Südasien: Spannungen nehmen zu
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Südasien wird meist als vergleichsweise stabil angesehen. Doch das könnte sich ändern. Von Afghanistan bis Myanmar nehmen die Turbulenzen zu.
Bisher bestimmten sozioökonomische Faktoren die westliche Wahrnehmung von Ländern wie Indien, Pakistan, Bangladesch und Myanmar als sogenannte Entwicklungsländer. Und tatsächlich führt etwa die Welthungerhilfe Indien in ihrem Welthungerindex auch heute noch in der Kategorie "ernst" auf Platz 111 von 125 Ländern. Pakistan, Bangladesch und Myanmar liegen auf den Plätzen 102, 81 und 72.
Mit der zunehmenden geostrategischen Bedeutung der Region für den Westen, aber auch für China und Russland, werden dagegen politische und militärische Faktoren immer bedeutender. Auch der langsame, aber unaufhaltsame Aufstieg Indiens zur Großmacht trägt zu dieser Verschiebung bei.
Afghanistan und Pakistan
Schon die jüngsten gegenseitigen Angriffe zwischen Afghanistan und Pakistan entlang der Durand-Linie verheißen nichts Gutes für die Zukunft ihrer bilateralen Beziehungen. Kabul hat diese von den Briten aufgezwungene Grenze zwischen Afghanistan und – dem späteren – Pakistan ohnehin nie anerkannt.
Parallel dazu verschlechtern sich die Beziehungen zwischen Pakistan und den USA. Die Biden-Administration verhängte Sanktionen gegen Islamabads ballistisches Raketenprogramm. Pakistan erhöht die Reichweite dieser Waffen systematisch.
Sauer aufstoßen dürfte in Pakistan auch, dass der Richard Grenell, der von Donald Trump designierte Sonderbeauftragte für die Region, sich für die Freilassung des inhaftierten ehemaligen pakistanischen Premierministers Imran Khan einsetzt. Khans Regierung hatte eine Schlüsselrolle bei der Vermittlung zwischen der ersten Trump-Regierung und den Taliban in Afghanistan gespielt.
Indien und Bangladesch
Das indische Außenministerium hat den USA vorgeworfen, sich im letzten Jahr in die Wahlen eingemischt zu haben. Viele Inder denken zudem, dass die Anklagen der USA gegen den indischen Milliardär Gautam Adani politisch motiviert sind.
Der Umsturz in Bangladesch hat die Beziehungen zwischen dem muslimischen Land und seinem großen, von Hindu-Nationalisten regierten Nachbarn erheblich verkompliziert. Es wird spannend zu sehen sein, ob Dhaka jetzt stärker auf China zugeht, wo der pro-indische Einfluss der gestürzten Sheikh Hasina weggefallen ist.
Die neue Regierung in Dhaka nimmt eine nationalistische Position gegenüber Indien ein. Delhi wirft Bangladesch im Gegenzug vor, die von radikalen Muslimen ausgehende Gewalt gegen die hinduistische Minderheit zu ignorieren.
Myanmar
Allerdings muss Bangladesch auch die zwar relativ kurze, aber wichtige Grenze zu Myanmar im Auge behalten. Denn dort hat die buddhistisch-nationalistische Arakan-Armee kürzlich die Kontrolle übernommen und geht gegen die in der Region beheimateten Rohingya vor. Gleichzeitig beschuldigen die Rebellen Dhaka jihadistische Rohingya-Gruppen zu unterstützen.
Die verschiedenen Rebellengruppen in Myanmar befinden sich seit Beginn ihrer Offensive im Oktober 2023 auf dem Vormarsch. Das hat dazu geführt, dass sie mittlerweile wohl etwa die Hälfte des Landes erobern konnten. Was Bedenken berechtigt, dass Myanmar bald ein weiteres Syrien, Libyen oder Afghanistan werden könnte.
Das internationale Umfeld
Selbstverständlich bleibt Indien aufgrund seines demografischen, wirtschaftlichen und militärischen Gewichts das wichtigste Land der Region. Derzeit stellt der Subkontinent die fünftgrößte Volkswirtschaft der Welt – in Kaufkraftparitäten ist er längst die drittgrößte.
Damit muss Delhi als Großmacht gelten, und es ist damit zu rechnen, dass es immer häufiger als Ordnungsmacht in der Region auftreten wird. Gleichzeitig muss Indien einen Balanceakt zwischen Russland, den USA und China bewältigen. Die Beziehungen zu Russland sind exzellent, die zu China verbessern sich gerade, während die zu den USA eher komplizierter werden.
Was ist von den USA zu erwarten?
Aufgrund seines kompromisslosen Eintretens für hohe Zölle sowie für amerikanische Handels- und Investitionsinteressen weltweit ist vom künftigen US-Präsidenten Donald Trump kaum zu erwarten, dass er wirtschaftliche Zugeständnisse an Delhi macht, um dessen Annäherung an China zu bremsen. Trotz des – allerdings weitgehend dysfunktionalen – Aukus-Verbundes wird Indien kein Vasall Washingtons werden.
Wenn sich Indien dennoch gelingt, sich weiterhin als der wichtigste und zuverlässiger regionale Partner der USA in der Großregion zu positionieren – so wie vor allem während der Obama-Jahre und in Trumps erster Amtszeit – wird Delhi möglichen regionalen Turbulenzen besser widerstehen können.
Bangladesch und Pakistan haben keinesfalls die Bedeutung für die geostrategischen Interessen der USA wie Delhi, da sie bei weitem nicht in dem Maße als Gegengewicht zu China dienen können. Trump, der dafür bekannt ist, Deals zu machen, wird also die regionalen Interessen der USA berücksichtigen, solange er im Gegenzug etwas Vorzeigbares bekommt.
Dessen ungeachtet könnte die US-Regierung unter Trump jedoch – nicht nur in Delhi – Sympathiepunkte sammeln, wenn sie die neue Regierung in Bangladesch bezüglich der Frage der Minderheitenrechte der Hindus und der Abhaltung von Wahlen unter Druck setzt. Den freundlichen Beziehungen des State Departments zu Muhammad Yunus, dem Chefberater der aktuellen Regierung in Bangladesch, muss dies keinen Abbruch tun.