Syrien - Christen in Angst

Seite 2: Christen im Machtbereich des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad

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Wie bereits erwähnt, ist Syrien in verschiedene Machtbereiche eingeteilt. Im Folgenden wird die Lage der Christen im Machtbereich von Baschar al-Assad beschrieben. In der "Arabischen Republik Syrien" gab es bis zum Ausbruch der Revolte im März 2011 in den Gebieten, die unter Assads Armee stehen, keine offizielle Staatsreligion, wenngleich der Verfassung nach der Präsident Syriens muslimisch sein muss und islamische Rechtsprechung der Hauptbezugspunkt für die Gesetzgebung ist.

Religionsfreiheit wird in Artikel 3.3 der Syrischen Verfassung garantiert, so die Ausübung der Religionsfreiheit nicht die öffentliche Sicherheit gefährdet. Zudem dürfen Staatsbürger aufgrund ihrer religiösen Weltanschauung nicht diskriminiert werden (Artikel 33.3). Die Verfassung enthält auch rechtliche Mechanismen, um religiöse Gruppierungen zu verbieten, die von der Regierung als "extremistisch" eingestuft werden. Dazu werden neben muslimischen Extremisten ebenso beispielsweise die Zeugen Jehovas gezählt.

Die Mitgliedschaft in salafistischen Organisationen ist rechtswidrig, wobei die Regierung die Kennzeichen für Salafismus nicht näher definiert hat. Dem Gesetz zufolge steht auf Zugehörigkeit zur syrischen Muslimbruderschaft die Todesstrafe. Trotz diskriminierender Gesetze und Regelungen, wie des Verbotes für Christen den Präsidenten Syriens zu stellen, konnten und können Christen unter der Herrschaft Assads ihre Religion in der Arabischen Republik Syrien relativ uneingeschränkt ausüben.

In den vergangenen Jahren wurden sowohl regierungskritische Geistliche, wie der aus Italien stammende Jesuitenpater Paolo dall’Oglio, als auch regierungsfreundliche Bischöfe, wie Mor Gregorius Yuhanna Ibrahim oder Mor Boulos Yazigi aus Aleppo, entführt. Ende 2011 hatte das Assad-Regime den Jesuitenpater Paolo dall’Oglio zur Persona non grata erklärt, nachdem er drei Jahrzehnte um Verständigung zwischen Christen und Muslimen in Syrien bemüht war.

Verbrechen der Al-Nusra-Front

Die Al-Nusra-Front setzte im Oktober 2014 Franziskanerpater Hanna Dschallouf sowie etwa 20 weitere Geistliche fest. Im April 2014 wurde der niederländische Jesuitenpater Frans van der Lugt, der die Aushungerung der Altstadt Homs durch die Regierung anprangert hatte, in Homs ermordet

Ende 2013 wurden 12 syrisch-orthodoxe Nonnen in der Stadt Ma’alula durch die Al-Nusra-Front entführt. Besonders gefährdet ist die christliche Minderheit in den nordsyrischen Gebieten, welche vom IS kontrolliert werden. Dort kam es Ende Februar 2015 in der Provinz Hassaka in mehreren Dörfern zur Verschleppung von über 300 assyrischen Christen.

Auch die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte (SOHR) prangerte zahlreiche Verbrechen gegen assyrische Christen im Nordosten des Landes an, darunter die Exekution von 2.000 assyrischen Christen. In anderen Berichten wird von der Rückeroberung von IS-Stellungen im Nordosten Syriens durch kurdische Kämpfer berichtet, die dabei 14 von assyrischen Christen bewohnte Dörfer befreiten.

Exodus

"Die christliche Gemeinschaft in Syrien wie auch in weiten Teilen des Nahen Ostens wird zu einem Schatten ihrer selbst." Zu dieser Einschätzung gelangte der International Religious Freedom Report des US-Außenministeriums für das Jahr 2013 und belegte seine Aussage exemplarisch mit Zahlen für die Stadt Homs: Demnach zählte die christliche Gemeinschaft in Homs vor Ausbruch des bewaffneten Konfliktes 160.000 Angehörige, während für das Jahr 2013 nur noch einige Tausend registriert wurden.

In Aleppo machen Christen die größte religiöse Minderheit aus. Schon vor 2011 lebte in Aleppo eine große armenisch-christliche Gemeinschaft. Viele Christen sind in den vergangenen Monaten vor den Luftangriffen aus den am stärksten betroffenen Stadtteilen geflohen. Dabei stieg die Zahl der Binnenmigranten aus Homs, Damaskus und Aleppo in den Küstengebirgen, aber auch die Zahl der Geflüchteten.

Vor einem Exodus der christlichen Gemeinde in Syrien hatten deutsche Menschenrechtsorganisationen bereits im August 2013 gewarnt und von der deutschen Bundesregierung gefordert, bei ihren außenpolitischen Entscheidungen ein besonderes Augenmerk auf den Schutz christlicher Minderheiten zu legen.

Das "Tal der Christen"

Immer wenn die Rebellen vorrückten, flohen Christen zu Zehntausenden entweder in die Gebiete unter Assads Kontrolle im Westen des Landes oder in die Regionen, die von Kurden beherrscht werden, im Norden. Eine Region, in der die Christen Zuflucht fanden ist die sogenannte Wadi al-Nasara (deutsch: Tal der Christen). Diese Region im Westen Syriens, nahe der libanesischen Grenze, gehört administrativ zu Homs.

Die meisten Menschen, die dort leben, sind griechisch-orthodoxe Christen. Rund 150.000 Christen leben in den rund 40 Dörfern des "Tals der Christen". Das Tal "Wadi al-Nasara" gilt als historische Hochburg der syrischen Christen. Hier haben in den vergangenen Jahren zehntausende Binnenflüchtlinge aus Homs und anderen Städten und Provinzen Zuflucht gesucht.

Nach Nasra zum Beispiel, eines der christlichen Dörfern, kamen seit mehreren Jahren ungefähr 100 geflüchtete Familien, welche nun in diesem kleinen Dorf leben. Viele Christen flohen in die mehrheitlich von Alawiten1 besiedelten Ortschaften an der Mittelmeerküste Syriens. Viele Christen haben in Latakia, an der Küste, ein Zuhause gefunden. Vor dem Bürgerkrieg hatte Latakia eine Bevölkerungszahl von 600.000. In den Jahren bis 2018 erhöhte sich die Bevölkerungszahl auf 2 Millionen. In Aleppo lebten 150.000-170.000 Christen (2010). Ein Drittel floh in das "Tal der Christen" und ein weiteres Drittel ins Ausland.