Surveillance-Studies-Preis 2022: Am Ende führt die Luca-App doch noch zu einer Auszeichnung

Nils Zurawski

Surveillance-Studies-Preisträger 2022. Ausgezeichnet werden Arbeiten zur Luca-App, Überwachung am Arbeitsplatz und Biometrie. Telepolis stiftet Preisgeld.

Die Auszeichnungen für die diesjährigen Preise des Surveillance-Studies-Forschungsnetzwerkes in Kooperation mit Telepolis gehen an fünf Journalist:innen für ihre Arbeiten über die Luca-App, den Aufbau einer biometrischen Datenbank in Westafrika sowie Überwachung am Arbeitsplatz.

Der Hauptpreis wird geteilt und geht an Eva Wolfangel sowie das Team Alexandra Ketterer, Marie Zinkann und Maximilian Henning. Eine besondere lobende Erwähnung vergibt die Jury an die österreichische Technikjournalistin und Autorin Barbara Wimmer.

Der Surveillance-Studies-Preis wird seit 2011 vergeben, Telepolis stiftet das Preisgeld in Höhe von 1.000 Euro.

Luca-App: Sicherheitsproblem mit Ansage

Tracing-Apps wurden sehr früh in der Pandemie als ein Instrument zum Management der Ausbreitung und zur Unterstützung der Gesundheitsämter sowie anderer Behörden erkannt. Der Bund entwickelte die auch von kritischen Experten für gut befundene Corona-Warn-App. Daneben gab es die von Prominenten beworbene Luca-App.

Diese machte erstaunlich schnell die Runde, die Corona-Warn-App hingegen schien niemand zu benutzen, vor allem nicht die Restaurants und andere Orte, an denen man vielen Menschen begegnete. Warnungen gab es von Anfang an, aber scheinbar war Luca so hip, dass sie niemand hören wollte.

Die Journalistin Eva Wolfangel hatte es von Anfang an geahnt und die Luca-App mit einer ganzen Serie von Artikeln in der Wochenzeitung Die Zeit begleitet, die Kritik sichtbar gemacht und die Geschäftspraktiken von Luca offengelegt. Wolfangel ging es vor allem um den Umgang mit der Kritik, auf die zu wenig, zu zaghaft und zu spät reagiert wurde. Dafür erhält sie den Surveillance Studies-Preis 2022.

Die Wahl kommt nicht von ungefähr Wolfangel beschäftigt sich seit Jahren intensiv mit Technikthemen und gehört zu den wenigen im deutschen Sprachraum tätigen Journalist:innen, die diesen Themenkomplex konsequent und dauerhaft verfolgen.

Artikel zur Luca-App von Eva Wolfangel (Auswahl):

- Sicherheitslücke nährt weitere Zweifel an Luca-System

- Was bringt die Luca-App den Gesundheitsämtern wirklich?

- Forschende halten Risiken der Luca-App für "völlig unverhältnismäßig"

Fingerabdrücke und europäische Migrationspolitik

Den Preis teilt sich Wolfangel in diesem Jahr mit einem Team von Journalist:innen, die eine Podcast-Serie zum Thema Biometrie in Europa produziert haben. Alexandra Ketterer, Marie Zinkann und Maximilian Henning gehen in ihrer sechsteiligen Podcast-Serie, die auf der europäischen Podcastplattform Europod.eu erschienen ist, der Frage nach, wieso die EU 33 Millionen Euro ausgibt um in Westafrika Biometriedatenbanken aufzubauen.

Worum geht es da und wer verdient damit Geld? Warum sich die EU für die Fingerabdrücke der Westafrikaner:innen so brennend interessiert, scheint klar zu sein, aber weniger, was die Einwohner:innen des Senegal und der Elfenbeinküste davon halten.

Der Podcast nutzt das Thema Überwachung, um über (Neo-)Kolonialismus, die europäische Einwanderungspolitik und die Verbindung zu digitalen Technologien zu forschen und zu berichten. Die drei jungen Journalist:innen arbeiten frei, unter anderem für das MDR Datenjournalismus-Team, für netzpolitik.org oder detektor.fm. Die Jury war angetan von dem Format, der Recherche sowie der Umsetzung eines über die Technologie selbst hinausgehenden Themas.

Wenn der Chef mitliest: Überwachung am Arbeitsplatz

Die von der Jury ausgesprochene lobende Erwähnung geht an Barbara Wimmer. Sie schreibt seit vielen Jahren für das österreichische Technikmagazin futurezone.at sowie für den Kurier und gehört ebenfalls zu den versierten Technikjournlist:innen, die zu Themen von Überwachung und den gesellschaftlichen Konsequenzen recherchiert und schreibt.

Außerdem hat sie mit Crash einen Krimi veröffentlicht, der in genau diesem Bereich spielt: IT-Sicherheit, Netzpolitik, Datenschutz und Privatsphäre. Der Nachfolger Jagd im Wiener Netz erscheint im August 2022.

Mit ihrer Artikelserie geht sie sowohl den rechtlichen Fragen einer Mitarbeiter:innenüberwachung nach, zeigt die Dimensionen des Möglichen und welche Software Firmen benutzen, um Mitarbeiter:innen zu kontrollieren – auch und vor allem ohne deren Wissen.

Anhand von Studien und Beispielen, auch aber nicht nur bei Amazon, zeigt sie, wie umfangreich die Kontrollmöglichen sind und wie diese vor allem in den Alltag eingebaut sind, über Apps und die vielen digitalen Arbeitsgeräte, die mittlerweile zum Standard gehörten.

Die Artikelserie von Barbara Wimmer:

- "Wie Mitarbeiter am Arbeitsplatz überwacht und kontrolliert werden", erschienen auf futurezone.at

- "Firmen nutzen IT-Sicherheit als Vorwand, um Mitarbeiter zu überwachen" fort, ebenfalls erschienen auf futurezone.at

- "Was an Überwachung am Arbeitsplatz erlaubt ist und was nicht"

- "So werden Amazon-Zusteller in Österreich überwacht""

Die Auswahl fiel der Jury nicht leicht, denn unter den Einsendungen waren eine Reihe von preiswürdigen Beiträgen ganz unterschiedlicher Art. Die zuvor erstellte Shortlist gibt davon einen Eindruck.

Der Preis wird von einer unabhängigen Jury aus Wissenschaftler:innen und Journalist:innen jährlich vergeben, zur Jury gehört auch Telepolis. Die Idee des Preises ist es, die vielfältige Berichterstattung zum Thema Überwachung sichtbarer zu machen.

Dabei richtet sich das Interesse vor allem auf Beiträge, die Zusammenhänge erklären und deutlich machen, inwiefern Überwachung (nicht nur die digitale) bereits längst ein Teil unseres Alltages geworden ist – und warum das bisweilen problematisch sein kann, aber nicht immer zwingend und unausweichlich sein muss.