Taiwan: Peking-freundliche Partei erhält starken Zulauf
In der "Republik China" könnte es zu einem politischen Erdbeben kommen. Die Polarisierung wird stärker. Was das mit der Lage in Deutschland um 1990 gemein hat.
In der Republik China, so der offizielle Name des nur von wenigen Ländern anerkannten De-facto-Staates auf der Insel Taiwan, kündigt sich bei den Parlamentswahlen 2024 ein politisches Erdbeben an. Das schreibt die in Hongkong erscheinende South China Morning Post. Die Konsequenzen des wahrscheinlichen Umbruchs seien ungewiss.
Die jüngsten Meinungsumfragen zeigen den Aufstieg einer neuen, erst 2019 gegründeten Partei, die als relativ Beijing-freundlich beschrieben wird. Demnach könnten bei den kommenden Wahlen womöglich erstmals in der Geschichte des Landes drei Parteien über 20 Prozent der Wählerstimmen erzielen.
Das bisherige System
Bisher haben, seit militante Arbeiter- und Studentenproteste in den 1980ern-Jahren das Ende der Diktator erzwangen, die einstige Oppositionspartei DPP (Demokratische Volkspartei) und die einstige Partei der Diktatur KMT (Kuomintang, Nationale Volkspartei Chinas) quasi ein Zwei-Parteiensystem gebildet.
Die KMT unterlag 1949 im Bürgerkrieg mit der Kommunistischen Partei und hatte sich mit einem Teil ihrer Anhänger und vor allem ihrer Funktionäre nach Taiwan zurückgezogen und dort zunächst sehr gewalttätig geherrscht. Die DPP entstand andererseits im Kampf gegen die KMT-Diktatur und strebt nach formaler Unabhängigkeit Taiwans.
Davon will weder die KMT noch die Regierung in China etwas wissen, die beide am Status eines eingefrorenen Bürgerkriegs und eines einigen Landes festhalten.
Tiefe Spaltung vergleichbar mit Deutschland 1990
Die Bevölkerung Taiwans ist in dieser Frage offensichtlich tief gespalten, ganz so wie 1990 in West- und Ostdeutschland keineswegs alle für eine Vereinigung der beiden souveränen Uno-Mitglieder waren, wie man unter anderem hier, hier und hier nachlesen kann.
Nur wurden seinerzeit weder in Ost noch in West die Bürger gefragt, ob sie mit dem Beitritt der DDR zu BRD einverstanden sind. So wie die Regierung in Beijing die chinesische Einheit als etwas Naturgegebenes behandelt, so haben auch die meisten deutschen Politiker beider Staaten spätestens ab Anfang 1990 die Vereinigung als einen unhinterfragbaren, vermeintlich natürlichen Schritt behandelt.
Regierungspartei im freien Fall?
Auf Taiwan ist mit der TPP (Taiwanesische Volkspartei) nun jedenfalls ein dritter Akteur auf der politischen Bühne erschienen. Nach den jüngsten Meinungsumfragen, über die Hongkonger Zeitung berichtet, kann sie auf 22,2 Prozent der Stimmen hoffen.
Für die KMT würden demnach derzeit nur noch 20,4 Prozent stimmen, und für die momentane Regierungspartei DPP noch 24,6 Prozent. 2020 hatte die DPP, der die derzeitige Präsidentin Tsai Ing-Wen angehört, noch 41 Prozent Zustimmung erzielt.
Zwei stark auf Unabhängigkeit setzende kleinere Parteien haben mit 7,2 und 6,3 Prozent potenziellem Zuspruchs jeweils erheblich zugelegt, sodass das Wachstum der TPP nicht unbedingt als Zuwachs des auf Zusammenarbeit mit Beijing orientierenden Lagers zu sehen ist.
Eher ist es Ausdruck sowohl einer mit verschiedenen Skandalen verbundenen Krise der bisherigen hauptsächlichen Unabhängigkeitspartei, der DPP, als vermutlich auch der wachsenden Polarisierung in der Bevölkerung.
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