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Studie zu CO2-Steuer: Die Reichen sollen zahlen

Forscher untersuchen Zusammenhang zwischen sozialer Position und CO2-Ausstoß. Kritik an konsumbasierter Abgabe für alle. Wie eine gerechte und effiziente Lösung aussieht.

Ein Forscherteam um den Umweltwissenschaftler Jared Starr von der University of Massachusetts Amherst hat in einer im Fachmagazin Plos Climate veröffentlichten Studie die Vorteile einer CO2-Steuer betont, die vor allem Kapitaleinkommen und nicht den Konsum belastet [1].

Die Forscher untersuchten den Zusammenhang zwischen dem Einkommen von 5,4 Millionen US-Haushalten (181.000 pro Jahr) über 30 Jahre (1990-2019) und den jeweiligen Treibhausgasemissionen.

Ergebnis: Bisherige Konzepte zur CO2-Bepreisung funktionieren nicht

Angetrieben von der Einschätzung, dass die bisherigen Absichtserklärungen zum Klimaschutz nicht ausreichen, um die Erderwärmung auf maximal 1,5 Grad Celsius zu begrenzen, die bestehenden Finanzierungszusagen um das Fünf- bis Zehnfache hinter den Erfordernissen zurückbleiben und zudem größtenteils ohnehin nicht eingehalten werden, präsentieren die Wissenschaftler einen bislang völlig vernachlässigten Ansatz: Die Hauptverursacher und Entscheidungsträger sollen gezielt in die Pflicht genommen werden.

Die große Mehrheit der Menschen in den Industriestaaten und in den Entwicklungsländern könnte dagegen weit weniger belastet werden.

Den Autoren sind nur zwei frühere Studien zur einkommensabhängigen CO2-Besteuerung bekannt: Eine haben sie selbst durchgeführt, die andere stammt von französischen Wissenschaftlern.

CO2-Äquivalente der gesamten Wertschöpfungskette

Für die aktuelle Studie unterscheiden die Autoren einen Produzenten- oder Erzeuger- und einen "Lieferanten-" oder Bereitstellungspfad: Auf dem Produzentenpfad wären demnach bspw. alle Haushalte, die Löhne oder Kapitalerträge von einem Kraftwerk beziehen, für die von diesen ausgestoßenen Emissionen mit entsprechender Gewichtung verantwortlich.

Der Bereitstellungspfad hingegen beginnt bereits bei den Lieferanten fossiler Energieressourcen und Finanzdienstleistungen - entsprechend umfasst der Produzentenpfad 429 Industrieeinheiten, der Bereitstellungspfad jedoch 9.812 Industrieeinheiten in 190 Ländern und damit die gesamte vor- und nachgelagerte Wertschöpfungskette (2,8 Milliarden intersektorale Transfers bzw. 96 Millionen pro Jahr).

Die CO2-Intensität der Kapitaleinkommen wurde jedoch spiegelbildlich zur US-Wirtschaft geschätzt, wobei z.B. für das obere eine Prozent eine Schwankungsbreite von 25 Prozent in beide Richtungen angenommen wurde. Detaillierte Einblicke in das tatsächliche individuelle Anlageverhalten insbesondere der Superreichen sind verständlicherweise nicht möglich.

CO2-Ausstoß: Massive Unterschiede zwischen Arm und Reich

In der Nachsteuerbetrachtung haben Sozialtransfers einen erheblichen Anteil am CO2-Fußabdruck der unteren Einkommensgruppe. Aber auch die Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen, die in den USA auch den unteren Einkommensgruppen hohe private Kosten auferlegt, wirkt sich aus.

In der Mittelschicht sind dagegen vor allem die Löhne für die CO2-Bilanz entscheidend, während bei den oberen 0,1 Prozent der US-Gesellschaft die Kapitaleinkünfte mehr als 50 Prozent der CO2-Äquivalente ausmachen.

Starr und sein Team haben eine Kategorie von "Super-Emittenten" identifiziert, zu denen alle Haushalte gehören, die mehr als 3.000 Tonnen CO2 pro Jahr produzieren. Das sind vor Steuern 34 Prozent (43.200 Haushalte) der oberen 0,1 Prozent der Gesellschaft, wenn man dem Bereitstellungspfad folgt, und 21 Prozent (26.500 Haushalte), wenn man dem Produzentenpfad folgt.

Bereinigt um die Umverteilung sind es nach dieser Studie in den USA immer noch 9 Prozent (Bereitstellungspfad) bzw. 3 Prozent (Produzentenpfad) der reichsten 0,1 Prozent. In jedem Fall befinden sich alle Super-Emittenten unter den obersten 0,1 Prozent und auch in der Nachsteuerbetrachtung entfallen 33,8 Prozent der Emissionen auf die obersten zehn Prozent der Haushalte.

Die Autoren heben hervor, dass die CO2-Äquivalente der unteren 99 Prozent im betrachteten Zeitraum gesunken sind (trotz allgemeiner Trendumkehr seit Beginn der 2010er Jahre), während jene der nächsten 0,9 Prozents stagnierten und die des obersten Tausendstels anstiegen.

Der Anteil an den Gesamtemissionen stieg für die obersten 0,9 Prozent sogar um 43 Prozent und für die obersten 0,1 Prozent um 83 Prozent. Diese Beobachtungen wären allerdings ggf. durch Nachsteuerwerte zu ergänzen.

Beeindruckend ist jedoch die Tatsache, dass ein durchschnittlicher Haushalt der oberen 0,1 Prozent vor Steuern je nach Pfad für 1.650 bis 1.700-mal mehr CO2-Äquivalente verantwortlich ist als ein Haushalt des untersten Dezils, der nur auf 1,3 bis 1,6 Tonnen CO2 pro Jahr kommt. Diese enormen Diskrepanzen werden durch Sozialtransfers sicherlich nur sehr begrenzt verringert.

In der Vor-Steuer-Perspektive (die in dieser Studie bevorzugt wird und für alle folgenden Werte gilt, wenn nicht anders angegeben) sind die obersten zehn Prozent der US-Haushalte für 40 bis 43 Prozent der Emissionen des Landes verantwortlich, die obersten 0,1 Prozent für sieben bis acht Prozent.

Konsumabhängige CO2-Steuer trifft die Mehrheit der Bevölkerung

Die Studie enthält keine Beispielrechnungen, wie viel eine einkommensabhängige CO2-Steuer einbringen könnte - hier wird lediglich auf andere Arbeiten verwiesen, die sich mit der CO2-Besteuerung von Vermögen befassen.

Doch die Autoren weisen überzeugend auf den Umstand hin, dass Einkommensschwache unter einer konsumbasierten CO2-Steuer unverhältnismäßig zu leiden hätten, da gerade der unvermeidliche Basiskonsum – Ernährung, Kleidung, Heizung, Mobilität usw. – besonders CO2-intensiv ist.

Sie schlagen eine Abgabe vor, die gezielt bei den Investments ansetzt. So würden nicht nur die Hauptprofiteure einer CO2-intensiven Wirtschaft auf eine sozial gerechte Weise am Ausgleich beteiligt: Eine solche Besteuerung würde zudem rasch auf eine Änderung des Investitionsverhaltens hinwirken und in Konsequenz dem Klima und dem sozialen Frieden gleichsam dienen.


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https://www.heise.de/-9291180

Links in diesem Artikel:
[1] https://journals.plos.org/climate/article?id=10.1371/journal.pclm.0000190