Symphonie für Punktmatrix-Drucker
Textdateien als Partituren
Als die FAZ irgendwann einmal versuchte, Techno zu erklären, kam sie auf die amüsante Idee, den Club als ästhetisches Äquivalent einer Maschinenhalle zu interpretieren. Da hatte jemand seine Futuristen genau studiert, aber vergessen nachzufragen, wie Synthesizer, Drum Machines und Computer wohl in ein staubiges Schweiß-und-Öl-Szenario zu implementieren wären.
[The User] scheinen da einen Schritt weiter zu sein. Sie platzieren ihre symphony #1 for dot matrix printers als "local area network orchestra" immerhin in ein Büroambiente. Die beiden Kanadier Thomas Mcintosh und Emmanuel Madan steuern 12 Rechner und die jeweils an sie angeschlossenen Nadeldrucker seriell und über Ethernet von einem Server aus an. Als Kompositionsgrundlage dienen ASCII-Dateien, die jeweils spezifischen PCs zugeordnet sind. Über modifizierte Hardware und selbstgeschriebene Software kann jeder Drucker auf einem exakten Punkt der Zeitleiste gestartet werden.
[The User] haben damit getan, was auf der Hand liegt und sind dennoch nicht die ersten, die den Sound von Nadeldruckern musikalisch einsetzen. Auf "doppler" von Micz etwa übernahmen Druckersounds hin und wieder den Part des Drumcomputers, während der Berliner Künstler Sven Gareis 1996 im Berliner kunst raum mitte Drucker, Monitor und Endlospapier zur audivisuellen Installation "Bitstream" kombinierte.
Drucker sind allerdings auch ohne Intervention von Musikern faszinierende Rhythmusmaschinen, die aus Buchstaben, Leerzeichen und Absätzen holpernde Beats generieren. [The User] determinieren diese Strukturen durch die Komposition von ASCII-Partituren und setzen der Zufälligkeit von Druckereignissen eine Idee von Musik mit großem M auf. Das Ergebnis trägt insofern ganz unironisch und korrekt den Titel Symphonie. Das ist auch der Grund, warum die Symphonie für Nadeldrucker alles andere als Techno ist.
[The User] verzichten ganz einfach auf Instrumentalisten und ersetzen sie durch Nadeldrucker. Die Komposition selbst setzt ganz traditionell auf Intros, Spannungsbögen, Überraschungseffekte, Themen undsoweiter... Statt Symphonie der Großstadt hier also die Vorführung von Geräten, die in jedem modernen Büro längst ausgemustert sind. Der Einsatz von Hallgeräten rückt das Ergebnis hin und wieder gar in Richtung Bombast(rock). [The User] demonstrieren so ein irgendwie rührendes Verständnis moderner Informationstechnologien. Anstelle von verteilten, interagierenden Systemen herrscht ein Master-Slave-Verhältnis zwischen Komponist/Server und Drucker. Anstatt die internen Logiken der Maschinen selbst zur Sprache kommen zu lassen, wird hier nicht mehr ganz neue Technologie als Metapher für unsere scheußliche Plastikwelt vorgeführt. Als freundliches Märchen aus der Technowelt interpretiert, die im Stil alter Avantgarden gehalten ist, könnte man der Symphonie auch durchaus ein Augenzwinkern abgewinnen.
Wer aber dachte, [The User] verweise als Titel in alter Technotradition auf einen Dekonstruktivismus, der noch jeden alten Nadeldrucker einer herrschenden Mittelstandssubjektivität vorzieht, sieht sich getäuscht. Der Begriff des Users, so die beiden Komponisten, reduziere in unserer Gesellschaft das Individuum auf ein abstraktes Ideal. Und dieses wiederum sei nur erfunden worden, um die große Mehrheit der Bevölkerung ungestraft mit Plastikbesteck, Neonlicht und Muzak bombardieren zu können. Mit diesem durchaus kreativ zu nennenden Kulturpessimismus holten sich [The User] immerhin eine Honorary Mention des Prix Electronica und traten im Rahmen der net.condition auf. Ihre auf Staalplaat erschienene CD enthält außer den verwendeteten ASCII Files die Aufforderung an andere User, sich mit eigenen Textdateien zu beteiligen. Unter den gegebenen Umständen kann man das wohl nur als didaktische Maßnahme verstehen.
[The User]: symphony #1 for dot matrix printers (Staalplaat)