Studie über Montagsdemonstrationen: Wie Feinde der Demokratie konstruiert werden
Wie gefährlich sind die Menschen für die Demokratie in Deutschland, die immer montags protestieren? Forscher haben nun ihre Erkenntnisse vorgelegt. Warum sie nur bedingt brauchbar sind.
Protestbewegungen sind Gegenstand der Forschung. Während der Coronapandemie untersuchten Wissenschaftler die Montagsdemonstranten, nun werden sie erneut unter die Lupe genommen. Das in Berlin ansässige "Das Progressive Zentrum" legte am 1. März eine in Zusammenarbeit mit der Bertelsmann-Stiftung verfasste Studie "Mir reicht’s Bürger" vor.
Darin legen die Forscher dar, was sie in rund 200 Interviews bei den Montagsdemonstrationen in Chemnitz und Gera erfahren haben. Mit den Interviews versuchten sie zu erfahren, was die Menschen auf die Straße treibt und welches Potenzial die Proteste haben. Oder wie es in der Studie heißt:
Das Ziel dieser Studie ist nicht, das Handeln der Bundesregierung im Ukraine-Krieg und bei der Bewältigung der ökonomischen und sozialen Folgen zu bewerten. Das Anliegen ist vielmehr, das Mobilisierungspotenzial abseits des klar rechtsradikalen Lagers, die gesellschaftspolitischen Perspektiven der Protestierenden und ihre Erwartungen an politische Akteure besser zu erfassen.
"Mir reicht’s Bürger"
Ohne ein gewisses Framing kommt diese Studie allerdings nicht aus. Wieso sich die Forscher ausgerechnet Chemnitz und Gera für ihre Untersuchung ausgewählt haben, wird nicht weiter erläutert.
Montagsdemonstrationen fanden im Winter 2022/23 in mehr als diesen beiden Städten statt. Doch mit Chemnitz und Gera wurden ausgerechnet zwei Städte ausgewählt, in denen laut Studie rechtsextreme Gruppierungen das Demogeschehen seit Jahren beherrschen. Zu entsprechenden Ergebnissen kommt die Untersuchung.
Die Demonstrationen werden demnach von vermeintlich rechten Narrativen dominiert: Das Deutschlandbild der Befragten sei oft nationalistisch geprägt; die Demokratie solle möglichst direkt sein; und die deutsche Regierung trage in erster Linie Verantwortung für das Wohlergehen der Deutschen und nicht für das der Menschen in der Ukraine. Auf dieser Grundlage könne nur eine Opposition zur Politik der Bundesregierung entstehen.
Aber nicht nur darin kommt das Framing zum Ausdruck, sondern auch darin, dass bestimmte Positionen als "rechts" eingeordnet werden, ohne dies näher zu belegen. So lässt sich allerdings leicht der Bogen spannen von Alice Weidel (AfD) und Sahra Wagenknecht (Die Linke). Beide Politikerinnen werden in einem Atemzug genannt, ohne auf die Unterschiede in ihren Positionen einzugehen.
Die Forderung "Ami go home" sei ein weit verbreiteter Slogan, heißt es in der Studie – und er wird als antiamerikanische Haltung diffamiert, ohne weiter auf die Motive einzugehen, weshalb die Menschen einen Abzug der US-Truppen aus Deutschland fordern.
Eine "Verschwörungserzählung" würde von den Demonstranten selbstsicher geteilt: Dass die USA die Nord-Stream-2-Pipeline sabotiert hätten. Mit dieser Behauptung urteilen die Forscher aber nicht nur über die Demonstranten. Sie verweisen damit auch den Bericht des renommierten US-Journalisten Seymour Hersh indirekt in das Reich der Mythen und Legenden, ohne dies überhaupt zu begründen.
Verwundert schauen die Studienautoren auf das Ergebnis, dass die Demonstranten von den Grünen nicht viel halten, gleichzeitig aber Klima- und Umweltschutz begrüßen. Dass Grüne oder Linke nicht die Erfinder der Ökologie sind, sondern dass ihre Wurzeln bis zu den Rechtskonservativen am Ende des 19. Jahrhunderts zurückreichen, sollte hinlänglich bekannt sein. Zumindest sollte man sich nicht wundern, dass auch Rechte zu Fragen des Umweltschutzes fundiert Position beziehen können.
Ohne Sympathien für die Freien Sachsen, die AfD oder andere rechte Gruppierungen zeigen zu wollen, bleibt im Ergebnis: Die Studie ist oberflächlich; sie ist von Unkenntnis und Vorverurteilung geprägt.
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