahl dieser Faktoren kann jeder für sich selbst beeinflussen.
Das Forscherteam um Dr. Stevie Hendriks von der Universität Maastricht in den Niederlanden wertete die Daten von über 350.000 Teilnehmern der UK-Biobank-Studie aus. Bei dieser großangelegten Kohortenstudie wurden die Probanden über viele Jahre hinweg medizinisch untersucht und zu ihrem Lebensstil befragt. Im Beobachtungszeitraum von durchschnittlich neun Jahren entwickelten 485 Personen eine Demenz vor dem 65. Lebensjahr.
In aufwändigen statistischen Analysen untersuchten die Wissenschaftler den Zusammenhang von 39 möglichen Risikofaktoren mit dem Auftreten derverschiedenen Demenzarten. In ihrem finalen Modell erwiesen sich 15 Faktoren als signifikant mit dem Krankheitsrisiko assoziiert, sowohl im positiven als auch negativen Sinne:
- Niedriger Bildungsstand
- niedriger sozioökonomischer Status
- Träger von zwei Kopien des ApoE4-Gens
- völliger Alkoholverzicht
- Alkoholmissbrauch
- soziale Isolation
- Vitamin-D-Mangel
- erhöhte Entzündungswerte
- geringe Handkraft als Zeichen für Gebrechlichkeit
- Schwerhörigkeit
- niedriger Blutdruck beim Aufstehen
- Schlaganfall
- Diabetes
- Herzkrankheiten
- Depression.
"Die meisten dieser Risikofaktoren sind potenziell modifizierbar und überlappen mit bekannten Risiko- und Schutzfaktoren für die späte Demenz", heißt es in der Studie: Studienleiterin Prof. Hendriks. "Unsere Ergebnisse zeigen, dass eine Verminderung dieser Risikofaktoren in der Lebensmitte das Potenzial hat, Demenzerkrankungen auch in der früheren Lebensphase effektiv zu verhindern."
Unterschiedliche Arten von Demenz
Die Studie weist auch auf Unterschiede zur Demenz im höheren Alter hin: "Bei der frühen Demenz scheinen Lebensstilfaktoren eine geringere direkte Rolle zu spielen als bei der späten Form." Möglicherweise haben sie in jüngeren Jahren noch nicht so lange auf den Körper einwirken können. Trotzdem fanden wir Assoziationen mit Herz-Kreislauf- und Stoffwechselerkrankungen, die wiederum stark von der Lebensführung beeinflusst werden."
In Deutschland hatte unlängst die Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DNG) für mehr Prävention im Fall neurologischer Erkrankungen geworben. Dies sei auch angesichts der Versorgungsengpässe im Gesundheitswesen notwendig, so Prof. Dr. Daniela Berg.
Bei neurologischen Erkrankungen bestehe "ein enormes Präventionspotenzial", so Berg. So könnten bis zu 45 Prozent aller Demenzerkrankungen durch die Vermeidung von Risikofaktoren verhindert werden: "Hier müssen wir als Fach einen Schwerpunkt legen und im Schulterschluss mit Politik und Kostenträgern die Bevölkerung adressieren."
Die Präsidentin der Fachgesellschaft sieht dringenden Handlungsbedarf. Darauf weise etwa hin, dass bis zu 90 Prozent der Schlaganfälle, die in deutschen Gesundheitsinstitutionen erst- und nachversorgt würden, auf vermeidbare Risikofaktoren zurückzuführen seien. Deutschland belegt zwar einen Spitzenplatz bei den Gesundheitsausgaben, ist aber gleichzeitig im Hinblick auf die Lebenserwartung unter den westeuropäischen Ländern Schlusslicht:
Die Medizin in Deutschland ist hochwertig, aber offensichtlich gehen wir nicht nachhaltig genug mit dieser Ressource um. Wir machen kostenintensive ‚Reparaturmedizin‘, investieren aber nicht in ein besseres Gesundheitsbewusstsein der Bevölkerung, um behandlungsintensive Krankheiten von vornherein zu vermeiden. Die gesundheitsökonomische Misere, in der wir uns derzeit befinden, ist auch Konsequenz einer seit Jahren fehlgeleiteten Incentivierung.